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Bluttat

Drei Jahre Würzburg – gegen das Vergessen

Vor genau drei Jahren richtete ein psychisch kranker, mutmaßlich islamistischer Somalier in der Würzburger Innenstadt ein Blutbad an. Die Namen seiner Opfer sollten nicht in Vergessenheit geraten - genau wie die Tatsache, dass die Tat nur durch eklatantes Staatsversagen möglich wurde.

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Genau drei Jahre ist es nun her, dass die Würzburger Innenstadt zum Schauplatz eines schrecklichen Blutbades wurde: Am 25. Juni 2021 ging der damals 24-jährige Somalier Jibril Abdurahman mit einem Messer auf Passanten los. Er verletzte sieben Menschen, darunter zwei Kinder, zum Teil lebensbedrohlich. Für drei Frauen kam jede Hilfe zu spät: Christine, Johanna und Stefanie starben durch die Hand eines psychisch schwerst kranken, mutmaßlich islamistischen Mannes. Wir sollten ihre Namen nicht vergessen – genau wie die Tatsache, dass diese Tat nur durch dreifaches, eklatantes Staatsversagen möglich wurde.

Abdurahman wurde 1997 in Mogadischu geboren und kam 2015 im Rahmen der Flüchtlingskrise nach Deutschland. Der junge Mann lebte zunächst in Sachsen, ab 2019 dann in einer Würzburger Obdachlosenunterkunft. Sein Asylantrag wurde von den deutschen Behörden abgelehnt, doch der Somalier wurde trotzdem nicht abgeschoben – wegen seines subsidiären Schutzstatus. Der Status wird Menschen zuerkannt, die zwar keine Asylberechtigung haben, denen in ihrem Heimatland aber trotzdem ein ernsthafter Schaden droht. 

Es ist jedoch zweifelhaft, ob Adurahman den subsidiären Schutz wirklich zu Recht genoss. Es müsste bei ihm wohl eine explizite, individuelle Bedrohung bei der Rückkehr nach Somalia vorgelegen haben – von der zumindest offiziell nichts bekannt oder bestätigt ist. Es gibt nämlich Gerichtsentscheidungen zu ganz ähnlichen Fällen, in denen klar gegen den Schutzstatus entschieden wurde: Das Bundesverwaltungsgericht entschied im Jahr 2020 zum Beispiel gegen eine 23-Jährige, die ebenfalls aus Mogadischu kam. Das Gericht befand, dass eine schlechte Sicherheitslage und die mangelhaften humanitären Bedingungen allein nicht ausreichen würden, um in Deutschland bleiben zu können.

Die Behörden wussten seit Jahren von Messer-Delikten

Doch das ist nicht das einzige, was einem am Fall von Würzburg stutzig machen muss – Jibril Abdurahman war den Behörden nämlich wegen Gewalt-Delikten bekannt. 2015 hatte die Staatsanwaltschaft Chemnitz wegen gefährlicher Körperverletzung gegen Abdurahman ermittelt, nachdem er in seiner Asylunterkunft einen anderen Bewohner verletzt hatte – er fügte ihm Schnittverletzungen zu. Fünf Monate vor seiner Tat wurde ihm „wegen Bedrohung“ ein Messer von der Polizei abgenommen. Doch es folgte nichts. Er wurde weder abgeschoben noch anderweitig von den Behörden beobachtet. 

Hätte man damals gehandelt, wäre es vielleicht nie zu der Bluttat in Würzburg gekommen – oder wir wüssten zumindest, was den Somalier wirklich getrieben hat. Nach der Tat lag für viele zunächst ein islamistisches Motiv nahe – nach Zeugenaussagen soll Abdurahman während der Tat „Alluha Akbar“ (zu Deutsch: Gott ist groß) gerufen haben. Bei seiner Vernehmung machte er Aussagen, die auf „religiösen Fanatismus schließen“ ließen und in seiner Wohnung fand man nach Bild-Informationen IS-Propaganda-Material. Doch Kontakte zu „militanten Islamisten“ gab es nicht. Dafür eindeutige Hinweise auf eine schwere psychische Erkrankung.

Abdurahman hätte nicht aus der Psychiatrie entlassen werden dürfen

Psychiatrische Gutachten zeigen, dass Abdurahman an einer paranoiden Schizophrenie leidet – einer der schwersten psychischen Erkrankungen, die mit völligem Realitätsverlust, Wahnvorstellungen und Verfolgungswahn einhergehen kann. Menschen, die sich in einer solchen akuten psychotischen Phase befinden, können Realität und Wahn nicht mehr trennen – sie haben oft Todesangst und sind unberechenbar. Aliens, Agenten und völlig irrationale Bedrohungen durch wahllos ausgewählte Passanten sind für den Kranken echt. Und in genau so einem Zustand befand sich Jibril Abdurahman offenbar zum Zeitpunkt der Tat. 

Laut Zeugenaussagen redete er mit Vögeln, er war barfuß und verwirrt. In der Obdachlosenunterkunft habe er nach Aussagen von Bewohnern oft geschrien, gegen die Wände geschlagen und lauthals Selbstgespräche geführt. Ein Imam aus einer Moschee, in die Abdurahman gegangen ist, berichtete zudem, dass er behauptet habe, für den russischen und den amerikanischen Geheimdienst zu arbeiten und Millionär zu sein. Ein klassisches Beispiel für die abstruse Gedankenwelt und Wahrnehmung bei paranoid Schizophrenen. 

Schon im Januar 2021 wurde Abdurahman mithilfe der Polizei in eine psychiatrische Klinik eingewiesen, nachdem er in einer Obdachlosenunterkunft mehrere Personen mit einem Messer bedroht hatte. Wenige Tage vor der Tat soll Abdurahman erneut zwangseingewiesen worden sein, nachdem er sich in das Auto eines Fremden gesetzt hatte und sich geweigert hatte, es wieder zu verlassen. Dazu muss man wissen, dass eine Zwangseinweisung in Deutschland nur in wirklich schweren Fällen, bei akuter Eigen- und Fremdgefährdung eingeleitet wird. 

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Abdurahman verließ die Klinik am nächsten Tag auf eigenen Wunsch wieder – doch das hätte nicht möglich seien dürfen. Dass der Mann trotz offensichtlich immer noch vorliegendem Gefährdungspotential entlassen wurde, ist nur der Antipsychiatrie-Politik der letzten Jahrzehnte zu verdanken. Sie macht es durch immer schärfere Gesetzgebung beinah unmöglich, jemanden längerfristig gegen seinen Willen festzuhalten – ihn zu behandeln und so den Betroffenen, aber auch die Gesellschaft zu schützen (lesen Sie hier mehr)

Say Their Names – Christine, Johanna, Stefanie

Unabhängig davon, ob Abdurahman nun islamistische Wahninhalte hatte oder ob er radikalisiert wurde, bevor die Krankheit bei ihm ausbrach: Unser Staat gleich auf dreifacher Ebene versagt – und Jibril Abdurahman so ermöglicht, drei Menschen zu töten und fünf schwer zu verletzen. 

Sein erstes Opfer war die brasilianische Lehrerin Christiane H. Sie starb bei dem Versuch, ihre kleine Tochter vor dem psychisch gestörten Mann zu schützen. Die 49-Jährige war erst Anfang des Jahres mit der 11-jährigen Akines nach Deutschland gekommen, wollte ihrer Tochter hier wahrscheinlich ein besseres Leben ermöglichen. Mutter und Tochter waren an jenem Tag bei Woolworth einkaufen, als Akins plötzlich von Abdurahman angegriffen wurde. Der Somalier hatte sich ein großes Messer aus dem Geschäft gestohlen und ging damit auf das Kind los. Christine H. warf sich schützend auf ihre Tochter, doch der Somalier stach durch ihren Körper hindurch auf das Kind ein und verletzte es schwer.

Christiane gab ihr Leben dabei, ihre Tochter zu schützen und erhielt dabei Hilfe von der 82-jährigen Seniorin Johanna H. – sie griff völlig selbstlos in die Szene ein und ermöglichte dem Kind so die Flucht. Während Johanna an Abdurahmans Messerstichen starb, rannte Akines blutend aus dem Laden, wobei sie „ich will noch nicht sterben“ geschrien haben soll. Zu diesem zeitpunkt sind zwei Menschen tot, doch der Somalier ist noch nicht fertig. 

Jibril Abdurahman trifft in der Woolworth-Filliale auf Stefanie Wagner, die sich grade ein Kleid für die Hochzeit ihrer besten Freundin kaufen wollte. Die 24-Jährige sollte Trauzeugin werden, stattdessen erlag sie ihren schweren Verletzungen nach einer kurzen Flucht auf den Tramgleisen. Unweit von ihr findet die Polizei einen 16-jährigen schwerverletzten Jungen und die 73-jährige Ingrid L., auf die Abdurahman 13 Mal eingestochen hatte. Sie hatte Stichwunden im Hals- und Rückenbereich, ihre Halsschlagader wurde nur knapp verfehlt. Ingrid überlebte nur dank einer Notoperation.

Noch zwei weitere Frauen im Alter von 39 und 52 Jahren werden schwer, eine 26-Jährige und ein 57-jähriger Mann leicht verletzt. Sie überleben – doch keiner von ihnen wird diesen traumatischen Tag je vergessen. Und das sollten wir auch nicht.

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