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RKI-Files

Impfstoffzulassung ohne Studie: Europäische Arzneimittelbehörde drängte auf Auslassen von Sicherheits-Tests

Impfstoffe werden normalerweise über einen Zeitraum von bis zu 15 Jahren entwickelt und in klinischen Studien auf Wirksamkeit und Nebenwirkungen getestet. Doch derartige Studien wollte die Europäische Arzneimittelbehörde laut RKI-Files für die Covid-Impfstoffe einfach umgehen.

Die Krisenstabsprotokolle des RKI offenbaren immer mehr brisante Details über institutionelle Entscheidungen während der Pandemie. Auch die Europäische Arzneimittelbehörde kommt darin vor.

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Die kürzlich von einem ehemaligen Mitarbeiter des Robert-Koch-Instituts durchgestochenen Krisenstab-Protokolle sorgen einmal mehr für Aufregung. In den Ergebnisprotokollen der Sitzung vom 15. April 2020 ist vermerkt, dass die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) und das Pharmaunternehmen Pfizer „überlegen, ob sie ggf. die Phase-III-Studien auslassen und direkt in eine breite Anwendung gehen“.

Mit anderen Worten: Der Impfstoff von BioNTech, das erste in Europa zugelassene mRNA-Präparat zur Behandlung von Covid-Infektionen, sollte laut diesem Gedankenspiel ohne eine breit aufgestellte klinische Studie an die Bevölkerung verteilt werden. In den verschiedenen Phasen einer solchen Studie werden in der Regel mit jeder Phase zunehmend mehr Probanden auf Nebenwirkungen und die generelle Wirksamkeit des Stoffes unter Einbezug einer Kontrollgruppe untersucht.

Derartige Studien sind entscheidend für die Marktfähigkeit eines Produkts, weil sie über unerwünschte Effekte aufklären, die bis hin zum Tod reichen können. Umso erschreckender scheint der Umstand, dass sich mit der EMA eine offizielle EU-Behörde an der Idee beteiligte, die Studie einfach auszulassen. Noch dazu: Nachdem Multipolar im März eine großflächig geschwärzte Variante der KI-Krisenstabsprotokolle einklagen konnte, veröffentlichte die Behörde mit der Einwilligung des Bundesgesundheitsministeriums die Dokumente weitestgehend ungeschwärzt Ende Mai. Einige Passagen waren jedoch auch hier noch geschwärzt – unter anderem eben jene, in welcher der Vorstoß von EMA und Pfizer notiert wurde.

Links: Das offizielle Dokument vom RKI-Krisenstab. Rechts: Die kürzlich durchgestochene und entschwärzte Version des Protokolls.

Die EMA ist als oberste Arzneimittelbehörde dafür zuständig, die Verträglichkeit von Medikamenten und Präparaten abzusegnen und die Anwendung zu empfehlen – wie es für den betroffenen Impfstoff BNT162b2 am 21. Dezember 2020 dann auch geschah.

Elf Tage zuvor hatten Pfizer und BioNTech die Ergebnisse der Phase-III-Studie veröffentlicht, die dann trotz der anfänglichen Gedankenspiele doch durchgeführt wurde. Im April, als die EMA und Pfizer die Idee zum ersten Mal geäußert hatten, begannen die ersten Untersuchungen zu dem neuartigen Impfstoff. Der RKI-Krisenstab notierte damals, eine Phase-III-Studie nehme normalerweise zwölf bis 18 Monate in Anspruch. Wenn aber „von den Regulatoren so entschieden wird, dann kann es schneller gehen als 12-18 Monate“.

In Wirklichkeit ging alles dann noch viel schneller, denn nur acht Monate später erhielt der Impfstoff eine Notfallzulassung – trotz der Durchführung einer Phase-III-Studie, die ja eigentlich mindestens zwölf Monate andauern sollte. Pikant ist, dass Impfstoffe in der Regel fünf bis 15 Jahre in der Entwicklung stecken, doch das war hier nicht der Fall. Noch dazu kommt, dass die Phase-III-Studie laut Pfizer und BioNTech zwar einen Impfschutz von 94,6 Prozent für das Präparat BNT162b2 aufweisen würde. Im Nachgang wurden allerdings brisante Details zur Durchführung der Untersuchungen veröffentlicht.

Im Herbst 2020 meldete sich die Whistleblowerin Brook Jackson öffentlich zu Wort. Sie arbeitete im September 2020 für ein an der Studie beteiligtes Subunternehmen. Nachdem ihr „Unregelmäßigkeiten“ aufgefallen waren, wurde ihr gekündigt, wie das Medizinjournal BMJ berichtete. Sie bemängelte vor allem die Vernachlässigung der eingegangenen Berichte über unerwünschte Nebenwirkungen. Pfizer wurde später über die fragwürdigen Vorgänge aufgeklärt, äußerte BMJ gegenüber aber keine Bedenken. Man konnte „keine Fehler identifizieren, die die Gültigkeit der Studie infrage stellen würden“.

Aus heutiger Sicht ein fataler Satz, wurde doch beispielsweise das erhöhte Risiko für Herzkreislauferkrankungen anfangs noch vollkommen ignoriert. Erst nach massenhaften Berichten vor allem über Myokarditis-Fälle, also Herzmuskelentzündungen im Frühjahr 2021, nahmen Impfstoffhersteller wie BioNTech das Nebenwirkungsrisiko in die Beipackzettel auf, über die jeder Patient theoretisch aufgeklärt werden muss. Auch die Ergebnisse der Phase-III-Studie rückten schnell in den Fokus.

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Bereits in den ersten Verträgen zwischen Pfizer und der Europäischen Union hieß es: Die „Teilnehmerstaaten müssen anerkennen, dass Langzeiteffekte und die Wirksamkeit des Impfstoffs derzeit unbekannt sind und auch unbekannte Nebenwirkungen auftreten“ können (Apollo News berichtete). Auch die Wirksamkeit wurde schnell hinterfragt. Spätestens mit dem Aufkommen der Omikron-Variante im Herbst 2021 war es dann auch mit dieser Behauptung vorbei und BioNTech musste selbst eingestehen, dass der Impfschutz nicht mehr die ursprünglich ausgegebenen 95 Prozent betragen würde.

Die Phase-III-Studie wirft also nach wie vor große Fragen auf – obwohl sie eigentlich als Gold-Standard für einen derartig innovativen Impfstoff dienen sollte. Umso erschreckender wirkt der Vorstoß von EMA und Pfizer aus April 2020, die mRNA-Impfstoffe ohne abschließende Studie zu veröffentlichen. Das Protokoll wirft vor allem ein schlechtes Licht auf die EMA als offizielle EU-Behörde. Die Impfstoffe erhielten im Dezember 2020 auch deshalb eine Notzulassung, weil dadurch die Fallzahlen gedrückt und breitere Ansteckungen vermieden werden sollten.

Im vergangenen November musste die EMA dann aber selbst eingestehen, „dass COVID-19-Impfstoffe nicht zugelassen sind, um die Übertragung von einer Person auf eine andere zu verhindern“ (Apollo News berichtete). Seit wann wusste die Behörde von diesem brisanten Umstand? Sollte der obersten europäischen Arzneimittel-Agentur dieser Fakt schon im April 2020 bekannt gewesen sein, wäre klar: Die EMA drängte auf eine Impfstoffzulassung – und zwar um jeden Preis. Man hätte auch entscheidende Untersuchungen ausgehebelt.

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