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Dunkelflaute

„Absolut beschissene Situation“: Norwegen diskutiert Stromlieferstopp für Deutschland wegen Rekordpreisen

Norwegen und Schweden kritisierten Deutschland scharf während der Dunkelflaute. Die deutsche Energiepolitik sei auch für Preissteigerungen im Ausland verantwortlich, sagen die Länder. Das deutsche Wirtschaftsministerium will seine Bürger beschwichtigen.

Laut der Bundesregierung ist nur eine "unübliche Windflaute" ein Problem für die Stromversorgung. (Symbolbild Imago)

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Die Reaktionen auf die deutsche Dunkelflaute sind deutlich. Norwegen und Schweden finden scharfe Worte, der Vizepräsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz gibt ein Interview und empfiehlt, einen dreitägigen Vorrat anzulegen, falls es zu einem Stromausfall kommen sollte. Derweil versucht das Wirtschaftsministerium zu beschwichtigen. Problematisch sei nur eine „unübliche […] Windflaute“.

Die Strompreise stiegen in Deutschland am Donnerstagabend auf 936 Euro pro Megawattstunde. Ein absoluter Rekord, denn selbst in der Energiekrise lag der Höchstwert am 29. November 2022 bei 871 Euro. Die konventionelle Stromerzeugung lieferte 83,7 Prozent des Bedarfs. Solaranlagen brachten keinen Strom, Windkraft lieferte nur 1,5 Gigawatt Strom. 13 Gigawatt Strom mussten importiert werden (Apollo News berichtete). 

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Angesichts dieser Zustände überlegt die norwegische Regierung, die Stromverbindung nach Deutschland und Großbritannien neu auszuhandeln. Das berichtet die Financial Times. Die Stromverbindungsleitung nach Dänemark soll außerdem abgeschafft werden. Der Mangel an Wind in Deutschland soll dafür verantwortlich sein, dass der Strompreis in Südnorwegen am Donnerstag auf den höchsten Stand seit 2009 stieg. Eine Kilowattstunde kostete 13,16 Norwegische Kronen. 

„Es ist eine absolut beschissene Situation“, sagte Norwegens Energieminister Terje Aasland laut der Financial Times. Die Interkonnektoren werden für die derzeit hohen norwegischen Preise verantwortlich gemacht. Kritiker argumentieren, dass Norwegen erst dann Strom aus seiner reichlich vorhandenen Wasserkraft ins Ausland schicken sollte, wenn es für niedrige Preise im Inland gesorgt hat, wie es zuvor jahrzehntelang der Fall war. 

Nicht nur die norwegische Zentrumspartei, der Juniorpartner in der Koalition, forderte die Einstellung der Lieferung von Strom nach Deutschland und Großbritannien. Auch die Oppositionspartei Fortschrittspartei, die in Umfragen derzeit führt, fordert die Einstellung der Lieferung. Die Frage der Stromlieferungen wird wahrscheinlich eines der Hauptthemen des Wahlkampfes nächstes Jahr sein, wenn ein neues Parlament gewählt wird. 

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Auch die schwedische Energieministerin Ebba Busch findet scharfe Worte. Wie Focus berichtet, sagte sie der Zeitung Aftonbladet, dass Deutschlands Entscheidung, die Atomkraftwerke abzuschalten, sich negativ auf die Strompreise in Schweden auswirke. „Ich bin sauer auf die Deutschen“, sagte sie. „Sie haben eine Entscheidung für ihren eigenen Bereich getroffen, zu der sie das Recht haben. Aber es hatte sehr große Konsequenzen“, fuhr sie weiter fort. Da Schweden am Donnerstagabend Strom nach Deutschland exportierte, sei in Schweden der Strompreis gestiegen, weil das Angebot knapper wurde, so die Energieministerin. 

Das deutsche Wirtschaftsministerium versucht derweil, zu beschwichtigen. In einem X-Thread will das Wirtschaftsministerium erklären, wie es zu den hohen Strompreisen kommt. In acht Posts wird behauptet, dass die hohen Preise „durch ein seltenes Zusammenkommen mehrerer Faktoren” entstanden sind. Aufgrund einer „unüblichen Windflaute“ lag die durchschnittliche Produktionskapazität von Windstrom 85 Prozent niedriger als sonst. Es wurden nur 3,1 GW statt sonst durchschnittlich 19,2 GW produziert. 

Wegen der Heizungsnutzung und geopolitischer Risiken sei auch der Gaspreis stark angestiegen, so das Wirtschaftsministerium. Während der Gaspreis im Juli 30 Euro pro MWh betrug, war er auf 46 Euro MWh gestiegen. „Aufgrund der kalten Witterung ist der Stromverbrauch derzeit vergleichsweise hoch.” 

All diese Faktoren haben laut dem Wirtschaftsministerium zu dem teuren Strompreis beigetragen. Jedoch handelte es sich nur „um sehr wenige teure Stunden”. Allerdings musste das Elektrostahlwerk der Firma Feralpi wegen der hohen Strompreise die Produktion einstellen, wie Handelsblatt berichtete. Am Mittwoch und Donnerstag soll der Stillstand für die Firma Kosten im höheren sechsstelligen Bereich verursacht haben. 

Doch nicht nur die Industrie hat Probleme. Der Vizepräsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz, René Funk, forderte in einem Interview mit T-Online die Bevölkerung in Deutschland auf, einen Notvorrat für drei Tage anzulegen. „Ich appelliere an die Bürgerinnen und Bürger: Bereiten Sie sich auf Notlagen vor, dies kann auch länger andauernder Stromausfall sein“, sagte René Funk. „Notlagen müssen nicht eintreten, sind aber jederzeit möglich.“ Außerdem gebe es womöglich hybride Attacken aus dem Ausland, wie aus Russland oder dem Iran. 

Über einen länger andauernden Stromausfall sagte Funk: „Viele Menschen bedenken nicht, was dann alles nicht mehr funktionieren würde: das Licht, der Herd, in Teilen die Wasserversorgung, das Internet, die Geldautomaten.“ Die Menschen sollen 1,5 Liter Wasser pro Person und Tag anschaffen, sowie Kerzen, batteriebetriebene Lampen, ein Handkurbelradio und Lebensmittel, die nicht gekocht werden müssen wie Konservendosen oder Kekse.

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