Ab „Tag eins“ werde es mit ihm eine Migrationswende geben, versprach Friedrich Merz noch im Wahlkampf vor etwa einem Jahr. Kurz nach dem Amtsantritt der Regierung Merz kündigte Dobrindts Innenministerium dann sogleich Zurückweisungen an den Grenzen an. Schon Monate später berichtete man von beeindruckenden Ergebnissen: Die Rede war von 40, 50, gar 60 Prozent weniger Asyl-Erstanträgen. Immer wieder hörte man von der Bundesregierung solche Zahlen – als vermeintlichen Beweis dafür, wie man jetzt unter Merz das Ruder herumgerissen habe. Wer wirklich auf die Asylzahlen schaut, sieht aber ein ganz anderes Bild.

Apollo News hat bereits im September entsprechende Zahlen der letzten Jahre ausgewertet und gezeigt: Einen signifikanten Rückgang der neuen Asyl-Erstanträge kann man seit Merz’ Amtsantritt nicht erkennen. Stattdessen vergleicht die Regierung nur einfach jeweils die aktuellen Zahlen mit denen des Vorjahres 2024, die tatsächlich deutlich höher waren als in diesem Jahr.

Seit etwa Herbst 2024 bis Frühjahr 2025 sind diese Asyl-Erstanträge dann spürbar gesunken – was sich weniger auf eine erfolgreiche Politik der Ampel zurückführen lässt, sondern wohl eher als allgemeiner europäischer Trend zu betrachten ist. Immerhin ist dieser fast identisch in Österreich und insgesamt auch klar innerhalb der Gesamtasylzahlen der EU zu erkennen.

Für Oktober und November 2025 haben wir nun die Daten ergänzt und es zeigt sich: Auch weiterhin sind die Asyl-Erstantragszahlen seit Merz’ Regierungsübernahme beinahe unverändert – das Gegenteil einer Wende. Diesen November etwa standen sie bei 8.311, im April, dem letzten Ampel-Monat, bei 9.108, davor im März bei 8.983. Zum Vergleich: Im November 2024 waren es noch 16.127. Dieser beträchtliche Einbruch passierte aber eben vor Merz’ Amtsantritt (und als Teil eines europäischen Trends). Mit der neuen Bundesregierung hat er nichts zu tun – dennoch sollen gerade diese Zahlen die Grundlage eines Migrationswende-Narrativs sein.

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Interessant dabei: Merz selbst hatte sich für 2025 tatsächlich ein konkretes Ziel für den weiteren Rückgang der Asylzahlen gesetzt. Es sollte am Ende im gesamten Kalenderjahr nicht mehr als 100.000 neue Erstasylanträge geben. Um das zu erreichen, genügt die aktuell flache Entwicklung aber nicht – und so überschritten die Zahlen bereits vor Jahresende, nämlich im November, die von Merz ausgerufene Obergrenze. Mit den noch kommenden Zahlen von Dezember wird man deutlich darüber liegen.

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Besonders bemerkenswert sind diese Zahlen, wenn man sie mit den Zurückweisungen vergleicht. Dort war schließlich Merz’ großes Versprechen, dass man jetzt durchgreife – und tatsächlich auch Asylbewerber an der Grenze abweise. Schließlich können diese über die deutschen Landesgrenzen nur über sichere Herkunftsländer einreisen. Diese Zurückweisungen jetzt in aller Konsequenz durchzuführen, war eine der Kernforderungen aller Konservativen in der Union nach der Flüchtlingskrise 2015, bei der die Regierung Merkel unter Verweis auf die humanitäre Lage genau darauf verzichtet hatte.

Ganze 1.153 Zurückweisungen oder Zurückschiebungen nach dem Asylbewerbergesetz gab es nun seit Dobrindts Zurückweisungsanordnung Anfang Mai bis November 2025 laut den neuesten Zahlen der Bundespolizei. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum gelang es Asylbewerbern, 57.136 Asyl-Erstanträge zu stellen. Verhindert wurden somit offenbar nur knapp zwei Prozent aller neuen Asylanträge.

Dazu kommt: 234 Personen wurden zwar mit Asylgesuch aufgegriffen, aber nicht abgewiesen, weil sie als Mitglieder einer „vulnerablen Gruppe“ galten – eine Ausnahmeregel für Dobrindts Zurückweisungsanordnung, etwa für Minderjährige und Schwangere. Das ist im Großen und Ganzen keine riesige Zahl, aber da die Zahl der zurückgewiesenen Asylbewerber selbst so niedrig ist, heißt dies auch, dass auf jeden fünften abgewiesenen Asylbewerber ein weiterer kommt, der als „vulnerabel“ trotzdem einreisen durfte.

So viel zur irregulären Migration direkt über den Landweg. Ebenfalls versprochen hatte Merz die Aussetzung des Familiennachzugs – und CDU-Kanäle feiern auch diese bereits als verbuchten Erfolg. Das Problem dabei ist nur: Ausgesetzt wurde ausschließlich der Familiennachzug für sogenannte „subsidiär Schutzberechtigte“. Diese machen jedoch nur einen eher kleinen Teil aus.

Die Folge? Stand Anfang Dezember 2025 wurden für dieses Jahr bereits 105.000 Visa für einen Familiennachzug bewilligt. Im letzten Jahr waren es 123.675. Es bleibt also bei einem vergleichsweise geringen Rückgang – eine völlige Aussetzung des Familiennachzugs ist es jedenfalls nicht. Der Familiennachzug wäre für Merz eigentlich ein starker Hebel, um die Migrationszahlen zu senken. Schließlich sind die Asyl-Erstantragszahlen bereits gesunken – primär, wie bereits dargelegt, durch Entwicklungen vor seinem Amtsbeginn. Somit macht jetzt die legale und durch Behörden gesteuerte Migration per Familiennachzug einen entsprechend größeren Anteil aus.

Die Analyse der Zahlen zeigt insgesamt ein eindeutiges Bild: Zwar reduziert die Bundesregierung an einigen Stellen die Asylmigration – unterm Strich kann von einer echten Migrationswende aber auch mit dem Jahresende 2025 keine Rede sein.

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