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Verfahren

Bericht enthüllt wacklige Beweise für das Compact-Verbot

Die Beweise gegen Compact sind dünn: Keine Hinweise auf russisches Geld, und die abgehörten Telefonate belegen keine aggressiv-kämpferische Grundhaltung. Doch das Bundesinnenministerium setzt weiter auf ein Verbot.

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Ein Morgen im Juli 2024: Jürgen Elsässer, Chefredakteur des rechtsradikalen Magazins Compact, tritt im schwarzen Bademantel vor die Tür seines Hauses. Vor ihm stehen vermummte Polizisten, bereit, das Verbot seiner GmbH durchzusetzen. Fotografen halten die Szene fest – ein Bild wie aus einem Film. Doch hinter der Inszenierung des Bundesinnenministeriums (BMI) zeigt sich eine juristische Argumentation, die auf wackligen Beinen steht. Ob ein Verbot noch erwirkt werden kann, ist fraglich.

Am 14. August 2024 setzte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig das Verbot im Eilverfahren vorläufig aus. Das BMI hatte argumentiert, die Compact-Magazin GmbH sei nicht nur ein Verlag, sondern ein „Personenzusammenhang“ im Sinne des Vereinsgesetzes, was die rechtliche Grundlage für das Verbot bilden sollte. Das Gericht ließ diese Einstufung offen und erklärte, dass dies erst im Hauptsacheverfahren vollständig geprüft werden müsse. Außerdem wies das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass der Pressefreiheit „ein besonderes Gewicht“ zukommt.

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Für ein Verbot nach dem Vereinsgesetz muss das BMI nachweisen, dass die Compact-Magazin GmbH nicht nur verfassungsfeindlich denkt, sondern aktiv und kämpferisch gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung vorgeht. Es reicht nicht, dass das Magazin extremistische Inhalte publiziert; es muss eine konkrete Gefahr für die demokratische Ordnung bestehen.

Im Zuge des Verbots wurden 14 Objekte in vier Bundesländern durchsucht, darunter die Redaktionsräume von Compact und Privatwohnungen führender Akteure. Vermögenswerte und Beweismaterialien wurden beschlagnahmt, um unter anderem mögliche Verbindungen zu ausländischen Geldgebern aufzudecken. Doch bisher blieb die Suche erfolglos. Recherchen von NDR und WDR ergaben keine Hinweise auf russische Finanzierungsströme.

Die Ermittlungen des BMI gegen Compact gehen bis ins Jahr 2021 zurück. Seitdem gilt das Magazin als „gesichert rechtsextrem“ und darf mit nachrichtendienstlichen Mitteln abgehört werden. Sicherheitsbehörden hatten die Redaktion umfassend überwacht, darunter auch Telefongespräche. Auszüge aus diesen Gesprächen dienen nun als Beweise, um die Verfassungsfeindlichkeit des Magazins zu untermauern.

So soll Stephanie Elsässer, Ehefrau und Geschäftspartnerin des Chefredakteurs, in einem Gespräch von einer „genetischen Überlegenheit der weißen Rasse“ gesprochen haben. Zudem seien Begriffe wie „Systemsturz“ und „Revolution“ gefallen, die das BMI als Indizien für eine „aggressiv-kämpferische Haltung“ interpretiert. Das Magazin verteidigt sich mit der Argumentation, der Begriff „Systemsturz“ sei im Kontext eines demokratischen Wandels durch Wahlen zu verstehen. Die Anwälte von Compact monieren zudem, viele der abgehörten Aussagen seien aus dem Zusammenhang gerissen worden.

Das Ministerium sieht in den etwa 40.000 Abonnenten nicht nur Leser, sondern Unterstützer einer politischen Bewegung, die einen „Systemsturz“ anstrebe. Aussagen Elsässers, in denen er seine Abonnenten als „wichtig für unsere Revolution“ bezeichnete, werden als Beleg für diese Zielsetzung gewertet.

Ein weiteres Indiz für die Gefährlichkeit des Umfelds soll die Aussage des Hausmeisters des Verlags sein, der angeblich geäußert habe, man müsse dem Vizekanzler Robert Habeck „ein Auge ausschießen“. Diese Äußerung dient dem BMI als Beleg für die Gewaltbereitschaft.

Das BMI betont außerdem, dass mildere Mittel wie die Beobachtung durch den Verfassungsschutz nicht ausgereicht hätten, um die vermeintliche Gefahr zu bannen. Laut Ministerium sei Compact eine „Radikalisierungsmaschine“ mit „politischem Einfluss und ökonomischer Stärke“, gestützt durch eine stabile Auflage, eine starke Internetpräsenz und gut besuchte Veranstaltungen. Ein Totalverbot wird somit als einzige Möglichkeit dargestellt.

Das Hauptverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht soll nun im Juni 2025 beginnen, nachdem es ursprünglich für Februar 2025 angesetzt war. Grund für die Verschiebung seien laut einer Gerichtssprecherin Baumaßnahmen. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in erster und letzter Instanz über das Verbot von Compact.

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