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Brandmauer gegen die FPÖ: Ein Bündnis der Wahlverlierer formiert sich bereits

Die FPÖ feiert einen historischen Wahlsieg und wird erstmals stärkste Kraft in Österreich. Eine „Anti-Kickl-Allianz“ formiert sich schnell, um eine Regierungsbeteiligung zu verhindern.

Herbert Kickl beim ORF Gespräch mit den Spitzenkandidaten aller Parlamentsparteien nach der Nationalratswahl

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Mit einem historischen Sieg geht die FPÖ als klarer Wahlsieger in Österreich hervor. Erstmals in ihrer Geschichte wurde die Partei zur stärksten Kraft im Nationalrat. Massiv von den Wählern abgestraft wurde die regierende Koalition aus ÖVP und Grünen. Wahlverlierer ist auch die sozialdemokratische SPÖ. Nichtsdestotrotz könnte sich eine „Verlierer-Koalition“ bilden. Eine „Anti-Kickl-Allianz“ aus ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS hat sich gebildet.

Die ÖVP unter Bundeskanzler Karl Nehammer stürzte von 37,5 Prozent auf 26,2 Prozent ab – ein Verlust von über 11 Prozentpunkten. Auch der kleinere Koalitionspartner, die Grünen, erlebten einen starken Rückgang: Mit nur noch 8,6 Prozent (im Vergleich zu 13,9 Prozent bei der letzten Wahl) mussten sie ebenfalls ein massives Minus von 5,3 Prozentpunkten hinnehmen. Die SPÖ blieb mit 20,4 Prozent der Stimmen weit hinter den Erwartungen zurück. Sie erreichte ihr schlechtestes Ergebnis und landete weit hinter der FPÖ und der ÖVP. Klarer Wahlsieger ist die FPÖ unter Parteichef Herbert Kickl. Sie legte auf 29,3 Prozent zu – ein Zuwachs von 13 Prozentpunkten im Vergleich zur letzten Wahl 2019.

Bereits kurz nach den ersten Hochrechnungen formierte sich unter den anderen Parteien eine „neue Brandmauer“ gegen eine Koalition unter Herbert Kickl. In der ORF-Elefantenrunde nach der Wahl zeigte sich eine geeinte Front gegen Kickl. Die Spitzenkandidaten der anderen Parteien schossen sich auf den FPÖ-Parteichef ein. Grünen-Chef Kogler ging sogar so weit vorzuschlagen, der FPÖ den Posten des ersten Nationalratspräsidenten im neuen Parlament verweigern zu wollen. Mit allen Parteien wolle man Gespräche führen – mit Ausnahme der stärksten, der FPÖ – auch wenn man zunächst das Ergebnis abwarten wolle, wie es hieß. Herbert Kickl appellierte an das Gewissen der anderen Spitzenkandidaten. Der Wählerwille dürfe nicht ignoriert werden. Gleichzeitig betonte er: „Unsere Hand ist ausgestreckt, in alle Richtungen“.

Somit zeichnet sich eine schwierige Regierungsbildung ab. Rechnerisch möglich ist eine FPÖ-ÖVP-Koalition, wobei die ÖVP eine Zusammenarbeit mit Kickl bisher ablehnt. Sollte es dennoch zu einer schwarz-blauen Koalition kommen, müsste sich entweder die ÖVP bewegen oder Kickl einen Rückzug in Erwägung ziehen. Beides erscheint zum jetzigen Zeitpunkt unwahrscheinlich. Auf Landesebene gibt es derzeit mehrere ÖVP-FPÖ-Koalitionen. Bereits vor der Wahl haben alle großen Parteien – mit Ausnahme der ÖVP – eine Koalition unter Kickls Führung ausgeschlossen.

Aktuell ist noch nicht klar, ob sich eine große Koalition aus ÖVP und SPÖ ausgeht – es wäre eine Niederlage der Wahlverlierer und eigentlich kaum im Sinne der Wähler. Nach derzeitigem Stand würde es noch knapp für eine Mehrheit mit einem Sitz reichen. Wenn nicht, könnten die linksliberalen NEOS als möglicher Mehrheitsbeschaffer für ÖVP und SPÖ erstmals in eine Regierung einziehen. Auch die Grünen könnten hier eine Rolle spielen. Jedoch ist das Verhältnis zwischen der ÖVP und ihrem Juniorpartner schon länger belastet.

Eine entscheidende Rolle spielt jetzt Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Der ehemalige Grünen-Politiker hat bereits im Vorfeld der Wahl angekündigt, dass er der FPÖ nicht automatisch den Regierungsauftrag erteilen würde, selbst wenn sie stärkste Kraft wird. Es war in Österreich stets demokratische Tradition, dass die stärkste Fraktion den Auftrag zur Regierungsbildung erhält. Nun wird dieser Grundsatz plötzlich als unerheblich dargestellt – frei nach dem Motto „Wahlsieger hin oder her“.

Auch könnte Van der Bellen sich weigern, Herbert Kickl als Kanzler oder auch als Minister zu vereidigen. Noch am Wahlabend erklärte der Bundespräsident seine fundamentalen Grundsätze für eine neue Regierung. Dazu nennt er neben demokratischen Werten und Grundrechten auch ein Bekenntnis zur Europäischen Union. Keine Partei habe über 50 Prozent erhalten. Daher müsse man aufeinander zugehen, um eine stabile Regierung zu bilden, die für alle Österreicher das Beste sei.

In einem ORF-Interview machte er unlängst klar, dass er „eine antieuropäische Partei, eine Partei, die den Krieg Russlands gegen die Ukraine nicht verurteilt, nicht durch meine Maßnahmen noch befördern“ werde. Van der Bellen betonte, dass die Kanzler-Ernennung in seiner „höchstpersönlichen Entscheidung“ liege und er dabei seinem Gewissen verpflichtet sei. Kickl warf Van der Bellen daraufhin „persönliche Willkür“ vor und kritisierte dessen Haltung als „sehr neutral. Sehr demokratisch. Sehr moralisch. Sehr rechtsstaatlich. Sehr tolerant. Oder vielleicht doch nicht“.

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Die Strategie der Dämonisierung der FPÖ ist krachend gescheitert. Trotz aller Versuche, Kickl und seine Partei als Gefahr für die Demokratie darzustellen, haben die Wähler ein klares Zeichen gesetzt. Statt aus dieser Niederlage zu lernen, setzen die etablierten Parteien ihre Taktik unverdrossen fort.

Die FPÖ war bisher dreimal an einer österreichischen Bundesregierung beteiligt, davon zweimal an Koalitionsregierungen mit der ÖVP. Von 2000 bis 2005 regierte die FPÖ unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel mit. Die Koalition endete vorzeitig aufgrund interner Konflikte in der FPÖ. Von 2017 bis 2019 war die FPÖ erneut Juniorpartner in einer Koalition, diesmal unter Bundeskanzler Sebastian Kurz. Diese Regierung zerbrach an der sogenannten Ibiza-Affäre.

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