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Editorial

Ricardas Abschied und Merkels langer Atem

Ricarda Lang ist weg, die Grünen pendeln sich auf Robert Habeck ein. Doch mit Lang wusste man wenigstens woran man war, genau wie mit der Ampel. Jetzt droht die Rückkehr von Merkels Nebel.

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Vermissen Sie schon Ricarda Lang? Ihr designierter Nachfolger Felix Banaszak sagte jetzt: „Wenn wir Grünen eins können, dann arbeiten.“ Tja, was soll man sagen – ich finde, Omid und Ricarda waren dagegen fast intellektuelle Größen. 

Seit ihrem Rücktritt diese Woche und dem Austritt der Grünen-Jugend läuft alles auf Robert Habeck & Friends hinaus – also jene Grünen-Generation, die ein Dasein als Partei-Apparatschiks ohne Friedenskekse lebt. Schon mit dem Rückzug von Jürgen Trittin begann das Abstreifen der alten Oberfläche bei den Grünen. 

Und bald schon stört nichts mehr. Dann kann die Partei sich vollkommen fokussieren auf das, was Robert Habecks Vision ist: Der lässige Held des Lastenrad-Bürgertums, der menschgewordene Zeitgeist, der Wähler durch wohliges Gesülze zu hypnotisieren versucht, um ihnen das schläfrige Gefühl zu geben: Der Robert macht das schon. Dass Habeck nach Merkel strebt, ist längst kein Geheimnis mehr. 

Wir haben viel über die Ampel geschimpft, ein Gutes hatte sie allemal: Sie begradigte die politischen Fronten. Endlich gab es wieder Debatte und Kritik. Weil Linke eben links, Konservative aber zumindest in der Opposition wieder halbwegs konservativ waren. Das wirklich Gefährliche war nicht die Ampel, sondern Merkels ewiger Nebel. Doch Habeck hat aus seinem Fehler gelernt. 

Bis vor kurzem waren bei den Grünen Stimmen wie Ulrike Herrmann tonangebend, die sagten: Wir müssen einfach offen aussprechen, was unsere radikalen Pläne sind. Herrmann redet davon, dass wir für den Klimaschutz grünes Schrumpfen und eine Art „britische Kriegswirtschaft“ brauchen würden. Doch spätestens seit dem Heizungsgesetz wurde den Strategen klar, dass dieser Kommunikationsansatz scheiterte, auch wenn er ehrlich war.

Seitdem steuert Habeck um: Er wirft wieder Nebel, redet lieber staatsmännisch, spricht über die Spaltung der Gesellschaft und die eigentliche Aufgabe der Grünen ist plötzlich nicht mehr die große Gesellschafts-Transformation, sondern „Schutz der Demokratie“ – freilich geht es dabei nur um die Außendarstellung, die radikale Politik bleibt die gleiche. 

Insofern bedaure ich Langs Rücktritt. Sie war das perfekte Gesicht der Grünen, jeder wusste, woran man war – man konnte es mögen, die meisten taten das nicht. Habeck allerdings steht für eine Ära Merkel 2.0. Die politische Debatte wird erstickt hinter netten kleinen Geschichten. Merkel denkt vom Ende her, Robert kann so schön erklären. Spiegel-Journalistin Melanie Amann sprach in einem ARD-Interview einmal mit etwas verknalltem Klang in der Stimme davon, wie schwer es für sie wäre, sich dem „gewaltigen Charisma“ von Robert Habeck zu entziehen. Und die politischen Fragen versinken hinter Kitsch und bald schon wird es wieder um Roberts Löcher in den Socken gehen.

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