Nirgends muss die chinesische Übermacht so deutlich sein, wie auf den Kinmen-Inseln. Die von Taiwans Regierung kontrollierten kleinen Inseln liegen nur wenige Kilometer vom chinesischen Festland entfernt, die Hochhäuser der Großstadt Xiamen sind gut sichtbar. Jedem hier dürfte bewusst sein, dass Peking sich die Inseln jederzeit gewaltsam einverleiben könnte, viel, viel einfacher als Taiwan selbst.
Dennoch ist die Republik China, der offizielle Name Taiwans Regierung, Tag für Tag entschlossen, ihre territoriale Souveränität zu verteidigen. Genau das steht jetzt im Zentrum eines chinesisch-taiwanesischen Zwischenfalls, den Peking für neues Säbelrasseln nutzt – Säbelrasseln, aus dem mehr werden könnte. Jeder Funke kann hier in der Taiwan-Straße einen Krieg auslösen.
Chinas Regime muss nur einen Schalter umlegen, ein Kommando geben – und auf Kinmen weht nicht mehr Taiwans blau-rote Flagge, sondern das Banner der kommunistischen Volksrepublik. Im ganzen West-Pazifik brodelt es aktuell. Und hier fügt sich eine tödlich geendete Verfolgungsjagd in den Gewässern rund um die vorgelagerten Inseln ein: Die taiwanesische Küstenwache hatte ein chinesisches Boot im Visier, das in verbotene Gewässer eingedrungen war. Dabei kenterte das Boot, alle vier Chinesen an Bord fielen ins Wasser, zwei von ihnen ertranken, zwei wurde von der Küstenwache festgenommen.

Eine gefährliche Situation. Peking erhöht seitdem den Druck, fährt selbst mehr Patrouillen, stoppt taiwanesische Schiffe und schickt Männer an Bord für Inspektionen. Neue Vorfälle, neue Eskalationsstufen, oft durch gezielte Provokationen – wenn man heraus zoomt, ist all das Teil des Musters, das China gegenüber seinen asiatischen Nachbarn zeigt. Chinesische Kriegsschiffe in taiwanesischen Gewässern, das Rammen von philippinischen Militär-Versorgungsschiffen: Mit „Grauzonen“-Taktiken geht es darum, die eigene De-Facto-Kontrolle über Gewässer und Inseln im ganzen West-Pazifik auszubauen.
Im Westen wird das ganze gerne einfach unter dem Stichwort „Zusammenstöße“ eingeordnet. Das verharmlost die Situation aber und versteckt, wie sehr gerade Ostasien längst zu einem Pulverfass geworden ist – bei dem China längst auf Kriegskurs ist. Ob Peking am Ende den letzten Schritt geht, das entscheidet alleine das Regime, aber die Lage wird immer düsterer, der Ton und die Provokationen gegen die US-Verbündeten Taiwan und die Philippinen immer ernster.
Erst vor kurzem begannen etwa die USA mit der Verlegung von weiteren Flugzeugträgern in die Region: All das soll die Anzahl der US-Flugzeugträger vor Ort auf mindestens fünf erhöhen. Das ist knapp die Hälfte der US-Flugzeugträgerflotte. Bisher waren dort nur zwei im Einsatz. All das geschieht, um ein Signal an China zu senden.
Ein neuer Wind
Auch die Philippinen, anders als Taiwan genießen sie per Vertrag US-Bündnisgarantien, ducken sich nicht mehr vor Peking weg. Der neue Präsident Marcos sucht die Nähe zu Taiwan, Japan und Washington. Er gratulierte sogar dem neuen taiwanesischen Präsidenten Lai zur Wahl, den Peking als „Separatisten“ sieht. Zugleich wächst auch in der philippinischen Öffentlichkeit die Stimmung gegen China und seine Aggressionen rund um expansive chinesische Territorialansprüche bis vor die Küste der Philippinen. Mehr als 70 Prozent unterstützen in manchen Umfragen militärische Mittel gegen die chinesischen Provokationen.
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In deutschen Medien eher unbeachtet, spitzt sich die Lage im Taiwan-Konflikt dramatisch zu. In Deutschland scheint sich kaum einer mit dem unvorstellbaren Ausmaße und Konsequenzen zu befassen. Stattdessen darf die Insel bestenfalls als Argumentationshilfe in der Ukraine-Debatte hinhalten – dabei ist Taiwan aber eben nicht die Ukraine 2.0Auch interessant:
Wie Peking das südchinesische Meer unter seine Kontrolle bringen will
Neueste Eskalationen im südchinesischen Meer zeigen: China schreckt nicht davor zurück, Marineschiffe von US-Verbündeten zu rammen. Wenn es um die eigenen territorialen Ambitionen geht, verfolgt Peking eine rücksichtslose Eroberungsstrategie.Dort nutzt China nämlich selbst quasi-militärisches Vorgehen, etwa jenes Rammen philippinischer Marineschiffe durch chinesische „Küstenwachen-Schiffe“, die selbst von Größe und Bewaffnung eher Kriegsschiffen ähneln. Genauso der Einsatz der chinesischen „Maritimen Miliz“, zivilen Booten, wie jenen von Fischern, die sich dann an paramilitärische Aktionen beteiligen und sich etwa zur Blockade philippinischer Versorgungsschiffe zusammenketten. Alles um zu verhindern, dass einige philippinische Matrosen ihre Präsenz auf einem von Manila beanspruchten Atoll aufrechterhalten können – denn Peking selbst beansprucht es und möchte dort wie auf vielen Inseln im südchinesischen Meer eine eigene Präsenz aufbauen.
Es ist beinahe ein Wunder, dass bei all dem noch niemand gestorben ist. Denn China agiert mit allen Mitteln: Seien es chinesische Schiffe, die den Philippinern den Weg versperren, Wasserwerfer auf sie richten oder eben Schiffe tatsächlich rammen. Bricht ein echter Krieg zwischen der Inselnation und dem Reich der Mitte aus, hätte das wegen des US-Bündnisvertrages sofort globale Dimensionen.
Eine Offensive schon „morgen“?
Ein Krieg zwischen den beiden Supermächten China und USA – das ist kein Science-Fiction-Szenario mehr. In Europa wird es gerne als absurde Fantasie abgetan. Dabei stehen alle Zeichen auf dramatische Zuspitzung.
Trumps Vize-Verteidigungsminister Elbridge Colby verwies im Interview mit Apollo News jüngst darauf, dass ein Krieg mit China schon „heute, morgen, in einem Jahr oder in fünf Jahren“ stattfinden könne. Und das nicht etwa, weil er sich so etwas wünschen würde, wie manche „Kriegstreiber“-rufenden Kritiker gerne behaupten würden. Nein, weil Colby und viele im US-Militär genau so einen Krieg mit China fürchten, weil man sich „aktuell nicht zutrauen“ würde, überhaupt zu gewinnen, wie er es sagt.
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Unter Trump diente er als Vize-Verteidigungsminister für Strategie, im Interview mit Apollo News erklärt Elbridge Colby, warum für die USA nun Asien der „entscheidende Schauplatz“ ist, den man vor Europa priorisieren muss. Die Europäer müssten sich jetzt selbst verteidigen.China dagegen rüstet seit Jahrzehnten zum Krieg – und zwar zu einem konventionellen Krieg. Denn entgegen der atomaren Drohkulisse, gehen beide Seiten nicht von einem vernichtenden Atomkrieg, sondern einem der wohl folgenreichsten konventionellen Kriege der Moderne aus. Die völlige Vernichtung des anderen – das hat keiner im Kopf. Aber sehr wohl die Frage, ob China militärisch neue Fakten vor Ort schaffen kann – Kontrolle über Taiwan oder das südchinesische Meer – oder eben von den USA und ihren Verbündeten davon abgehalten wird. Das mag nun nicht so schrecklich wie atomare Vernichtung klingen, es macht einen Krieg aber gerade deshalb deutlich realistischer: Die Hürden sind niedriger.

Man mag nur ungern solche Vergleiche ziehen, aber die aktuellen Geschehnisse haben viele der Merkmale, die man von den letzten Weltkriegen kannte: Eine aufstrebende, neue Macht, die mit aggressivem und imperialen Verhalten nach Hegemonie-Status strebt, ständige Grenz- und Territorialkonflikte, mit denen jener Staat Stück für Stück neue Territorien gewinnen will, und vor allem: Eine ältere Supermacht, die in militärischer und industrieller Dynamik hinterherhängt und anfängt wieder aufzurüsten, um der neuen Bedrohung zu begegnen.
Gerade letzteres sorgt für eine gefährliche Situation. Denn, wenn Militärplaner für die 2030er und 2040er Jahre eine drastische Aufstockung der US-Kapazitäten im Pazifik vorsehen, dann drängt das China auch zu einer Beschleunigung einer möglichen Offensive. Ein gutes Beispiel dafür sind etwa die U-Boote für den US-Verbündeten Australien im Rahmen des AUKUS-Bündnisses, die erst in den „frühen 40ern“ ankommen sollen.
Für China wird es so zum Rennen gegen die Zeit: Lieber jetzt zuschlagen, bevor der Vorsprung verloren geht, wenn die USA verschlafene Entwicklungen nachholen. Ähnlich agierten die Japaner gegenüber den USA und Nazi-Deutschland gegenüber den Alliierten im Zweiten Weltkrieg.
Den Vorsprung nutzen
China mag nicht so eine große Flugzeugträgerflotte haben wie die USA (nur drei Stück), aber Peking verfügt jetzt schon über die weltweit größte Marine. Währenddessen sind große Teile der US-Flotte quer über die Welt verstreut, während China sind im West-Pazifik konzentriert – gerade in einem schnellen, dynamischen Krieg ein massiver strategischer Vorteil. Zudem hat Peking eine der modernsten Flotten der Welt. Die Hälfte der US-Flugzeugträger etwa kommt aus den 70ern oder 80er Jahren. Viele von Chinas Schiffen wurden frisch in den letzten Jahren gebaut – im Rekordtempo. Beim Bau neuer Kriegsschiffe ist das Land den USA um das 230-Fache überlegen, wie interne Dokumente des US-Marinegeheimdienstes zeigen.

Amerika hat die Fähigkeit, hier nachzuholen, aber es wird Zeit brauchen. Schon im Zweiten Weltkrieg konnte die USA innerhalb kürzester Zeit Schiffe bauen, aber viel dieser industriellen Basis, auch in der Munitionsproduktion, wurde nach dem Kalten Krieg vernachlässigt. Seit mindestens 30 Jahren herrschte der Glaube, solch große Kriege gehören der Vergangenheit an, das Militär der Zukunft sei auf Friedensmissionen und ein wenig Terrorbekämpfung beschränkt. Ein fataler Fehlschluss.
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Ein brisantes Dokument des US-Marinegeheimdienstes zeigt den Vorsprung Chinas beim rapiden Aufbau seiner Kriegsflotte. Bereits jetzt hat das Land mehr Kriegsschiffe als die USA – und bei der Schiffbaukapazität ist China weit überlegen.All das könnte China nun motivieren, in Asien eher früher – womöglich vor 2027 anzugreifen, was Xi als Enddatum für die Bereitschaft zur Taiwan-Invasion ausgegeben hatte. Dazu kommt die – auch ressourcenmäßige – Ablenkung der USA im Ukrainekrieg in Europa. Mit der neuerlichen Flugzeugträgerflotte will man dem sicher ein Signal entgegensetzen, aber das kann nicht verdecken, was sich im Pazifik zusammenbraut: die Angst vor dem nächsten Krieg. Und die schleichende Gewissheit, dass Peking sich auf dem Pfad dahin bewegt.
Warum trauen sich denn Diktaturen wie China und Russland andere Länder zu bedrohen und anzugreifen ? Weil der freie Westen schwach und im Umbruch ist, und von linken Ideologen die eine Art Ökosozialismus von oben einführen wollen, gekapert wurde.
Si vis pacem para bellum. Wer Frieden will, muss sich für Krieg rüsten. Das hat sich nicht geändert denn wir sehen das heute in Europa und Asien. Danke für diesen interessanten Artikel.
Die einzige Bedrohung seitens China gegenüber dem Westen ist ihr wirtschaftlicher und aufstrebender Erfolg. Wenn man von dem Standpunkt ausgeht, sehen die Dinge ein wenig anders aus. Imperialismus ist definiert und diese Beschreibung passt eher zu der USA, wer will kann sich ja schlau machen. Der Revisionismuss, der bei uns an Fahrt genommen hat, verdreht die Geschichte so das man die Zusammenhänge nicht erkennen soll und die Medien tun ihr übriges.
Schon der Krieg in der Ukraine und der Krieg in Israel haben globale Auswirkungen erreicht. Bei dem drohenden Krieg mit China wird in vielerlei Hinsicht keiner mehr verschont.
Guter Artikel, aber daß die USA der eigentl. Kriegstreiber sind, wird hier m.E. durch Weglassen wichtiger Info dem leser vorenthalten. Der Militäretat der USA ist lt. statista 3x so hoch wie der Chinas, die USA haben weltweit > 800 Militärstützpunkte. Damit haben die USA Russland als auch China strategisch eingekreist. Die USA kontrollieren weltweit die wichigsten Handelsrouten zur See, auch und insbesondere im Pazifik und Indik. Wären russ. und/oder chin. Militärbasen um Nordamerika stationiert, befänden wir uns längst im 3. Weltkrieg. Kriegsttreiber sind m. E. eindeutig die USA und die Taiwan-Frage ist bloß das Feigenblat für deren Expansionstendenzen im Pazifik.
Aha – China ist der Aggressor der „rüstet seit Jahrzehnten zum Krieg“ und die friedlichen, uneigennützig handelnden USA haben „die Fähigkeit hier nachzuholen“ und wollen einfach nur einem der vielen unterdrückten „Ländern“ der Welt helfen und heute halt Taiwan. Und sowieso „seit mindestens 30 Jahren herrschte der Glaube, solch große Kriege gehören der Vergangenheit an, das Militär der Zukunft sei auf Friedensmissionen und ein wenig Terrorbekämpfung beschränkt.“ – haha der war gut.
Kein normaler Bewohner dieses Planeten will Krieg.
Gut, dass auch einmal die Probleme in hunderttausenden Kilometern entfernten Regionen in den Fokus gerückt werden, denn sie werden auch hier maßgebliche Auswirkungen haben. Im Konfliktfall werden die USA die Unterstützung des Werte-Westens auf irgend eine Art einfordern. Nur D wird schlagartig die Energie schwinden, denn wer liefert uns dann Solar-Paneele und weitere Industrie-Güter? Und was ist dann mit chinesischen Anteilen an hiesigen Groß-Konzernen? Oder mit den größten Schweine-Farmen in den USA (habe mal irgendwo gelesen, die seien in chinesischen Händen wegen der geringeren Umweltauflagen als im eigenen Land)? Aber ich bin mir sicher, dass unsere Politiker darauf bestens vorbereitet sind.
Wollen wir hoffen, dass es da nicht zum Krieg kommt.
Warum die überheblichen Amis nicht den Schulterschluss mit Russland in den 00 und 10er Jahren gesucht haben, wird wohl ihr Geheimnis bleiben!
Sehr aufschlußreicher Artikel, Herr Thormann.
Sowas habe ich woanders noch nicht gelesen.
Teile 2 …
Als Land kann man dann das Geld in den Wohlstand und das Volk stecken oder man presst das Geld aus dem Volk für ein immer größer werdendes Millitär. Wir sollten aufhören auf Waffen zu bauen, wir sollten friedliche Lösungen suchen. China will Taiwan und USA wollen die billigen Silizium Chips aus Taiwan. Wer will Taiwan vor der übername duch China schützen ? 5 Jahre ? 10 Jahre. Das würde die komplette Weltwirschaft zerstören. Der schützenswerte Wohlstand würde in Millitärgelder fließen und der Wohlstand wäre trotzdem Weg. Zusätlich würden noch Tausende von Menschen sterben. Für die Kriegsmilliarden kann die USA die Chips selber herstellen und braucht Taiwan nicht.