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Der gefährliche Weg zum Wahlausschluss

Schwarz-rot plant einen Wahlausschluss von Kandidaten, die mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilt wurden. Das könnte AfD-Politiker wie Höcke treffen und damit massiv in die Demokratie eingreifen.

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Herrschen in Deutschland bald rumänische Verhältnisse? In dem osteuropäischen Land wurde vor wenigen Wochen der führende rechte Oppositionspolitiker Georgescu erst auf dem Weg zur Wahl-Registrierung verhaftet, dann erklärte man seine Kandidatur für ungültig. Angeblich hätte er „die Bedingungen der Legalität“ nicht erfüllt, da er „die Verpflichtung zur Verteidigung der Demokratie verletzt“ habe. Egal, was man vom russlandfreundlichen Georgescu hält: Der Wahlausschluss war klar politisch begründet. Ein Szenario, das möglicherweise auch in Deutschland droht.

Eigentlich sind die Hürden dafür extrem hoch: Das scharfe Schwert des Parteiverbots oder ein Grundrechtsentzug bei Einzelpersonen kann nur in einem langwierigen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht durchgesetzt werden. Und das war in der Vergangenheit sehr zurückhaltend in der Frage, lehnte selbst ein NPD-Verbot ab. Nun ist aber schon seit gut einem Jahr ein mögliches AfD-Verbotsverfahren im politischen Berlin in aller Munde.

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Insbesondere in den Reihen von Grünen und SPDlern gibt es Verfechter des AfD-Verbots, aber auch CDUler wie der Ex-Ostbeauftragte Marco Wanderwitz wünschen sich das Verbot. Bisher hat das aber keine Mehrheit im Bundestag – auch weil man im Fall der Fälle ein Scheitern in Karlsruhe fürchtet. Der Schritt dahin, die AfD selbst zu verbieten ist den meisten – selbst vielen, die die AfD gerne verbieten würden – daher noch zu weit.

Stattdessen sucht man nach Formen einer Art „AfD-Verbot Lite“, etwa in de man als besonders radikal geltende Landesverbände ins Visier nimmt. Oder eben die Frage eines Parteiverbots zur Seite schiebt und andere Rechtsinstrumente verwendet: Ein Vereinsverbot der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) war im Gespräch, weil diese formell nicht Teil der Partei ist. Die JA kam solchen Gedanken zuvor, indem sie ihre Selbstauflösung und Neugründung in Form einer echten Parteiorganisation anstieß.

Im Koalitionspapier von SPD und CDU findet sich jetzt ein Passus, der womöglich schwerwiegende Konsequenzen für die Zulassung von AfD-Kandidaten haben könnte. Im Papier der Arbeitsgruppe 1 „Innen, Recht, Migration und Integration“ heißt es nämlich: „Im Rahmen der Resilienzstärkung unserer Demokratie regeln wir den Entzug des passiven Wahlrechts bei mehrfacher Verurteilung wegen Volksverhetzung.“ Das heißt: Wer zweimal wegen Volksverhetzung verurteilt wurde, darf nicht mehr als Kandidat bei Wahlen antreten. Es wäre eine einschneidende Intervention in die freie Wahl über das Strafrecht.

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Dass man bei einer Verurteilung wegen schwerwiegender Straftaten sein passives Wahlrecht (für fünf Jahre) verliert, gibt es jetzt schon. Aber auch das bestehende Gesetz setzt eine hohe Hürde an: Man muss wegen eines Verbrechens und nicht nur eines Vergehens verurteilt werden – etwa wegen Raub, Mord oder schwerer Körperverletzung. Außerdem muss man zu einer Haftstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden sein.

Volksverhetzung hingegen ist im Strafrecht deutlich niedriger angesiedelt und kein Verbrechen – Täter werden meist zu Geldstrafen verurteilt. Ein passiver Wahlrechtsentzug passiert bisher also vor allem bei Gewalttätern, die ins Gefängnis wandern, nicht einfach aufgrund von bestimmten Aussagen. Das Vorhaben aus dem schwarz-roten Koalitionspapier würde genau das ändern. Politische, als volksverhetzend geltende Äußerungen, wären auf einmal die Grundlage, um Politiker von Wahlen auszuschließen.

Wegen einer im Recht bisher niedrig gehaltenen Straftat, die ganz klare politische Dimensionen hat – schließlich geht es meist um politische Sprüche oder Forderungen – würde man auf einmal tief in die Demokratie eingreifen. Wen so ein Wahlausschluss treffen würde, ist nicht schwer vorauszusagen.

AfD-Politiker Björn Höcke etwa wurde bereits einmal wegen Verwendung der von der SA genutzten Parole „Alles für Deutschland“ wegen Volksverhetzung verurteilt. Bald dürfte er wegen des gleichen Vorwurfes wieder vor Gericht stehen: Diesmal geht es darum, dass er bei einer Wahlkampfveranstaltung „Alles für“ rief und damit die folgende Publikumsreaktion „Deutschland“ einlud.

Egal ob man den Spruch und Höckes Provokation dazu für Volksverhetzung hält oder nicht: Bei einer wiederholten Verurteilung würde er genau in jene Kategorie von Politikern fallen, die laut schwarz-rotem Koalitionspapier künftig von Wahlen ausgeschlossen werden.

Höcke das Recht gewählt zu werden zu entziehen ist kein neuer Gedanke: Linke Aktivisten forderten in einer Petition einen solchen Grundrechtsentzug des Thüringer AfD-Politikers schon vor geraumer Zeit. Nur dass damals jedem klar war, dass so ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht recht unrealistisch ist: Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik wurde schließlich einer Person ein Grundrecht aberkannt. Die Hürden wären ähnlich oder sogar höher als für ein Parteiverbot.

Mit ihrem Vorhaben könnte Schwarz-Rot jetzt aber genau das umsetzen – per Abkürzung über das Strafrecht. Mehr noch: Womöglich soll die Definition von dem, was unter Volksverhetzung fällt, noch ausgeweitet werden. Denn im Papier heißt es weiter: „Wir wollen Terrorismus, Antisemitismus, Hass und Hetze noch intensiver bekämpfen und dazu insbesondere den Tatbestand der Volksverhetzung verschärfen.“ Was dabei „Hass und Hetze“ ausmacht, ist in der politischen Debatte freilich recht schwammig, genauso die Frage war eine Verschärfung des Volksverhetzungsparagrafen konkret bedeuten würde.

Aber egal ob Definitionsausweitung oder nicht: Schon jetzt wäre ein Wahlausschluss aufgrund mehrfacher Volksverhetzung ein massiver Eingriff in die Demokratie. In manchen Fällen – Stichwort Höcke – könnte sie für ein „AfD-Verbot Lite“ herhalten und damit die größte Oppositionspartei, die aktuell in Umfragen nur wenige Prozent von der Union trennt, beim Antritt ihrer Kandidaten zu Wahlen massiv einschränken.

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123 Kommentare

  • Wenn so ein Wahlausschluss beschlossen wird, ist es auch gleichzeitig das Ende der Demokratie. Wer bestimmt was Volksverhetzung ist ? Die Grünen?
    Ferda Ataman? Die Grünen haben das Volk und ihre Bürger schon so oft verunglimpft, dass die gesamte Fraktion ausgeschlossen werden müsste.

    168
  • Ich erkenne in diesem Vorstoß den klaren Versuch, das scheiternde AfD-Verbotsverfahren dahingehend abzusichern das dann eben andere Optionen möglich sind, unliebsame Konkurrenz von den Kabinettstischen fernzuhalten. Ist das noch Demokratie? Nein.

    133
  • Die CDU/CSU ist zu einer widerlichen Partei von sozialistischen Tyrannen geworden…

    139
  • Ein anti Lügen Gesetz für Politiker ist viel sinnvoller 🫵

  • Hosianna! Halleluja! Frohlocket! 🤪🤣😂
    Pumuckl würde jetzt singen … „Hurra, Hurra, die Diktatur ist wieder da! Hurra, Hurra, die Diktatur ist da! …“

  • In jedem Land lebt ein Volk. Wenn man also alles FÜR sein Land geben möchte, dann wird dieses Volk damit aufgehetzt? Mehr verdrehen geht nicht.

    50
  • Das Vertrauen und die Zuversicht in die Regierungskompetenz löst sich darob auf. Die Bürger werden den Respekt und den Vertrauensvorschuss gegenüber Politikern einbüßen. Zudem entschwindet die letzte Ressource, die eine Integration und Enkulturation von Zuwandernden ermöglicht. Ohne die Freiheit der Andersdenkenden gibt es keine Freiheit und auch keine offene Zukunft. Am Ende wird nur KI helfen, die Irrationalitäten der heutigen Politiker einzudämmen.

    12
  • Der Wunsch, andere zu bevormunden, gehört zur moralischen Entwicklung.

    Deshalb nimmt die allgemeine Bevormundung kontinuierlich zu, z.B. Steuern, Zensur, Bürokratie, Wahlausschluss, …

    Die Epoche Aufklärung kann den Wunsch nicht abbauen, denn der Verstand führt nicht zur Vernunft – Myside Bias.

  • Um sicher zu gehen würde ich zu dieser Frage den alten Bundestag nochmal zusammentreten lassen. Karlsruhe stimmt sicher zu.

  • Mein Fazit: Die Korrupten wollen unter sich bleiben und es soll ja bloß Keiner diese Dinge ans Tageslicht bringen!
    Und dafür wurde ja jetzt extra ein Spezialist in eine Spitzenposition gehoben. Eine Spitzenposition hatte Herr Gysi auch schon bei der STASI. Und da er sich da mit der Drangsalierung bestens auskannte, hat er jetzt dieses Amt bekommen!

    94
  • Man fasst sich an den Kopf und fragt sich was ist los in Deutschland ?
    Ich lebe in Schweden.
    Hier gibt es eine dokumentarische Fernsehserie, welche aus den verschiedenen Landesteilen Schwedens berichtet mit dem Titel
    „Alles für Schweden“.
    Was , sicher nicht nur in Schweden,, sondern auch in anderen Ländern völlig normal ist auszusprechen ist , auf Deutschland bezogen, also Volksverhetzung weil das mal eine Parole der SA war.?
    Höcke provoziert sicher absichtlich mit dieser Aussage und das hat daher ein Geschmäckle, aber es als Volksverhetzung zu bezeichnen ist absurd.

  • Ich komponier schon mal ein Lied das so ähnlich is wie „die Partei die Partei die hat immer Recht“ nach dem Motto wenn du’s nicht mehr aufhalten kannst, zieh Nutzen daraus.

    40
  • Die DDR 2.0 wird real

    53
  • Wenn man es selbst nicht besser kann, verbietet man einfach alles andere.

  • Was machen diese Typen eigentlich, wenn die AfD wirklich die absolute Mehrheit erreicht?

    11
  • und wenn es passiert, wie will man mich zwingen auf einmal die CDU zu wählen? oder wird mir auch das Wahlrecht entzogen werden weil ich nicht eine von diesem Einheitsbrei gewählt habe? Wie weit will man noch gehen?

  • Das BVerfG war in der Vergangenheit keineswegs zurueckhaltend.
    Die Möglichkeit, dass es wie bei einem NPD-Verbot scheitert, ist unberechtigt:

    Das Verbotsverfahren 2017 zur NPD urteilte, dass die NPD zwar „ideologisch eindeutig verfassungswidrig“, aber politisch zu unbedeutend, um sie verbieten zu können.

    Die AfD ist politisch eben nicht unbedeutend.

    Zweitens sind bereits neue Richterinnen im Amt, die eine eigene Bewertung vornehmen.

    Drittens: Da man sich (nach Rumaenien, Tuerkei, etc) auch einer EU-Unterstuetzung sicher sein kann, wird ein Verbotsverfahren keine Schoenwetterwanderung.

  • Die rufen bald das Imperium aus!
    Von nun an nennt sie „Sith Lord Merz“ und Darth Klingbleil!

    5
  • Wenn aus Schulden Vermögen werden und aus Krediten für destabile Länder Stabilitätsmechanismen, dann weiß man, dass man in verrückten Zeiten lebt.
    Hier wird die Sprachmanipulation analysiert, die in Politik Mainstream-Medien weit verbreitet ist, und erkläre, warum diese eine große Gefahr für unsere Gesellschaft darstellt.
    Wir beleuchten, wie gezielte Wortwahl und die bewusste Verzerrung von Begriffen unsere Wahrnehmung der Realität beeinflussen und die öffentliche Meinung in eine bestimmte Richtung lenken.
    https://www.youtube.com/watch?v=9666W0_YyWU&t=357s

  • Das Wählen macht für mich sowieso keinen Sinn mehr, wenn jedesmal die Verlierer entscheiden wer gewonnen hat! Es sieht ja nicht mal mehr demokratisch aus!

  • Alles für Deutschland, diese Losung hatte schon Friedrich Ebert nach dem ersten Weltkrieg formuliert. Noch hundert Jahre früher war es eine Parole des antinapoleonischen Freiheitskampfes und bis 1870 wurde sie auch gebraucht. Als Geschichtslehrer müsste Höcke das wissen. Ein bisschen verspielt provokant der Gute.

  • Dr. Florian Stumfall hat hier sehr gut seine These beschrieben, welche Ziele mit verfolgt werden und zeigt in erschreckender die Parallelen zur Geschichte.
    Heute nennt es sich dann „Resilienz“.

    https://www.unsertirol24.com/blog/der-neue-mensch/

  • George Orwell 1984 wird zur Realität

  • Ich finde es bedenklich, dass somit ganz offen zugegeben wird das eine Gewaltenteilung nicht einmal annähernd existiert.
    Jedem Bürger steht es frei zu klagen und es wird sich zeigen mit welch zweierlei Maß entschieden wird.
    Sollen sie doch versuchen die AfD auszudünnen – täglich werden es mehr, die sich dem entgegenwirken. 💙

    28
  • Ich wiederhole meine alte These: Sollte tatsächlich wieder einmal ein großer Diktator in Deutschland die Macht übernehmen, so muss er nicht ein einziges neues Gesetz erlassen, um seine Macht zu sichern. Ist alles schon da.

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