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Woidke-Sieg

Angezählt trotz Brandenburg: Die Luft wird dünn für Olaf Scholz

Es rumort in der SPD. Zuletzt wurde Verteidigungsminister Boris Pistorius als möglicher Kanzlerkandidat gehandelt worden. Selbst nach dem Erfolg in Brandenburg verliert Generalsekretär Kevin Kühnert kein gutes Wort über die Bundes-SPD. Sein Auftritt ist ein klares Zeichen: Scholz sitzt nicht fest im Sattel.

Doch nicht Kanzlerkandidat? Bundeskanzler Scholz beim Wahlkampf in Brandenburg

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Es ist geradezu bizarr. Die SPD feiert einen überraschenden Erfolg bei der Landtagswahl in Brandenburg – und doch reagiert SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert im Interview bei der ARD, direkt nach den ersten guten Prognosen, verhalten. „Für Erleichterung ist es ehrlich gesagt noch ein bisschen zu früh“, sagte Kühnert im Interview. Trotz deutlicher Zugewinne für seine Partei kündigte der Generalsekretär vorerst eine „gewisse Zurückhaltung“ an. Die Landespartei lobte Kühnert ausführlich. In Bezug auf die Bundespolitik gab er zu, dass die Bundes-SPD es Ministerpräsident Woidke und seinem Landesverband nicht einfach gemacht habe. Die Probleme für die Bundes-SPD seien an diesem Abend „nicht kleiner“ geworden.

Kühnerts fehlende Freude über den Wahlsieg offenbart die prekäre innerparteiliche Stellung von Bundeskanzler Olaf Scholz. Dieser weilte in der Wahlnacht über 6000 km von Brandenburg entfernt wegen des „Zukunftsgipfels“ der UN in New York. Scholz zeigte sich im Gegensatz zu Kühnert erfreut, als er erstmals zum Wahlergebnis Stellung nahm: „Ein tolles Ergebnis, sehr toll für die SPD, auch für uns alle.“ Oberflächlich gesehen, hat der Kanzler jeden Grund, die Wahl so zu sehen. Seine Partei, angeführt von Ministerpräsident Dietmar Woidke, konnte über vier Prozent dazugewinnen. Erstmals seit der Landtagswahl in Niedersachsen vor zwei Jahren konnten die Sozialdemokraten über 30 Prozent bei einer Wahl holen. Doch eigentlich ist es nicht so sicher, ob das Ergebnis wirklich für sie alle so toll ist, wie Scholz glaubt.

Im Endeffekt hat Woidke die Wahl gewonnen und Scholz die Wahl innerparteilich verloren. Im Wahlkampf hatte die ganze Hoffnung des Bundeskanzlers auf Woidke und Brandenburg gehangen. Den Druck aus dem Willy-Brandt-Haus hatte Woidke sicherlich auch gespürt. Die letzten Wochen des Wahlkampfs erklärte er, auch dank guter medialer Unterstützung, zu einem persönlichen Wahlkampf. „Wer Woidke will, wählt SPD“, stand auf den Tausenden Wahlplakaten der Sozialdemokraten. Landesvater Woidke stellte den Wählern sogar ein Ultimatum: Entweder würde die SPD den ersten Platz bei den Wahlen belegen, oder er würde zurücktreten.

Für Woidke hatte das Manöver keinen direkten Sinn, schließlich stand seit langem fest, dass die SPD mindestens den zweiten Platz belegen würde, und damit, Brandmauer sei Dank, auch in Zukunft den Ministerpräsidenten stellen würde. Er riskierte seine gesamte politische Karriere für die Bundespartei, die einen ersten Platz in Brandenburg dringend brauchte. Insbesondere Scholz brauchte entweder den Sieg oder einen Sündenbock, so zumindest sah seine Strategie von außen aus. Denn in der SPD rumort es seit der Niederlage in Sachsen und Thüringen. Scholz wird mitverantwortlich gemacht, seine Beliebtheitswerte sind schon seit langem im Keller.

Doch die Umfragen haben oft einen Lichtblick für die Sozialdemokraten: Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius. Er ist vermutlich der beliebteste Politiker der Republik. Deshalb wird Pistorius bereits seit längerem als potenzieller Kanzlerkandidat gehandelt. Auch innerhalb der SPD gab es zuletzt erste leise Versuche, Scholz nicht wieder als Kanzlerkandidat aufzustellen. Der Verteidigungsminister wagte sich kürzlich auch erstmals leicht aus seiner Deckung. So erklärte Pistorius auf einer Veranstaltung in einer der letzten verbliebenen SPD-Hochburgen, Hamburg, dass auch der Bundeskanzler „seine Schwächen“ hätte.

Doch für Pistorius stellt sich ein entscheidendes Problem: Er ist zu gemäßigt für die progressive Spitze um Kevin Kühnert, Saskia Esken und Lars Klingbeil. Selbst wenn er als Kanzlerkandidat die Chancen auf ein mindestens achtbares SPD-Ergebnis bei der kommenden Bundestagswahl deutlich steigern würde, könnten Linke innerhalb der SPD ihn nur schwer tolerieren. Insbesondere, weil es für eine Kanzlerkandidatur von Pistorius vorher eine riskante offene Revolte gegen den amtierenden Bundeskanzler bräuchte. So könnte Scholz sich als Kanzlerkandidat durchzittern.

Doch die bereits erwähnte innerparteiliche Niederlage der Wahlnacht musste Scholz einfahren. Die SPD kann Wahlen gewinnen, wenn Scholz‘ Politik nicht zur Debatte steht. Seine Hoffnungen, dass mit einem Sieg der Druck aus der Partei zu Ende sei, musste Scholz wohl nach der entlarvenden Stellungnahme von Kevin Kühnert endgültig einstellen. Die Sorgen sind noch nicht beendet. Auch am Tag nach der Wahl hagelte es für den Bundeskanzler negative Leitartikel aus den Redaktionsstuben Berlins. Die Botschaft ist eindeutig: Scholz kann es nicht. Alternativen zu ihm gibt es, aus ideologischer Verbohrtheit seiner Partei, aber nicht.

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