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Flucht der großen Männer

Friedrich Merz erklärt, er habe es schwerer als Konrad Adenauer. Das Herbeiphantasieren einer historischen Rolle ist der letzte argumentative Strohhalm dieser bisher vor allem belanglosen Koalition.

IMAGO/dts Nachrichtenagentur

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Friedrich Merz kann man beim Zusammenbrechen zusehen, in einem Absatz allein. Von der FAZ wird er gefragt, ob es leichter wäre, heute zu regieren oder unter Konrad Adenauer. Daraufhin antwortet Merz: „In aller Bescheidenheit: Vermutlich war es damals leichter. In der jungen Bundesrepublik konnte jede politische Entscheidung das Land nach der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten nur besser machen. Heute beobachten wir sehr viel Angst vor Veränderungen. Viele im Land fürchten, dass es ihnen in Zukunft schlechter gehen könnte. Ich stelle das ohne jede Larmoyanz fest, aber Adenauer konnte viele Dinge auch deshalb durchsetzen, weil die Bevölkerung damit fast immer Hoffnungen verband und sich diese Hoffnungen ja auch sehr schnell erfüllt haben.“

Friedrich Merz, der Kanzler in schwierigerem Fahrwasser als Adenauer? Es ist wohl kaum notwendig auszuführen, dass das Blödsinn ist – dass Konrad Adenauer nahezu alle großen Programme seiner Amtszeit von der Westbindung bis zur Wiederbewaffnung gegen enormen, heute unvorstellbaren Gegenwind und gegen klare Mehrheiten in der Bevölkerung durchgesetzt hat; dass das Wirtschaftswunder auf einem historischen Alleingang nahe am politischen Suizid von Ludwig Erhard basiert. Die Gesellschaft der Nachkriegszeit war weitaus perspektivloser, die Richtung, in die das Land steuerte, war weitaus unklarer – und das intellektuelle Format, das nötig war, in diesen Wirren eine Vision zu entwickeln, war weitaus größer. Heute ist eigentlich jedem recht klar, was passieren muss und wird – es tut nur keiner, aus Bequemlichkeit und aus Angst. Ironisch, dass ausgerechnet Friedrich Merz in seiner selbstmitleidigen Selbstüberhöhung die historische Leistung der ersten Generation der CDU derart kleinredet.

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Larmoyanz, das neue Lieblingswort von Merz, kann natürlich auch in dieser Ausführung nicht fehlen. Am Samstag wagt Merz dann den nächsten Adenauer-Vergleich. Er schwört seine Partei auf die Brandmauer ein: „Das ist eine Partei, die mit der Tradition von Konrad Adenauer brechen will“. Ironisch, wenn man bedenkt, dass Adenauer die genannten großen Leistungen für Deutschland gerade deshalb erbringen konnte, weil er mit der DP koalierte, einer Partei, die jedenfalls weit rechts der AfD stand. Er koalierte mit ihr, um eine Koalition mit der SPD zu vermeiden, die eben vor dem Godesberger-Programm und damit der Wandlung in die Mitte stand. Merz hingegen koaliert mit einer SPD, die, wenn man es genau nimmt, längst auf dem Weg zurück hinter das Godesberger Programm ist.

Ironisch ist auch, dass Friedrich Merz das Statement einleitet mit den Worten: „Es gibt zwischen der AfD und der CDU keine Gemeinsamkeiten“. Das ist natürlich offensichtlicher Nonsens und ein Satz, der den ganzen Realitätsverdrängungs-Marathon einfängt, unter dem dieses Land leidet. Doch mit ewigen Sprücheklopfen wird sich die Schieflage im politischen System nicht beheben lassen. In Sachsen-Anhalt steht die AfD bei 40 Prozent – wie will man weitermachen? Man will warten, bis es zu spät ist, ganz einfach.

Ganz nebenbei räumt man dieser Tage dann aber noch auf unerklärliche Art und Weise die großen, traditionsreichen Linien der Union ab. Joachim „Joe“ Wadephul meint etwa: „Es waren Menschen aus der Türkei, die das Wirtschaftswunder möglich gemacht und Deutschland mit aufgebaut haben“. Eine ahistorische Aussage, schließlich war es objektiv gesehen einfach andersherum: Durch das Wirtschaftswunder entstanden soviele Arbeitsplätze, dass man 1961 ein Anwerbeabkommen mit der Türkei schloss. Das Wirtschaftswunder verdankt Deutschland ganz im Wesentlichen der persönlichen Lebensleistung von Ludwig Erhard.

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Für Friedrich Merz ist die Flucht in eine verquere Betrachtung der Geschichte seine wenig erfolgversprechende Rettungsstrategie. Gleichsam versucht diese Regierung, ihrer relativ belanglosen und bis dato niemals mutigen Politik einen Nimbus des Historischen zu verleihen. Sei es Friedrich Merz, der hartnäckig aber ohne jeden Anflug eines Beweises behauptet, er hätte die NATO gerettet, sei es ein Bürgergeld-Reförmchen, das man als neue Agenda 2010 verkaufen will, oder die Rhetorik, die den Eindruck erwecken will, diese Regierung sei die letzte Verteidigungslinie in der Spätphase einer neuen Weimarer Republik.

Doch an dieser Koalition ist bis dato rein gar nichts historisch, außer ihrer Ignoranz. Es ist eine Koalition des Verschleppens und Vertagens, des flüchtigen Übermalens und bestenfalls des Stopfens der offensichtlichsten Lecks. Die eigene Überhöhung entkoppelt diese Regierung nur weiter von der Realität – und mit ihrer Anmaßung gegenüber den wirklich großen Figuren der CDU demontiert man sich selbst. Friedrich Merz sehnt sich nach der eigenen Größe vor der Geschichte – die wenigsten großen Männer haben ihre Größe allerdings auf der Flucht gefunden.

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82 Kommentare

  • Frau Weidel ist Merz weitaus überlegen. Für mich gehört Frau Weidel auf den Sitz der Kanzlerin!

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  • Herr Wadephul versucht die Nachkriegsgeschichte im Sinne einer Claudia Roth umzuschreiben – man könnte hier spekulieren, dass die Union zur schwarz-roten Koalition nun auch noch die Grünen und die Linke hinzunehmen möchte. Zu Herrn Merz möchte ich mich nicht weiter äußern, seine Worte sprechen im Vergleich zu seinen Taten eine deutliche Sprache. Was die Gerüchte über einen „Putsch“ in der CDU angeht: Welcher CDU-Politiker sollte denn Merz stürzen können? Spahn? Wüst? Günther? Die sind doch auch alle nicht tragbar. Ich sehe da in der ersten und zweiten Reihe der CDU niemanden, der das machen könnte. Nein, die CDU wird die Brandmauer nicht aufgeben, zu groß ist die Furcht vor Rot-Links-Grün und den ebenso rot-links-grünen Medien. Die CDU lässt lieber das ganze Land vor die Hunde gehen, als ihre Posten und Diäten aufzugeben und wird daher verdient den Weg der FDP gehen.

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    • Sehr gut geschrieben!
      Danke

    • Ja man richtet sich wohl für längere Zeit im Linksextremen Milieu ein !!

      Habe gestern auch mal daran gedacht wer Merz ablösen könnte und es auf keinen Fall schlechter machen würde . Wenn es um Kompetenz Intelligenz und Führungsfähigkeiten gehen würde könnten es wohl locker 25% der Bevölkerung sein . Muss er dann aber auch noch CDU Mitglied sein und schon ein hohe Position in der Partei haben wird es sehr eng !
      Ich befürchte das Merz wohl das beste ist was Merkel überlebt hat in diese ehemals stolzen und Kompetenten Volkspartei darstellt .
      Da macht mir echt schon Angst für Deutschland !!

      • Politiker sind wandelbar und wenn sie glauben, dass sie mit einer anderen Meinung Karriere machen können, dann werden sie es tun, Aber selbst diese Eigenschaften findet man nicht bei Merz. Er ist hingegen von gestern, dazu noch unflexibel, ein Schisser und damit unfähig die Probleme der heutigen Zeit zu lösen.
        Aus der Führungsriege sehe ich im Moment auch niemanden wirklich. Linnemann wäre ein guter Wirtschaftsminister, aber ob er Kanzler kann, mag ich bezweifeln.

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      • zu Guttenberg

        2
    • Sehr gut geschrieben. Aber ich denke das die CDU-Genossen der unteren Basis das übernehmen werden. Die denken anders als die „Profis“.

    • Bravo, verehrter Herr Korte! Ihren Worten ist nichts hinzuzufügen. Auch ich sehe in der gesamten CDU/CSU-Führungsriege augenblicklich Niemanden – wirklich NIEMANDEN! – der in der Lage wäre, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Dazu bräuchte es nämlich das, was man so gemeinhin mit Durchsetzungswillen, innerer Überzeugung und Charakterstärke umschreibt – lauter Eigenschaften, die unter maßgeblicher Federführung einer gewissen Dame ‚mit Agitprop-Hintergrund‘ während der letzten Jahrzehnte erfolgreich ‚weggezüchtet‘ wurden – wobei: Das Elend fing eigentlich schon lange vorher an, als nämlich die stromlinienförmigen ‚Karrieremacher‘ den Wesenskern der Union aufzuzehren begannen…

    • Ich pflichte bei ohne Einschrenkung, möchte aber noch hinzufügen: was eine erbärmliche Gestalt! Der Begriff „Person“ scheint mir nicht mehr angemessen.*

      Was ist da mental an irgendeinem Punkt im Leben aus dem Ruder gelaufen? Ein Psychiater hätte eine gewaltige Aufgabe, das zu ergründen.

      *Über die anderen Gestalten erübrigt sich jeder weiterer Komentar. … Wir leben in einem Irrenhaus! Nicht als Polemik gemeint, sondern tatsächlich klinisch!

      P.S. Gut dass meine Zeit auf das Ende zuläuft. Ich habe das Aufblühen unseres Landes nach dem Krieg erlebt und das sog. Wirtschaftswunder, auch mit Ecken und Kanten, aber Alles in Allem eine gute Zeit. … Dann wurde Wahnsinn zur Normalität. Das Land hat Erfahrung damit. Vielleicht ist das so gewollt, unser Normalzustand?

  • Adenauer hat nicht herum gejammert sonder die Dinge angepackt, Merz wollte unbedingt Kanzler werden. Jetzt ist er es und jammert herum. Bei Adenauer hätte Klingbeil keine Chance, da würde Klingbeil das machen was Adenauer will und nicht umgekehrt.

    • Vor allem Adenauer hatte Rückgrat, der Fritzel ist wie ein Bandwurm.

      • Ja überflüssig. Der Abwärtstrend der CDU Sekte geht weiter. Geduld es wird schon noch.

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  • Spannender Artikel, aber ich bin bei einer Stelle unsicher: Es heißt, Adenauer habe mit der SRP koaliert. Ich habe das mit ChatGPT gegengecheckt, dort hieß es, Adenauer habe nie mit der SRP regiert, sondern mit der Deutschen Partei (DP), während die SRP 1952 sogar verboten wurde. Vielleicht kann die Redaktion das einmal prüfen? Wäre interessant, wie es historisch wirklich war.

    • Die SRP war nie im Bundestag vertreten.

  • Konrad Adenauer hat auch einmal folgenden Satz gesagt:
    „Das hat der liebe Gott nicht gut gemacht, allen Dingen hat er Grenzen gesetzt, nur nicht der Dummheit.“

  • Der genannte Koalitionspartner der CDU „auf der rechten Seite“ nach dem Krieg war die „Deutsche Partei“ (DP). Der Tipfehler könnte noch bereinigt werden.

  • Erfrischende Analyse mit Substanz. Danke.

  • Wurde dieser Artikel unter Verwendung von „KI“ geschrieben?
    Adenauer hat keinesfalls mit der SRP koaliert! Dieser war eine Nachfolgepartei der NSDAP und wurde als solche 1952 verboten.
    Adenauer regierte mit einer Koalition aus CDU, CSU, FDP und DP.

  • Volle Zustimmung. Genau so ist es.

  • Ein Kanzler hat aus Schutt und Asche eine wohlhabende Nation gemacht.

    Der andere geht den umgekehrten Weg.

  • Einen wesentlichen Unterschied zu Adenauer hat Merz verschwiegen: Adenauer war glaubwürdig.

  • Aus sichere Quelle habe ich erfahren, dass die Deutsche Post zu Ehren des Bundeskanzlers eine Sonderbriefmarke herausgeben wird. Abgebildet werden soll auf dieser Marke das Bild einer Topfpflanze. Einig ist man sich noch nicht, ob es eine Yucca-Palme, oder ein Benjamini werden soll.
    Ich selbst hätte eine fleischfressende Pflanze favorisiert.

    Spaß……….

  • Meine Söhne kriegt ihr nicht!
    Wir brauchen Frieden, Frieden und noch mals Frieden. Basta.

  • Merz großes Talent besteht im Jammern. Mit ihm wird es nichts werden.

  • Jetzt aber Neuwahlen.Fertig.

  • Sein Vergleich mit Adenauer ist wahrlich staatstragend – muss ja !
    Ideen hat der Mann …

    • Moin . Merz arbeitet nur noch mit Schlagworten für seine Autobiografie !!
      Wird die Fortsetzung von Merkels Freiheit
      Friedrich Merz : Feigheit

  • Merz ist nur noch peinlich. Die CDU täte gut daran, ihn von diesem Amt zu erlösen. Er kann es wirklich nicht.

  • Angst vor Veränderung? Selbstverständlich, denn diese Veränderung ist grausame Verschlechterung.

    • Vor allem Angst, dass die ganzen Sauereien der letzten Jahre nicht nur ans Licht kommen, sondern auch zu strafrechtliche und fiskalen Konsequenzen „unsereDemokratie der Mitte“Politiker führem könnte: z.B. Spahns „Maskendeal“. Da hat sich der Herr + Partner gut gesundgestoßem. Eine 4 Mio. € Villa schüttelt auch ein Politiker nicht so einfach aus den Ärmeln…

  • Wie so oft im Zusammenhang fällt mir bei Friedrich Merz das Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ ein. Ich freue mich schon auf das Ende des Märchens, als ein Kind ruft: „Der Kaiser ist ja nackt!“ Wer wird wohl dieses Kind sein?

  • Wer in zu große Schuhe schlüpft, muss sich nicht wundern, wenn er darin nicht laufen kann.

  • Welcher große Mann! Zudem bietet sich ein Vergleich mit Konrad Adenauer nun wirklich nicht an, das ist absurd!

  • „die wenigsten großen Männer haben ihre Größe allerdings auf der Flucht gefunden.‘

    Der kleine Friedel schafft eben das, was die Großen nicht konnten. Die hatten auf der Flucht aber auch kein Elektronen-Mikroskop dabei!

  • Immerhin hat sich Merzel anscheinend eine Verschönerung des Stadtbildes vorgenommen. Wenn auch nur in homöopathischen Dosen (und in größtmöglicher Zeitlupe).
    Für eine Wiederwahl wird das nicht reichen. Da muss er noch ein bißchen in der Geschichte fischen.

  • Ein grandioser Kommentar zu Merzens Selbstüberhöhung und Anmaßung, seine Bedeutung „in aller Bescheidenheit“ noch über Adenauer zu sehen. Wie armselig. Ein Koalition mit der SRP gab es allerdings nicht. Mannhardt denkt wohl an die kurzzeitige Koaliton mit der Heimatvertriebenenpartei BHE. Allerdings war der BHE politisch eher wie die CDU, nur eben speziell als Interessenvertretung der vielen Millionen Vertriebenen.

  • Merz ist ein Übergangskandidat, der aufgrund seiner Vernetzung über den grössten Landesverband der Union seine jetzige Position erringen konnte. Angie hat ihn schon vor Jahrzehnten ausgebootet, und in der grössten politischen Krise nach 1990 wurde er in die Kulisse geschoben, weil die neue Generation in seiner Partei vorerst nicht beschädigt werden will. Merz hat es in mancherlei Hinsicht politisch tatsächlich schwerer als Adenauer, der im Parlament mit stabilen Mehrheiten arbeiten konnte, von den Amerikanern weitgehend unterstützt wurde und in West-Europa auf gleichgerichtete Interessen beim grossen Nachbarnn Frankreich bauen konnte.

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