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Auf dem Weltklimagipfel möchte Deutschland trotz Haushaltsproblemen Billionen-Klimahilfen mittragen

Auf der COP29 möchten Entwicklungsländer mehr Geld von den Industrienationen erzwingen. Jährliche Zahlungen von 100 Milliarden Dollar sollen sogar verzehnfacht werden. Die deutsche Delegation ist bereit, denn: „Die Klimakrise ist die größte Sicherheitsgefahr auf dieser ganzen Welt“.

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„Die Klimakrise ist die größte Sicherheitsgefahr auf dieser ganzen Welt“ – das zumindest meinte Annalena Baerbock am Mittwoch im Bundestag. Während in Berlin der Haushalt platzt und Rot-Grün nach neuen Mehrheiten sucht, läutete die Außenministerin damit indirekt die 29. Weltklimakonferenz (COP29) in Baku ein. Nächste Woche soll sie die deutsche Delegation, bestehend unter anderem aus Wirtschaftsminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke, anführen und in die Hauptstadt von Aserbaidschan reisen.

Dabei ist das zwischen Europa und Asien liegende Land spätestens 2023 durch eine Militäroperation in der umkämpften Region Bergkarabach in die Kritik geraten: 100.000 Armenier, die auf dem Territorium lebten, wurden vertrieben.

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Dennoch ist Aserbaidschan vom 11. November bis zum 22. November Gastgeber des Klimagipfels der Vereinten Nationen (UNO). Um Menschenrechte geht es aber sowieso nur oberflächlich: Allen voran soll über Geld gesprochen werden. Geld, das die reichsten Regierungen der fast 200 Teilnehmerländer dem eigenen Haushalt entnehmen sollen, um damit ärmere Staaten, vor allem aus dem globalen Süden, zu unterstützen.

Aber der Reihe nach: Bereits im vergangenen Jahr fand die Weltklimakonferenz in Dubai in einer strittigen Ausrichtungsstätte statt. Denn die Vereinigten Arabischen Emirate sind nicht für den Klimaschutz bekannt, den sich westliche Länder spätestens nach dem Pariser Klimaabkommen 2015 auf die Agenda geschrieben haben – ganz im Gegenteil. Die VAE gehören zu den zehn größten Ölexporteuren der Welt.

Ähnlich wie auch in den VAE gibt es auch in Aserbaidschan immer wieder Berichte über Menschenrechtsverletzungen – vor allem bezüglich des seit dem Ende der Sowjetunion schwelenden Konflikts in Bergkarabach. Zunächst konnte die Republik Arzach mit armenischer Hilfe einen De-Facto-Staat auf dem Gebiet, das von Armeniern besiedelt war, ausrufen. 2020 konnte Aserbaidschan große Teile erobern und 2023 gänzlich von Armenien isolieren, wodurch sich die Republik Arzach gezwungen sah, vor der aserbaidschanischen Regierung zu kapitulieren.

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In der Folge nahm die autoritäre Regierung in Baku mehrere führende armenische Politiker fest, berichtet Amnesty International. Durch die Freilassung von 32 Kriegsgefangenen und die Bereitschaft, Friedensgespräche mit Armenien aufzunehmen, konnte sich Aserbaidschan dann für die Ausrichtung der Weltklimakonferenz profilieren.

Ausgehandelt wurden diese Zugeständnisse von Russland. Das hatte zuvor schon osteuropäische Staaten wie Bulgarien wegen der Mitgliedschaft in der EU als Gastgeber blockiert. Weil turnusgemäß ein osteuropäisches Land, zu dem in dem Fall ehemalige Sowjetstaaten gezählt werden, den Vorsitz übernehmen musste, blieben nur noch die Konfliktherde Armenien und Aserbaidschan übrig. Mit den von Russland ausgehandelten Friedensinitiativen fiel die Wahl für die Konferenz 2024 letztlich auf Baku.

Dabei fördert auch Aserbaidschan ähnlich wie die VAE massenhaft Erdöl. Bei weitem nicht in den Mengen – laut Statista wurden 2022 rund 27 Millionen Tonnen exportiert, in den VAE war es das Fünffache. Im Vorlauf der UN-Konferenz wollte das westasiatische Land diesen Umstand jedoch offensichtlich verbergen: Laut dem Guardian haben reichweitenstarke Konten in den sozialen Medien für angebliche grüne Investitionen und die vermeintliche Vorreiterrolle von Aserbaidschan in der Region geworben.

Den Vorsitz beim Weltklimagipfel übernimmt der aserbaidschanische Umweltminister Muchtar Babajew – der in der Vergangenheit aber auch für den staatlichen Ölkonzern State Oil Company of Azerbaijan Republic gearbeitet hatte. Auch im vergangenen Jahr war mit Sultan al-Dschaber nicht nur ein Minister der Emirate, sondern auch der Kopf der Abu Dhabi National Oil Company der Vorsitzende des Gipfels. Beide Veranstaltungen könnten als sogenannte „Green Washing“-Kampagne für die Gastgeberländer fungiert haben. Heißt: Obwohl die eigenen Interessen nicht mit den Klimazielen westlicher Länder vereinbar sind, möchten derartige Länder den eigenen Ruf oberflächlich verbessern und sich als Klimaschützer inszenieren.

Eine Billion Dollar für den Klimaschutz?

Bei der diesjährigen Konferenz kommt jedoch noch eine Kontroverse hinzu: Vertreter der Taliban möchten an dem Weltklimagipfel teilnehmen, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Obwohl die UNO der Miliz nicht erlaubt hat, die afghanische Vertretung zu übernehmen, sollen offizielle Taliban-Vertreter und -Minister als Beobachter vor Ort in Baku sein. An Verhandlungen sollen sie aufgrund fehlender Akkreditierungen aber nicht teilnehmen können.

Die Veranstaltung gehört damit zu einer der größten Konferenzen, die Taliban-Vertreter seit ihrer Machtübernahme in Afghanistan im August 2021 besuchten. Der aserbaidschanische Vorsitz wollte das gegenüber Reuters nicht kommentieren. Wozu aber werden diese pompösen Konferenzen abgehalten, wenn die eigenen Strukturen ambivalent aufgebaut sind und für Kontroversen sorgen? Die Antwort ist: Geld.

Im vergangenen Jahr beschloss die UNO beispielsweise unter Federführung von Deutschlands Entwicklungsministerin Svenja Schulze und Sultan al-Dschaber einen Klimafonds für klimabedingte Schäden. Sollte ein Land aufgrund von Extremwettersituationen Hilfen benötigen, kann es mit Mitteln aus dem Fonds unterstützt werden. Deutschland und die VAE starteten die Finanzierung mit jeweils 91 Millionen Euro – die Einzahlungen sind freiwillig.

Deutschland zeigt sich dennoch großzügig – auch im Rahmen der Nationally Determined Contributions (zu Deutsch: national festgelegte Beiträge), bei denen UN-Staaten Versprechen aufstellen, um das Ziel des Pariser Klimaabkommens, die weltweite Erwärmung bis 2100 auf 1,5 Grad Celsius zu senken, zu erfüllen. Die Bundesregierung stellt im Rahmen der 100-Milliarden-Dollar-Zusage, die 2025 auslaufen und erneuert werden soll, Milliardenbeträge bereit. 2023 waren es 9,9 Milliarden Euro, wobei 5,7 Milliarden Euro aus Haushaltsmitteln für die Anpassung an den Klimawandel und für den Klimaschutz ausgegeben wurden – im nächsten Jahr möchte die Bundesregierung mehr als sechs Milliarden bereitstellen.

Davon profitieren Entwicklungs- und Schwellenländer, die Deutschland damit zu unterstützen meint. Denn: „Die 20 größten Volkswirtschaften der Welt sind für insgesamt 80 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich“, so die Argumentation der Bundesregierung. In Zukunft könnten die Zahlungen noch höher ausfallen. Auf dem diesjährigen Weltklimagipfel sollen die Mitgliedsstaaten über neue Ziele entscheiden – die weit über dem jetzigen Jahresziel von 100 Milliarden Dollar durch westliche Industrienationen liegen.

Im Vorfeld der Konferenz meldeten sich zahlreiche Entwicklungsländer, zu denen auch Indien gezählt wird, zu Wort und stellten klar: Es bräuchte eine Billion Dollar – und zwar als Schenkung. Keine Gegenleistung, kein Recht auf Rückzahlung. Im Laufe der vergangenen Tage sollen sich die G77, die Entwicklungsländer, sogar auf die Forderung von 1,3 Billionen Dollar geeinigt haben.

Um solch gewaltige Summen zusammentreiben zu können, möchte die deutsche Delegation, bestehend aus Bundesministern, in der kommenden Woche auch um die Gelder von Öl-Staaten und China ringen – das derzeit noch als Entwicklungsland geführt wird und aus diesem Grund nicht in das 100-Milliarden-Dollar-Ziel einzahlen muss. Ob es überhaupt zu einer Erhöhung des Ziels kommt, ist wegen der sich übertreffenden Forderungen der Entwicklungsländer jedoch ungewiss.

Indien und China gehören zu den fünf größten Volkswirtschaften der Welt. Während Deutschlands CO2-Ausstoß in den vergangenen Jahrzehnten rückläufig ist – seit 1990 verzeichnet die Bundesrepublik einen Rückgang um 37 Prozent –, steigen die Emissionen in China und Indien stark an. Der Ausstoß pro Person ist in China bereits über dem deutschen Wert. Gemeinsam waren die beiden asiatischen Länder 2022 für 38 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich, Deutschland hingegen für 1,8 Prozent. Dennoch ist nur letzteres derzeit ein Geberland.

Geberländer sind im Moment vor allem europäische Industrienationen, aber auch Kanada, die USA sowie Japan zahlen für das Ziel. Unter dem Titel „New Collective Quantified Goal on Climate Finance“ (zu Deutsch: Neues gemeinsames quantifiziertes Finanzierungsziel) sollen diese Staaten in Baku zu einer Ausweitung des Budgets bewegt werden. Das begrüßt auch der Konferenz-Vorsitzende, Babajew. Der aserbaidschanische Umweltminister möchte sich dafür einsetzen, dass wohlhabendere Staaten jährlich deutlich höhere Ausgaben tätigen, um den Klimaschutz ärmerer Nationen zu unterstützen. Auch Babajew sieht Notwendigkeiten jenseits des 100-Milliarden-Dollar-Ziels.

Wie das Geld aufgeteilt wird, entscheiden letztlich die Staaten selbst. Deutschland hat beispielsweise Kooperationen mit Ländern des globalen Südens aufgebaut, die von den Klimahilfen profitieren. Programmübergreifend arbeitet die Bundesregierung mit Südafrika, Indonesien und Vietnam, aber beispielsweise auch mit Indien, Ruanda und Peru zusammen. In letzterem unterstützt die Bundesregierung beispielsweise seit 2022 mit 44 Millionen Euro den Bau von Radwegen.

In anderen Fällen kann auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) aushelfen. Anders als die ministeriellen Zuschüsse müssen diese Darlehen aber zurückgezahlt werden – zumindest in der Theorie. Laut Zahlen des Bundesfinanzministeriums wurden beispielsweise Peru zwischen 1996 und 2014 rund 233 Millionen Euro erlassen. Dabei handelt es sich allerdings nicht nur um Klimaprojekte, sondern ganz allgemein um die Entwicklungshilfen der Bundesregierung.

„Eine geopolitische Frage“, meint Baerbock

Dennoch offenbart dieses Vorgehen: Deutschland verausgabt weltweit Millionen, gar Milliarden Euro – ohne teilweise abgemachte Rückzahlungen zu kassieren. Neben den Mitteln des Entwicklungsministeriums werden auch die Entwicklungskredite der KfW teilweise durch den Haushalt und somit den Steuerzahler refinanziert. Zudem soll ein Garantierahmen des Bundes das Kreditrisiko des öffentlich-rechtlichen Kreditinstituts minimieren – auch hier kann also die Bundesregierung belastet werden.

Eine Situation, die nicht nur wegen der wirtschaftlichen Lage in Deutschland ungünstig erscheint. Auch der Umstand, dass der SPD-geführten Regierung mit den Grünen derzeit eine Mehrheit zur Verabschiedung des Haushalts im Bundestag fehlt, wirkt dahingehend ein. Kann bis zum Beginn eines neuen Jahres kein Haushaltsgesetz beschlossen werden, greift eine vorläufige Haushaltsführung. Der Staat und die Kommunen sollen so handlungsfähig bleiben – neue Investitionen außerhalb des rechtlichen Notwendigen sind dann aber Geschichte.

Und dennoch möchte die Bundesregierung das 100-Milliarden-Dollar-Ziel nach dessen Ablauf 2025 erhöhen. „Die globale Klimafinanzierung wollen wir vom Kopf auf die Füße stellen. Alle, die es sich leisten und beitragen können, sind nun gefragt“, teilte etwa Baerbock in einer Stellungnahme im Vorfeld der Klimakonferenz mit. Im vergangenen Jahr leitete Baerbock die deutsche Delegation bei den Verhandlungen in Baerbock, stimmte dort unter anderem der Zielsetzung zu, fossile Brennstoffe langfristig aus dem Verkehr zu ziehen. Auch in der kommenden Woche soll die Außenminister maßgeblich an den Verhandlungen beteiligt sein.

Nicht etwa vor einem ideologischen Hintergrund, sondern „zur Sicherheit unseres Wirtschaftsstandortes“ seien Investitionen in den Klimaschutz notwendig, betonte Baerbock deshalb während einer Aktuellen Stunde zum Weltgesundheitsgipfel im Bundestag. Und weil es hier immerhin um „eine hochwichtige geopolitische Frage“ – in Baerbocks Augen den Klimawandel – ginge, bräuchte es „jetzt noch mehr Green-Deal in Europa“. Im Rahmen dieses Vorhabens möchte die EU bis 2050 schrittweise klimaneutral werden – und setzt dafür eine Reihe von industriefeindlichen Verordnungen um. Beispielsweise das Lieferkettengesetz, das einen bürokratischen Mehraufwand zur transparenten Aufstellung der Herkunft und Klimafreundlichkeit eines Produkts von Unternehmen erfordert (Apollo News berichtete).

Um diesen Ansatz weiter in die Welt zu tragen, wird auch die deutsche Delegation, der Umweltministerin Steffi Lemke, Robert Habeck und Baerbock angehören sollen, kommende Woche nach Baku reisen. Auch Vertreter des Entwicklungsministeriums – jedoch nicht Schulze selbst – sind Teil der deutschen Delegation, wie Apollo News erfuhr. Zur Erinnerung: die Entwicklungsministerin hatte im vergangenen Jahr umgehend 91 Millionen für einen freiwilligen Klimafonds versprochen. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck könnte nach Baku fliegen – im Vorhinein kündigte er an, den Ausbau von Erneuerbaren Energien verstärken zu wollen.

Während die Weltklimakonferenz wegen des Ampel-Endes hierzulande noch etwas untergeht, werden in Baku richtungsweisende Entscheidungen getroffen. Sollten höhere Jahresziele beschlossen werden, wird die UNO zum Schauplatz für die zentralen Umverteilungspläne einiger weniger reicher Staaten und deren Regierungen. Besonders in Deutschland würde so ein Vorgehen aufgrund der schlechten Wirtschaftslage perfide wirken – zumal es Auswirkungen auf die Schuldenlast haben könnte.

Mit Christian Lindner ist der größte Verfechter der Schuldenbremse nicht mehr Teil der Regierung. Für die grünen Umgestaltungspläne der Regierung fehlt allerdings an allen Ecken und Enden Geld – sollte das 100-Milliarden-Euro-Ziel erhöht werden, würde es beim Entwicklungsministerium knapp werden. Derzeit erhält die Behörde 11,2 Milliarden Haushaltsgelder im Jahr – das ist etwas weniger als das Doppelte der 2023 verausgabten Haushaltsgelder im Rahmen der Klimahilfen. Wo soll das hinführen, wenn die Zielsetzung auf mehrere hundert Milliarden Euro pro Jahr erhöht wird?

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