In der neuesten Folge der ZDF-Late-Night-Show spricht Jan Böhmermann über rechtsextreme Parolen an Schulen und darüber, „was passiert, wenn eine Lehrkraft sich dann für Demokratie einsetzen möchte“. Die Hintergründe der Sendung mit dem Titel „Fack ju Hitla“ haben Böhmermanns Neo Magazin Royale und Journalisten von Krautreporter in dem Bericht „Brandmauer Schule“ veröffentlicht.

Mit der gemeinsamen Recherche wollen sie beweisen, wie die AfD orchestriert gegen politisch unliebsame Aktivitäten an Schulen vorgeht. Die Rede ist von Denunziation, Einschüchterung, Angstmitteln und Angriffen. Doch die Belege sind dürftig, die Vorwürfe zum Teil konstruiert und wichtige Informationen werden unterschlagen.

Bent Freiwald, einer der Autoren, hat kurz nach Veröffentlichung des dreiteiligen Berichts auf X einen Einblick in die monatelange Arbeit gegeben: „Es war eine enorm zehrende Recherche. Wir haben unzählige Gespräche mit Lehrkräften, Schüler:innen und Schulleitungen geführt. Nach jedem Gespräch haben wir uns angeguckt und hatten das gleiche Gefühl: Wie krass sind diese Geschichten bitte?“

Ebenso habe man sich aber auch gefragt: „Wie mega korrekt sind diese Leute, die gegen die Angriffe von Rechtsaußen vorgehen? Im Mittelpunkt unseres Reports stehen die Leute, die sich wehren. Lehrkräfte, Schüler:innen und Schulleitungen erzählen, wie die AfD sie angreift, wie sie mit ihrem Widerstand alleingelassen werden – und wie sie trotzdem weitermachen.“

Werbung

Freiwalds Wortwahl ist drastisch und offenbart die gesamte Schlichtheit des Weltbilds, das den gesamten Bericht wie einen roten Faden durchzieht: Die AfD greife Schulen an, mutige Lehrer und Schüler leisteten hingegen einsamen „Widerstand“. Mit Blick auf die Methoden, mit denen die AfD Schulen angreife, wird im Text von einer „gut orchestrierten Strategie der AfD“ und davon gesprochen, dass Schulen als „Machtinstrument“ missbraucht werden.

Lesen Sie auch:

Reaktion auf Attenat

ÖRR-Mitarbeiter macht sich über Tod von Charlie Kirk lustig – zuvor verspottete er tote AfD-Kandidaten

Ein Autor der ZDF-Sendung von Jan Böhmermann hat auf die Ermordung des amerikanischen Aktivisten Charlie Kirk mit einem makabren Witz reagiert. Zuvor machte er sich schon über den Tod von AfD-Kandidaten in Nordrhein-Westfalen lustig.

Redaktion • 136

ZDF

„Wo ist eigentlich die RAF, wenn man sie mal braucht?“, witzelt Böhmermann

Die SPD trete in der Koalition mit der Union nicht radikal genug auf. Dieser Meinung ist offenbar Jan Böhmermann. In seiner aktuellen ZDF-Sendung witzelt er: „Wo ist eigentlich die RAF, wenn man sie mal braucht?“

Redaktion • 92

Doch statt eines kohärenten Systems unlauterer „Methoden“ präsentiert der Bericht eine lose Zusammenstellung demokratischer und rechtsstaatlicher Praktiken, die beleglos zu einem systematischen Angriff auf Schulen aufgebauscht werden. So werden der AfD Dienstaufsichtsbeschwerden gegen einzelne Lehrer, kleine Anfragen in den Landtagen, das Festhalten am staatlichen Neutralitätsgebot und parteieigene Meldeportale zum Vorwurf gemacht.

Die Beispiele, die das angeblich „systematische“ Vorgehen der AfD belegen sollen, lesen sich dann auch entsprechend absurd. Die vorgetragenen Einzelfälle liegen überwiegend schon mehrere Jahre zurück und waren auch vor dem Bericht öffentlich hinlänglich bekannt. Die Autoren verweisen etwa auf den Fall der Hamburger Ida Ehre Schule. 2019 haben Schüler dort im Rahmen eines Projekts politische Materialien zusammengetragen und im Schulgebäude angebracht – darunter auch antifaschistische und linksextreme Aufkleber.

Ein Hinweisgeber hatte sich daraufhin über ein von der AfD eingerichtetes Meldeportal, mit dem vor allem Schüler Verstöße gegen das staatliche Neutralitätsgebot melden können, an die Partei gewandt. Diese richtete dann eine, mit zahlreichen Bildern gespickte, kleine Anfrage an den Senat der Stadt, die rasch Wirkung zeigte: Der damalige Hamburger Schulsenator Ties Rabe (SPD) ließ die Aufkleber über die Schulaufsicht entfernen, ohne zuvor Rücksprache mit dem Schulleiter, der Oberstufenleiterin oder der Klassenlehrerin zu halten. Außerdem ordnete die Behörde eine Schulkonferenz an, bei der es um die Beachtung des Neutralitätsgebots gehen sollte. 

Die Autoren des Reports zitieren dazu zwei Kölner Politikwissenschaftlerinnen, die 2021 schrieben: „Die Meldeportale verändern demokratische Werte, dienen der Denunziation und Diffamierung, verletzen den Schulfrieden sowie Persönlichkeitsrechte und können in diesem Sinne unserer Auffassung nach auch als spezifische Formen von Hate Speech eingeordnet werden.“

Selten war wohl ein Fazit realitätsfremder. Sicherlich: Meldeportale jeder Art haben in einer freiheitlichen Ordnung nichts zu suchen. Aber mit ihrer kleinen Anfrage hat die AfD bei Lichte besehen seinerzeit nichts anderes getan, als von einem elementaren, demokratischen Recht Gebrauch zu machen.

Der AfD unter anderem aufgrund solcher Bagatellen einen systematischen Angriff auf das Schulsystem vorzuwerfen, ist aber auch aus einem anderen Grund grotesk. Denn dass sich ausgerechnet linke Medien und Journalisten plötzlich über die Einrichtung unliebsamer Meldeportale echauffieren und diese als unlauteres Mittel im Kampf um Macht und Deutungshoheit kritisieren, ist an Doppelmoral wohl kaum zu übertreffen.

Auch die aufgeführten Fälle von Dienstaufsichtsbeschwerden gegen Lehrer halten einer Überprüfung nicht stand. Die „monatelange Recherche“ von Neo Magazin Royale und Journalisten von Krautreporter hat etwa den – ebenfalls schon längst bekannten – Fall des Lehrers Georg Grimm „zu Tage“ gefördert. Der ist Lehrer eines bayerischen Gymnasiums und hat die Oberstufenschüler der Schule Ende Januar 2024 zur Teilnahme an einer der zahlreichen Anti-Rechts-Demonstrationen aufgerufen, die damals in Reaktion auf die Correctiv-„Recherchen“ zum Potsdamer Geheimtreffen bundesweit stattfanden.

Der Kreisvorstand der AfD reagierte auf diesen Demoaufruf mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde, die der Schulleiter von Grimms Schule an den Ministerialbeauftragten und das Kultusministerium weiterleitete. Grimms Schule musste sich rechtfertigen. Was der Bericht kurzerhand unter den Tisch fallen lässt: Grimm ist nicht nur Gymnasiallehrer, sondern auch Mitglied im Vorstand der SPD Füssen. Die Demonstration, zu deren Teilnahme er in seiner Funktion als Lehrer aufrief, wurde von dem Bündnis „Füssen ist bunt“ organisiert – einem Zusammenschluss, zu dessen Gründungsmitglied auch der Ortsverband der Grünen gehört. Diesen offenkundigen Verstoß gegen das staatliche Neutralitätsgebot verklärt der Report zum legitimen „Widerstand“ eines geradezu heroischen Einzelkämpfers.

Mit Blick auf die Reaktion der AfD heißt es demgegenüber: „Unsere Analyse legt nahe, dass die AfD Dienstaufsichtsbeschwerden als Werkzeug nutzt. Die Partei beschäftigt damit die Schulaufsicht und verunsichert Lehrkräfte.“

Diese Verdrehung der Tatsachen charakterisiert den ganzen Bericht: Während genuin demokratische Vorgänge dämonisiert und weitgehend zusammenhangslose Einzelfälle unter Auslassung wesentlicher Informationen zu einer orchestrierten Kampagne zurechtgebogen werden, wird die in Bezug auf das Neutralitätsgebot missbräuchliche Ausübung des Lehrerberufs zur demokratischen Tugend erhoben.

Teilen: Zu den Kommentaren (52)