Bei dem umstrittenen Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan soll es zu schwerwiegenden Verstößen gegen das Vergaberecht gekommen sein. Das geht aus einem Bericht hervor, den der Bundesrechnungshof am Montag veröffentlicht hat. Konkret geht es um eine Softwarelösung zur Fallbearbeitung, die eine private NGO in Auftrag gegeben hat. Die Kosten dafür ließ sie sich vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ersetzen. Dem Bericht zufolge lag der Auftragswert bei 651.800 Euro.

Der Verein „Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte“ hat den Auftrag 2022 an ein kleines IT-Unternehmen aus Berlin (inzwischen Potsdam) vergeben – und soll sich dabei, so der Vorwurf des Bundesrechnungshofs, nicht an die gesetzlichen Regeln gehalten haben. Der Verein mit Sitz in Potsdam weist dies zurück.

Das „Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte“ hat für die Bundesregierung eine Koordinierungsstelle betrieben, die das Bundesaufnahmeprogramm steuern sollte. Die damalige Außenministerin Annalena Baerbock und ihre Kabinettskollegin im Bundesinnenministerium, Nancy Faeser, wollten mit diesem Programm bis zu 1.000 Afghanen pro Monat nach Deutschland holen.

Insgesamt erhielt das „Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte“ dafür laut Bundesrechnungshof 8,4 Millionen Euro. Bei der Verwendung dieser Mittel soll es zu mehreren so gravierenden Unstimmigkeiten gekommen sein, dass der Rechnungshof dringend empfahl, die Zusammenarbeit zu beenden. Das Bundesinnenministerium folgte dieser Empfehlung. Nun geht es noch darum, wie viel der Verein zurückzahlen muss und kann.

Der größte bisher beanstandete Posten ist der Softwareauftrag. „Der Träger der Koordinierungsstelle hat gegen das Vergaberecht verstoßen“, stellt der Bundesrechnungshof dazu fest. „Eine freihändige Vergabe ohne die dafür nötigen vergaberechtlichen Voraussetzungen stellt einen schweren Vergabeverstoß dar. Bei einem Verstoß muss der Zuwendungsgeber die Rückforderung der Zuwendungsmittel prüfen.“

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Leiter der Koordinierungsstelle war Marcus Grotian, der Erste Vorsitzende des in Potsdam ansässigen Vereins „Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte“. Grotian war als Bundeswehrsoldat im Afghanistan-Einsatz und setzte sich daraufhin mit großer Medienpräsenz für die Aufnahme von Afghanen in Deutschland ein, die vor Ort für die Bundeswehr gearbeitet hatten.

Das von Baerbock und Faeser ins Leben gerufene Aufnahmeprogramm richtete sich allerdings nicht an diese sogenannten Ortskräfte, sondern an Afghanen, denen aus ganz anderen, unterschiedlichen Gründen Verfolgung durch die Taliban drohen könnte. Um diese Fälle sollte sich die von Grotian geleitete Koordinierungsstelle kümmern – als Bindeglied zwischen privaten NGOs wie „Kabul Luftbrücke“ und den zuständigen deutschen Behörden wie dem BAMF.

Den „Vertrag über die Bereitstellung einer individualisierten Softwarelösung“ schloss die Koordinierungsstelle laut Bundesrechnungshof im September 2022. Grotian teilte Apollo News mit, dass es um das „Support-Tool der Koordinierungsstelle“ ging, das das IT-Unternehmen Flying Spoon GmbH entwickelt habe.

Im September 2023 ließ sich Flying Spoon die Marke „SRS – Secure Resettlement System“ schützen. Auf seiner Internetseite warb das Unternehmen: „SRS (Secure Resettlement System) ist eine Software, die das Aufnahmeprogramm der deutschen Bundesregierung für Menschen aus Afghanistan unterstützt“, hieß es dort. Doch dieser Hinweis ist inzwischen von der Seite verschwunden.

Auftraggeber Marcus Grotian betonte, sein Verein habe alle Rückforderungen erfüllt. „Wir befinden uns noch immer in der bürokratischen Abwicklung des Programms“, antwortete er auf eine schriftliche Anfrage von Apollo News. „Bisher wurde eine niedrige fünfstellige Summe zurückgefordert, welche der Verein aus Eigenmitteln bezahlt hat.“ Darunter seien auch die Kosten eines Geschäftsessens (mit einem Steak für 178 Euro), das die Rechnungsprüfer angeprangert hatten.

Die Vergabe des Softwareauftrags sei aus seiner Sicht korrekt verlaufen, erklärte Grotian. „Wir stehen im Kontakt mit dem Förderer und haben diesem die Umstände der aus unserer Sicht korrekten Vergabe dargelegt und aus unserer Sicht alle Vorwürfe entkräftet.“

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