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Migrationswende

Wackelt die „Brandmauer“? Union will Migrationsantrag notfalls mit AfD-Stimmen beschließen

Die Unions-Fraktion möchte den Bundestag über brisante Anträge zur Migrationspolitik entscheiden lassen. Um die Vorhaben umzusetzen, nimmt die Partei keine Rücksicht darauf, wer für die Anträge stimmt. Damit könnte es zu einem Ende der Brandmauer gegenüber der AfD kommen.

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Wie The Pioneer berichtet, plant die Unionsfraktion, Anträge zur Migrations- und Flüchtlingspolitik noch vor der Wahl in den Bundestag einzubringen. Man wolle keine Rücksicht darauf nehmen, wer diesen Antrag im Bundestag unterstützen könnte. Laut Pioneer planen CDU und CSU, eine „parlamentarische Mehrheit in der Mitte“ zu erhalten. Dies habe man in einer Präsidiumssitzung in der Nacht von Donnerstag auf Freitag besprochen. Damit würde man auch Stimmen der AfD für eine Mehrheit akzeptieren – bisher wurde das unter Verweis auf die „Brandmauer“ ausgeschlossen.

Teilnehmer der Präsidiumssitzung erklärten gegenüber Table.Media, dass Merz erklärt haben soll, „all in“ gehen zu wollen. Es sei dem Vorsitzenden „völlig egal, wer sonst“ noch mitmachen würde. Er lasse sich „nicht mehr von taktischen Erwägungen leiten.“

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Bereits im November stellte die Union einen Antrag zur Begrenzung der illegalen Migration im Bundestag. Dieser wurde jedoch kurz darauf aus Furcht, der Antrag könne nur durch die Stimmen der AfD eine Mehrheit finden, zurückgezogen.

Damals erklärte Merz, dass er nur noch „Dinge auf die Tagesordnung setzen“ wolle, die man „vorher im Konsens zwischen Opposition und restlicher Regierung vereinbart“ hätte. So wolle man Opposition und Regierung davor „bewahren“, dass es „Zufallsmehrheiten im Saal mit der AfD oder den Linken“ geben würde.

Wie Nius berichtet, informierte die Parlamentarische Geschäftsführung nach der Präsidiumssitzung die Abgeordneten der CDU über die Ergebnisse. In dieser heißt es, dass man „einige in der Sache sehr klare Anträge zur Migrations- & Flüchtlingspolitik in den Bundestag einbringen“ werde. Sollten diese zur Abstimmung kommen, werde man „ohne Rücksicht darauf, wer diese Anträge mit unterstützt in die Abstimmung gehen“. Dies gelte auch „dann, wenn nur die AFD“ diese Anträge „mit unterstützt“.

Weiter erklärte die Parlamentarische Geschäftsführung, dass man „alle nötigen Anträge selbst einbringen“ werde, für diese werde man „um Unterstützung“ werben. Somit will man nicht „ in die Debatte kommen, Anträge anderer Fraktionen mit unterstützen zu müssen.“ Weiter heißt es, CDU und hätten „im Bundestag keine Mehrheit“. Abschließend erklärte die Geschäftsführung, dass man die von Merz am Donnerstag aufgestellten Forderungen zur Bedingung für einen Koalitionseintritt der Union machen werde. „Ohne die Umsetzung dieser Punkte keine Koalition mit irgendjemand“, heißt es in dem Schreiben.

Im Gegensatz zu dieser Mail stehen Informationen aus Unionskreisen, über die The Pioneer berichtet. So will man die Anträge lediglich einbringen – ob über diese dann abgestimmt wird, hängt von der Auslegung der Geschäftsordnung des Bundestages ab. Die Union besteht immer noch darauf, Mehrheiten in der Mitte zu finden. Normalerweise stehen zwischen Einbringung und erster Lesung im Bundestag 14 Tage, bei dringenden Anträgen kann der Ältestenrat diese Frist jedoch beschleunigen. 

Zwischen der ersten und der zweiten Lesung, nach welcher die Abstimmung bereits erfolgen kann, liegt eine Frist von mindestens sechs Tagen. Auch hier kann der Ältestenrat die Frist verkürzen. Falls es einer dritten Lesung bedarf, erfolgt diese unmittelbar nach der zweiten. Spätestens dann wird über einen Antrag abgestimmt. Es wäre also möglich, einen eingebrachten Antrag schnellstmöglich, im Zweifel auch noch vor der Bundestagswahl, zur Abstimmung zu bringen.

Nach der Messerattacke eines Afghanen in Aschaffenburg hat der Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz deutliche Verschärfungen im deutschen Asyl- und Einwanderungsrecht angekündigt. In einer Pressekonferenz erklärte er, dass er im Falle einer Wahl zum Bundeskanzler ein „faktisches Einreiseverbot“ für illegale Einwanderer durchsetzen werde. Bei dieser Maßnahme wolle er „keine Kompromisse“ mehr eingehen.

Dieses Einreiseverbot soll durch umfassende Grenzkontrollen umgesetzt werden, die er bereits am ersten Tag seiner Amtszeit als Bundeskanzler anweisen wolle. Dabei werde er sich der Richtlinienkompetenz bedienen, um das Bundesinnenministerium entsprechend zu verpflichten.

„Das Maß ist endgültig voll“, so Merz. Deutschland stehe vor dem „Scherbenhaufen einer seit 10 Jahren fehlgeleiteten Asyl- und Einwanderungspolitik.“ Der Plan sieht unter anderem ein faktisches Einreiseverbot für Personen ohne gültige Einreisepapiere vor, das durch umfassende Grenzkontrollen durchgesetzt werden soll.

Zudem soll die Bundespolizei die Befugnis erhalten, Haftbefehle für an Grenzen oder Flughäfen aufgegriffene Personen zu beantragen. Ein entsprechender Gesetzesantrag soll bereits in der kommenden Woche im Bundestag diskutiert werden. Auch die Unterbringung ausreisepflichtiger Personen soll neu geregelt werden. Diese sollen nicht mehr auf freien Fuß gesetzt, sondern in erweiterten Abschiebehaftkapazitäten untergebracht werden.

Abschiebungen selbst sollen nach Merz‘ Vorstellung durch die Bundespolizei unterstützt und täglich durchgeführt werden. Schließlich schlägt er vor, ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder unbegrenzt in Ausreisegewahrsam zu nehmen, um deren Rückführung sicherzustellen.

Nach dieser Ankündigung erklärte AfD-Chefin Alice Weidel auf X, dass ihre Partei dazu bereit sei, in der kommenden Sitzungswoche des Bundestags gemeinsam mit der Union an einer Reform der Migrationspolitik zu arbeiten. Laut Weidel dürfte eine solche Gelegenheit nicht „ungenutzt“ bleiben.

Die Reaktion aus den Reihen der Union fiel jedoch unmissverständlich aus. Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, machte in einer Stellungnahme gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters deutlich, dass eine Zusammenarbeit mit der AfD für die Union nicht infrage kommt. „Die Union wird dafür Sorge tragen, die Migrationspolitik grundsätzlich neu auszurichten und die illegale Zuwanderung drastisch zu senken“, erklärte Frei. Laut Frei bedarf es keiner „vergifteten Angebote der AfD.“

Keine Zustimmung von Grünen und SPD

Die Forderungen, die Merz am Donnerstag auch im Rahmen seines Fünf-Punkte-Plans anriss, werden von SPD und Grünen abgelehnt. Zumindest die Stimmen der SPD wären aber notwendig, da AfD und CDU keine Mehrheit im Bundestag haben und nur auf etwa 270 Sitze im Parlament kommen. Damit die Migrationsforderungen umgesetzt werden können, fehlen folglich etwa 100 Stimmen. 

Die Grünen verweigern jedoch eine Zusammenarbeit. Felix Banaszak, Bundesvorsitzender der Partei, kritisierte den Merz-Vorstoß am Freitag im ZDF-Morgenmagazin: Dass Merz zwar die Brandmauer aufrechterhalten möchte, aber jetzt einen Antrag ohne Rücksicht auf das Abstimmungsverhalten der AfD plant, erfordere eine Klarstellung. Ähnlich äußerte sich der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Konstantin von Notz. Der Vorstoß sei „weder zielführend noch rechtlich umsetzbar“.

Auch die SPD bewertet die Forderungen als „schlichtweg rechtswidrig“, das sagte Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt am Donnerstagabend bei Maybrit Illner. Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich kritisierte den Fünf-Punkte-Plan als nicht angebracht. Olaf Scholz äußerte sich bislang noch nicht zu den konkreten Vorhaben, stattdessen forderte er die Union auf, bereits im Bundestag diskutierte Sicherheitsgesetze gemeinsam mit der Bundesregierung durchzuwinken.

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