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Strategischer Rückzug: Ricarda Lang ist das Gesicht des Grünen-Absturzes

Jung, ideologisch und lebensfern: Ricarda Lang stand wie kaum ein Politiker für alle Probleme der Grünen. Der Rücktritt des Parteivorstandes macht den Weg frei für eine taktische Neubesetzung.

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Überraschend treten die Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour zurück, mit ihnen der gesamte Bundesvorstand – es ist ein Paukenschlag am Mittwochmorgen. „Wir sind zu dem Ergebnis gekommen: Es braucht einen Neustart“, erklärten die Parteichefs auf einer Pressekonferenz. „Es ist Zeit, die Geschicke dieser Partei in neue Hände zu legen“, so Omid Nouripour. Er begründet den Rücktritt mit dem desaströsen Ergebnis bei der Landtagswahl in Brandenburg. „Es braucht neue Gesichter, um die Partei aus dieser Krise zu führen“ – der „tiefsten Krise in einer Dekade“.

In der Tat stecken die Grünen in einer tiefen Krise: Für immer mehr Menschen ist die Partei ein rotes Tuch, die Grünen sind bei vielen so verhasst wie sonst nur die AfD. Erstmals seit Jahren sind sie unter zehn Prozent in den Umfragen, die Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg waren empfindliche Niederlagen.

Jung, ideologisch und lebensfern: Das verkörpert kaum ein Politiker so gut wie Ricarda Lang. Die dreißigjährige, die Arbeit, so sagt sie selbst, nur aus den Erzählungen ihrer Mutter kennt, hat nie einen richtigen Job außerhalb der Politik gehabt und ihr Jura-Studium zugunsten der Parteikarriere abgebrochen. Ebenso Omid Nouripour, der zwei Studiengänge zugunsten von Partei-Posten im Bundesvorstand aufgab. Nichts außerhalb der Politik geschafft, erklärten sie den Leuten ständig, was sie in ihrem Leben zu tun und zu lassen hätten.

Die ideologische Parteichefin, die gerne über Queerfeminismus und „Body-Shaming“ sprach, bot auch viel Projektionsfläche für alle Grünen-Gegner. Dahinter konnten sich die handelnden Politiker, etwa ein Robert Habeck, immer gut verstecken. Gleichzeitig wurde Lang so auch zur Belastung für die Partei. Das zeigte sich zuletzt im Osten, wo Landespolitiker nach den Niederlagen Vorwürfe gegen die Parteizentrale erhoben: Zu Berlin-, West- und Großstadt-zentriert sei die Partei, ihre Geschäftsstelle geprägt von jungen Großstadt-Yuppies, die gerade erst studiert hätten, wenn überhaupt. Diese überschaubaren Biografien hätte man durch viel Arroganz ergänzt: „Launisch und selbstgerecht“ wären Spitzen-Grüne in den Landtagswahlkämpfen aufgetreten, beklagten Grüne gegenüber table.media.

Aus solchen Erfahrungen scheint nun auch die sonst so kritikresistente Partei der Grünen ihre Konsequenzen gezogen zu haben: Zuletzt erklärte man ja öffentlich, Putins „Desinformation“ und die Gemeinheiten anderer Parteien im Wahlkampf seien schuld an den Niederlagen (Apollo News berichtete). Der Rücktritt des Bundesvorstands ist ein Eingeständnis, dass diese Erzählung falsch ist.

Eine Niederlage bei der Bundestagswahl wird sich noch schwerer wegreden lassen als die Niederlagen im Osten – das haben auch die Grünen verstanden. Deshalb ist der Rücktritt auch als strategische Neuaufstellung zu begreifen: Übereinstimmenden Medienberichten zufolge ist Habecks Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Franziska Brantner, aussichtsreichste Kandidatin für einen Teil des Vorsitzenden-Duos. Brantner gilt als Habeck-Vertraute und hatte in der Vergangenheit schon den mächtigen Posten als Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion. Sie war laut table.media bereits als Wahlkampfmanagerin für den designierten Kanzlerkandidaten Habeck im Gespräch.

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