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Der Pyrrhussieg des Friedrich Merz

Sieger und doch verloren - die Union gewinnt die Wahl, schneidet aber enttäuschend ab und holt das zweitschlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Jetzt droht statt Politikwechsel ein Weiter-so mit Merz als Feigenblatt - das wird schlecht für Deutschland.

Sehen so Sieger aus? Freude will sich bei vielen in der Union am Wahlabend nicht so wirklich einstellen.

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Schon früh am Wahlabend wollte CDU-Generalsekretär Linnemann sich nicht so wirklich freuen –  obwohl seine Union absehbar stärkste Kraft wurde. Und diese Zurückhaltung war mehr als gerechtfertigt, wie das Wahlergebnis zeigt. Nur 28,5 Prozent – das ist das zweitschlechteste Ergebnis für die Union in ihrer Geschichte und, wenn man ehrlich ist, eine Niederlage für Friedrich Merz. Dass man noch so vergleichsweise hoch abschneidet, ist auch dem CSU-Ergebnis zu verdanken, denn die CDU alleine holte nur 22,5 Prozent. Das sind nur 3,5 Prozent mehr, als Armin Laschet 2021 holte.

Ein Sieg ist das bestenfalls relativ – und selbst dann bleibt es ein Pyrrhussieg. Denn an und für sich ist Friedrich Merz am Sonntag gescheitert. Und mit ihm wohl sein Politikwechsel. Den hatte er versprochen – eine Halbierung der AfD auch. Am Ende verdoppelt sich die AfD, was auch an ihm, seiner Schwäche und seiner Zögerlichkeit liegt.

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Viel zu lange wollte Friedrich Merz den Linken hinterherlaufen. Konservative Wende? So halb, ein wenig. Aber nur, wenn es dafür keinen Ärger mit Links gibt. Noch im November, nach dem Kollaps der Ampel, hätte er einen echten Politikwechsel einleiten können – stattdessen erklärte er es zu seiner höchsten Priorität, „Zufallsmehrheiten“ mit der AfD zu verhindern und unterwarf sich damit völlig ohne Not Rot-Grün. Die Quittung dafür ist auch: über 900.000 Wähler verlor die Union bei dieser Wahl an die AfD.

 Auch davor sah sich die Union viel zu oft in der Rolle einer „konstruktiven Opposition“, die ihr wirklich niemand gedankt hat. Noch in den letzten Debatten im alten Bundestag lobte Merz sich und seine Unionsfraktion ernsthaft dafür, sehr vielen Gesetzen der Ampel-Koalition zugestimmt zu haben. SPD und Grüne dankten es ihm im Januar mit einer Hetzkampagne, die ihn aufs übelste beschimpfte und verleumdete.

Ihm war die Abgrenzung zur AfD wichtiger als die Abgrenzung nach Links – und das war fatal. Robert Habeck als Wirtschaftsminister wollte er beispielsweise monatelang nicht ausschließen. Die Union konnte auch deshalb, wegen ihres scheinbar schon nach links gelehnten Vorsitzenden, von der Wechselstimmung im Land nicht wirklich profitieren.

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CDU und CSU verharrten in Umfragen starr bei um die 30 Prozent. Die größte Oppositionskraft und der Oppositionsführer konnten aus der schlechtesten Regierung aller Zeiten quasi kein Kapital schlagen – das muss man auch erstmal schaffen. Spät rückte Merz von diesem fatalen Irrweg ab – es brauchte die Mordtaten in Magdeburg und Aschaffenburg, um ihn endlich dazu zu bewegen.

Dann tat er, immerhin, das Richtige. Es war am Ende auch seine eigene Partei, die ihm die Gefolgschaft versagte und zum Scheitern des eigenen Zustombegrenzungsgesetzes entscheidend beitrug.  Die letzte Rache der Merkelianer – die uckermärkische Eminenz höchstselbst war ja noch aus der Gruft des politischen Gesterns gekrochen, um Merz in die Parade zu fahren. Am Rande bemerkt: Die vernichtend geschlagene FDP spiegelte dieses Phänomen, als die Linksliberalen in der Fraktion das Zustrombegrenzungsgesetz blockierten. Auch sie nahmen ihrer Partei damit wohl jede Überlebenschance. 

Für das Scheitern dieses Gesetzes trägt Merz keine Schuld. Das schlechte Abschneiden der Union hingegen kann und muss man ihm anlasten. Wem auch sonst? Zu zögerlich, zu zaghaft, zu unentschlossen war Merz über weite Strecken des Wahlkampfs.  Dass er sich zuletzt ein Herz fasste, half ihm und der CDU auch nicht mehr – too little, too late. 

„Links ist vorbei“, rief Merz selbstbewusst noch zum Wahlkampfabschluss in ein bayerisches Brauhaus. Diese Klarheit ließ er davor monatelang vermissen. Jetzt steht er da als König ohne Königreich – er hat die Wahl gewonnen und sie doch verloren. Und wird sich, wie es aktuell aussieht, von der SPD genau diktieren lassen, was geht und was nicht. Denn auch jetzt ist ihm die absolute Abgrenzung zur AfD wichtiger als Distanz nach Links – auch deswegen haben die Sozialdemokraten ihn in der Hand.

Das ist die Ironie und die Tragik des Friedrich Merz: Der Politikwechsel-Kandidat, der angebliche Anti-Merkel, die konservative Hoffnung der CDU droht jetzt, zum Bettvorleger einer Weiter-so-Regierung zu werden. In einer müden Schwarz-Roten Koalition, die die Mehrheit der Menschen in diesem Land nicht will.


Denn die Union muss und wird regieren, koste es, was es wolle. Schon aus dem eigenen Selbstverständnis als staatstragende Partei heraus. Aber das ist der gleiche Irrglaube, dem schon die FDP tödlich erlegen ist – eine falsche Regierung zu tragen, ist das Gegenteil von Staatstragend. Sie anzuführen erst recht. Merz hat schon eine schnelle Regierungsbildung versprochen. Und da werden SPD und Grüne die besseren Karten haben, denn sie können sich im Zweifel einfach zurücklehnen. Das kann die CDU nicht.

So droht Deutschland – und der Union – eine linke Stillstands-Regierung mit Merz als konservatives Feigenblatt. Denn die entscheidenden Fragen in Migration, Wirtschaft und Co. werden sich mit Rot-Grün aller Voraussicht nach nicht lösen lassen – es sei denn, eine unerwartete Welle gesunden Menschenverstandes rollt über beide Parteien hinweg. Das ist allerdings alles andere als wahrscheinlich. 

Glückwunsch an die Union zum Wahlsieg – und herzliches Beileid zur neuen Regierung. Denn aus den erwartbaren Koalitionen heraus die Probleme dieses Landes zu lösen, wird so gut wie unmöglich sein – es bräuchte ein regelrechtes Wunder. Friedrich Merz wäre ein politischer Zauberer, wenn er seinen Politikwechsel wirklich vollbringt. Dabei ist die Lage dramatisch, die Probleme dulden keinen Aufschub mehr, das Vertrauen der Bürger in die Demokratie und die etablierten Parteien ist an einem Tiefpunkt. Noch eine Aufschubs-Koalition mit linken Ideologen, Problemleugnern und Wegguckern könnte schnell zur Todesfahrt nicht nur für die Union, für das parlamentarische System insgesamt werden. 

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