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Dunkelflaute

Strompreis noch höher als in der Energiekrise – Stahlwerk muss vom Netz gehen

Am Donnerstag erreichte der Strompreis an der Börse ein absolutes Rekordhoch - noch höher als der alte Rekordwert aus Zeiten der Energiekrise. Verheerende Folgen für die Industrie: Ein Stahlwerk musste vorübergehend die Produktion stoppen.

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Als der Strompreis seinen Höchststand erreichte, machten konventionelle Kraftwerke 83,7 Prozent der Stromerzeugung aus, der Stromexportsaldo lag bei -13,12 GWh/Stunde

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Am Donnerstagabend zwischen 17 und 18 Uhr stieg der Strompreis massiv an. Eine Megawattstunde kostete an der Börse 936 Euro – ein absolutes Rekordhoch in Deutschland. Selbst in der Energiekrise waren die Preise nie über 900 Euro gestiegen, der alte Höchstwert lag am 29. November 2022 bei 871 Euro. Als der Strompreis am Donnerstagabend um 17 Uhr begann, seinen Rekordstand zu erreichen, machte die konventionelle Stromerzeugung mit 44,99 Gigawattstunden pro Stunde 83,7 Prozent der Gesamtstromerzeugung aus.

Vor allem Erdgas mit 20,59 Gigawatt in der Stunde und Kohle mit 18,4 Gigawatt sowie Pumpspeicher mit 2,8 Gigawatt lieferten den benötigten Strom. Erneuerbare Energien trugen nur mit insgesamt 8,78 Gigawatt in der Stunde zur Stromversorgung bei, 16,3 Prozent der Gesamterzeugung. Solaranlagen brachten keine Erzeugnisse ein, auch die Windkraft konnte nur mit etwa 1,5 Gigawatt Strom liefern. Der Rest kam aus Wasserkraft und Biomasse. Zwischen 17 Uhr und 18 Uhr fehlten demnach etwa 13 Gigawatt Strom – der importiert werden musste.

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Obwohl es Kraftwerke gibt, die von der Bundesnetzagentur angefordert werden können, wurden die Reserve-Kraftwerke am Donnerstag gar nicht oder nicht vollständig genutzt. Der Kraftwerksbetreiber Steag bestätigte gegenüber dem Handelsblatt, dass keines seiner systemrelevanten Kraftwerke aktuell im Einsatz sei. Die regulären Kraftwerke in Herne und Duisburg-Walsum laufen derweil annähernd unter Volllast.

Die Strompreise schwanken stark mit der Produktion und Nachfrage von Strom. In Stunden mit viel Wind und Sonne können die Preise sogar ins Negative sinken, doch am Abend wird der Strom teuer. Bei zusätzlicher Windstille noch mehr. Die inzwischen 31.000 Windanlagen und 3,7 Millionen Photovoltaikanlagen sollen eigentlich zusammen 168 GW produzieren, mehr als das Doppelte, was Deutschland höchstens verbraucht. In der aktuellen Dunkelflaute kommt von den Anlagen jedoch nahezu kein Strom.

Inzwischen ist der Strompreis wieder auf circa 130 Euro pro Megawattstunde abgefallen. Doch bei den täglichen Schwankungen wird das nicht so bleiben. Die letzten konventionellen Kraftwerke, die Deutschland noch hat, laufen auf Hochtouren, um auszugleichen, was Windkraft und Photovoltaik nicht oder kaum liefern – der Rest wird importiert.

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Schon zu Beginn des vergangenen Monats schlugen die Stromanbieter Alarm und die Presse sprach von einer Dunkelflaute, als der Strompreis an einem Mittwochabend an der Börse auf über 800 Euro pro Megawattstunde anstieg – dem höchsten Wert seit der Energiekrise. Die Preise hatten in den vorherigen Monaten zwischen 60 und 80 Euro gelegen. In den vergangenen Wochen ergeben immer wieder auftretende Extremwerte allerdings langsam ein Muster.

Die drastische Lage am Strommarkt hat drastische Folgen für die Industrie, denn als Großverbraucher müssen Unternehmen ihren Strom am tagesaktuellen Markt kaufen. Das Elektrostahlwerk der Firma Feralpi in Riesa hat deshalb am Mittwoch seine Produktion gestoppt, wie der Werksdirektor Uwe Reinecke gegenüber dem Handelsblatt mitteilte.

Am Mittwoch und Donnerstag soll der Stillstand für die Firma Kosten im höheren sechsstelligen Bereich verursacht haben. Das Unternehmen müsse sich „vor noch größeren Verlusten“ schützen, erklärte Reinecke. „Das geht klar zu Lasten von Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Wir erreichen unsere Jahresproduktionsziele nicht.“ Es sei daher umso ärgerlicher, dass die deutsche Regierung diese Situation selbst geschaffen habe, ohne an die Folgen für die Industrie zu denken, so Reinecke.

Da private Verbraucher in der Regel jährlich festgelegte Stromverträge haben, wirken sich die extremen Ausschläge im Strompreis zunächst nicht auf sie aus. Das grundsätzlich steigende Preisniveau des Strompreises kann jedoch auf längere Sicht zu Teuerungen nach dem Ablauf einer Preisgarantie führen. Verbraucher mit dynamischen Stromtarifen treffen die Strompreisveränderungen jedoch sofort.

Zwar profitieren Nutzer solcher Verträge, wenn der aktuelle Börsenpreis niedrig ist – dafür führen die Ausschläge aktuell zu immensen Preissteigerungen. In diesen Phasen müssen Kunden mit dynamischen Verträgen den Stromverbrauch bestenfalls stark reduzieren. Für die breite Bevölkerung gilt: Die akute und immer weiter zunehmende Belastung der Industrie durch die Strompreise wird sich in der Wirtschaft auch auf sämtliche andere Preise auswirken müssen.

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