Ich bin mir noch nicht ganz sicher, wie ich die Rhetorik der CDU-Spitze dieser Woche beschreiben soll. Ich schwanke zwischen „überforderte Väter bei dem verzweifelten Versuch, das abendliche Zähneputzen zu erzwingen“ oder „frisch gebackene Mafia-Bosse, die vergessen haben, sich ein Frontgeschäft zu besorgen und jetzt improvisieren müssen“. Ob als Vater oder als Mafia-Boss, braucht man ein Mindestmaß an natürlicher Autorität. Wenn man seinen Kindern/Lakaien die Machtverhältnisse erklären muss, ist das meistens ein schlechtes Zeichen. 

In beiden Rollen wird man irgendwann feststellen müssen, dass man Respekt nicht erzwingen kann. Man kann sich durch Drohungen, „Machtworte“ und Konsequenzen die Illusion von Macht verschaffen, das kann eine ganze Zeit lang gutgehen. Das heißt aber nicht, dass man wirklich die Kontrolle hat. Insbesondere Kinder haben ein gutes Gespür für Schwäche. Es formiert sich Widerstand. Wenn man keine Kontrolle hat, muss man irgendwann jede einzelne Entscheidung zwanghaft durchsetzen – indem man ein Fernsehverbot ausspricht oder jemanden mit gefesselten Beinen in den Fluss schmeißt. 

Als ich Merz’ Ansage „Ich sehe genau, wer klatscht“ gelesen habe, musste ich laut auflachen. Da hat jemand die Brosius-Gersdorf-Debatte immer noch nicht verkraftet. Vielleicht erinnern Sie sich noch an sein vermeintlich staatsmännisches „Ja“ als Antwort auf die Frage von Beatrix von Storch und wie Merz sich dann selbstzufrieden zu seiner Fraktion wandte, von der der erwartete Applaus aber weitestgehend ausblieb. Wer prophylaktisch Beifall erzwingen muss, weiß selbst, dass er sich nicht auf dem Höhepunkt seiner Macht befindet. Vielleicht hat Merz versucht, wie ein Mafia-Boss rüberzukommen, aber dieser Satz ist eindeutig unter die Kategorie verzweifelter Familienvater einzuordnen. Wenn er könnte, hätte er gesagt: „Der Weihnachtsmann sieht genau, wer klatscht, und dann gibt es dieses Jahr keine Geschenke!“

Dann kam die Einführung des Beichtstuhl-Verfahrens, in dem man seine Abweichler „bearbeiten“ wollte. Da ist die Einordnung eindeutig. Zu welchen Maßnahmen in diesen Beichtstuhl-Verfahren gegriffen wurde, kann man sich gut vorstellen. Das politische Äquivalent zu Fingernägel ziehen oder die Ehefrau entführen, könnten das Streichen von Listenplätzen sein oder das Veröffentlichen von Faschingsfotos mit politisch unkorrekten Kostümen. Nach Kritik an diesem Verfahren erklärte Friedrich Merz natürlich, dass hierbei niemand gefügig gemacht werden solle. Es ginge darum, dass sich die „frei gewählten Abgeordneten eine Meinung bilden“. Sicher, und dem Paten küsst man den Ring als Zeichen seiner wahren Liebe.   

Schwieriger einzuordnen ist die Äußerung von Sandra Carstensen. Die CDU-Abgeordnete gehörte zunächst zu den Abweichlern, bis sie ihre Meinung änderte, nachdem sie Jens Spahn „besser kennengelernt“ habe. Ich kann nicht die Einzige sein, die hier sofort seine Eltern im Ohr hatte: „Fräulein, hör auf, sonst lernst du mich kennen.“ Bei Kindern gibt es eine begrenzte Variation an Maßnahmen, die darauf folgen können. Viele haben relativ schnell raus, dass ihre Eltern sich selbst noch nicht überlegt haben, was denn passiert, wenn sie bis drei gezählt haben. Unter Erwachsenen sind der Fantasie da wieder keine Grenzen gesetzt. Hätte Spahn nicht kürzlich seine 4,124-Millionen-Euro-Villa mit mutmaßlichem Verlust von 200.000 Euro verkaufen müssen, hätte ich gesagt, er hat Frau Carstensen mal zum Essen eingeladen – um zu zeigen, wie schön das Leben sein kann, wenn man loyal ist. 

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Zwischenzeitlich wurden die Abweichler nicht auf die Rednerliste gelassen, bis Pascal Reddig – einer der wenigen, die bis zum Schluss durchgehalten haben – dann doch das Wort gestattet wurde. Da hat man sich wohl doch um die Außenwirkung gesorgt. Am Ende ist für Friedrich Merz vordergründig alles gutgegangen: Viele der ursprünglichen Abweichler sind eingeknickt und als Puffer hatte er ja noch die Linken. Am Ende setzt er sich glücklich vor die Kamera und verkündet zusammengefasst: Die Rente ist sicher. Was jedem, jung und alt, einen Schauer über den Rücken jagen sollte. Mit allen Mitteln ist er bereit, seine Macht zu erhalten. Noch mag er das schaffen. Und doch gibt es immer noch sechs junge Abgeordnete, die standhaft geblieben sind.

Denn es gibt einen Grund, weshalb Hinterzimmer-Deals so heißen – jedenfalls nicht, weil man sie auf der Bühne aushandelt. Friedrich Merz hat vor der ganzen Bundesrepublik gezeigt, mit welchen Mitteln er ein Gesetz durchbringen musste, das die künftigen Generationen noch weiter in den Ruin treibt – ein roter Faden, der sich durch seine grauenhafte Kanzlerschaft zieht. 

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