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„Aktionstag Hasspostings“

Hausdurchsuchung wegen „Schwachkopf“-Post – jetzt ordnet das LKA den Vorfall unter Antisemitismus ein

Am Aktionstag gegen antisemitische Hasspostings durchsuchte das LKA Bayern die Wohnung eines Rentners, der ein satirisches Meme über Minister Habeck teilte. Das LKA ordnet das ganze einem „antisemitischen Bezug“ zu - doch der ist in keiner Weise zu erkennen. Auf Nachfrage mauert man.

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Am Dienstag, dem 12. November, durchsuchten Beamte der bayerischen Polizei die Wohnung des 64-jährigen Stefan Niehoff. Der Grund: Der 64-Jährige teilte ein Meme auf Twitter, das überspitzte Kritik an Wirtschaftsminister Habeck übte. Das Scherzbild zeigte eine Porträtaufnahme Habecks mit dem an den Werbeauftritt der Firma Schwarzkopf angelehnten Schriftzug „Schwachkopf PROFESSIONAL“. Für den Tag war ein „Aktionstag gegen Hasspostings“ des Bundeskriminalamtes (BKA) angesetzt – der Fokus dabei sollte das Vorgehen gegen antisemitische Äußerungen im Internet sein. Auch dieser Fall lief darunter – wo hier allerdings der Bezug zum Thema Antisemitismus sein soll, erschließt sich nicht. 

Das LKA Bayern erklärt gegenüber Apollo News, dass „alle Durchsuchungen in Bayern“ an diesem Aktionstag einen „antisemitischen Bezug“ gehabt haben sollen – auch der Fall Niehoff wird also unter Antisemitismus eingeordnet und der Einsatz als Vorgehen gegen Antisemitismus gewertet. Wie genau das begründet werden soll, ist völlig schleierhaft.

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Doch die für Herrn Niehoff zuständige Staatsanwaltschaft Bamberg erklärte, dass gegen Herrn Niehoff „ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten wegen des Verdachts einer gegen Personen des politischen Lebens gerichteten Beleidigung gemäß §§ 185, 188 StGB geführt wird.“ Das sind lediglich Beleidigungs-Paragrafen. Es gibt also keine Ermittlungen wegen einer antisemitischen Volksverhetzung. Apollo News liegen die vollständigen Unterlagen zum Fall von Herrn Niehoff vor, daraus ergibt sich ebenfalls kein Bezug der Ermittlungen zum Thema Antisemitismus – lediglich vom Post gegen Robert Habeck ist dort die Rede.

„Weitere Informationen“ könnte man aufgrund der „laufenden Ermittlungen und aus ermittlungstaktischen Gründen“ derzeit nicht geben, hieß es seitens der StA Bamberg weiter. Eine Antwort auf die Frage, wo genau man bei Herrn Niehoff einen antisemitischen Bezug erkenne, ließ man in Bamberg unbeantwortet. Die Staatsanwaltschaft ließ mehrere Antwortfristen verstreichen und reagierte auch auf telefonische Nachfrage nicht.

Auf erneute Nachfrage schob das Landeskriminalamt Bayern, welches vorher noch einen antisemitischen Bezug erwähnte, die gesamte Verantwortung auf die „ermittelnden Dienststellen“. Diese sind „die Staatsanwaltschaft Bamberg und das PP Unterfranken“ – man wollte keine weitere Stellung beziehen.

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Auch Niehoff selbst erklärte gegenüber Apollo News, dass ihm die Beamten bei der Untersuchung nicht mit einem möglichen antisemitischen Vorfall konfrontierten und ihm davon nichts bekannt sei. „Bei den beiden Beamten hatte man eher den Eindruck, dass ihnen das fast peinlich war“, erklärte der Beschuldigte weiter.

Diese behördliche Unsicherheit lässt sich auch aus dem Durchsuchungsbeschluss herauslesen. Volksverhetzung oder ein antisemitischer Bezug werden nicht begründet. Die Begründung für die Maßnahme ist abenteuerlich: Das Meme würde unter anderem Habecks „Wirken als Mitglied der Bundesregierung erschweren“, argumentiert die Staatsanwaltschaft. In zuletzt immer engeren Zeitintervallen veranstaltet das Bundesinnenministerium, federführend das Bundeskriminalamt, gezielt und öffentlichkeitswirksam Hausdurchsuchungen im ganzen Bundesgebiet wegen sogenannter „Hasskriminalität“.

Dieser Aktionstag soll sich spezifisch, so behauptet es die Behörde, gegen antisemitische Delikte richten. Wie man im Fall Niehoff sieht, ist das nicht immer der Fall gewesen. Die allermeisten polizeilichen Maßnahmen, knapp zwei Drittel, basierten laut BKA auf Ermittlungen im Bereich der politisch motivierten Kriminalität rechts.

Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) erklärte auf Anfrage von Apollo News, dass dem Haus zu dem Sachverhalt „keine eigenen Erkenntnisse“ vorliegen würden. Die Frage, ob Habeck den Strafantrag gegen Niehoff selber stellte, könne man nicht beantworten. Man verwies lediglich auf das Abgeordnetenbüro des Ministers, dieses ließ eine Anfrage von Apollo News unbeantwortet. Auch die Staatsanwaltschaft Bamberg antwortete nicht auf die Frage, wer den Strafantrag gestellt hat.

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