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Chemnitz

Strafbefehl und 3.000 Euro Geldstrafe für „Alles für Deutschland“-Antwort auf ein Meme

Strafbefehl: Ein Familienvater aus Chemnitz soll zwei Monatseinkommen Geldstrafe zahlen, weil er auf ein Meme scherzhaft mit „Alles für Deutschland“ geantwortet haben soll. Der Post ist über die Meldestelle „REspect!“ gemeldet worden.

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Kaiser Wilhelm II. hält drohend eine Pistole in der Hand. „STOP SCROLLING. Say one word in German“, steht darüber. Der Meme-Account „Declaration of Memes“ eines amerikanischen X-Users, der sich selbst Liberty Cappy nennt, hatte dieses Bild gepostet. „I Meme For Freedom“, lautet sein Mantra, er will mit kritischer Satire ein politisches Zeichen setzen. Die „Sag ein Wort auf Deutsch“-Aufforderung war zuvor schon mit anderen Sprachen, vor allem in der Meme-Szene von X durchs Netz gegangen. 

Ein X-Account aus Deutschland folgt seinem Aufruf: „Alles für Deutschland“, antwortet er mit einem salutierenden Emoji. Er hat zu dem Zeitpunkt nur wenige Follower auf seinem Account. Der Post wurde Wochen später nur zehn Mal gesehen. Und doch bleibt er nicht unbemerkt und wird von der Meldestelle „REspect!“ aufgespürt. 

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REspect!, ein Projekt der Jugendstiftung Baden-Württemberg, hat sich auf „Hetze im Netz“ spezialisiert, kooperiert mit der Bayerischen Staatsregierung und wird gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen von „Demokratie leben!“ sowie dem Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales. Es gehört auch zu dem Netzwerk der Zentralen Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet (ZMI) des Bundeskriminalamtes. 

Die Mitarbeiter von REspect! befinden den Tweet für strafbar und so landet er direkt beim Bundeskriminalamt. Nach polizeilichen Ermittlungen wird der Account mit einem Mann aus Chemnitz in Verbindung gebracht und der Fall an die Polizei Chemnitz weitergegeben. Und so kam es, dass René R. Post von der Polizei erhält, weil er einen Tweet geschrieben haben soll, den kaum jemand gesehen hat. 

Bei „Alles für Deutschland“ handele es sich um eine „nationalistische Parole“, die als Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen (Paragraf 86a Strafgesetzbuch) strafbar ist. Ob er wusste, dass dieser Satz einen politischen Hintergrund hat, will die Polizei von ihm wissen. Er soll Aussagen über seine Lebens- und Einkommensverhältnisse machen. René R. sieht sich mit einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren konfrontiert, bei dem auf die vorgeworfene Straftat die Höchststrafe von drei Jahren Haft steht. Er nimmt Akteneinsicht.

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Kurz darauf erlässt das Amtsgericht Chemnitz einen Strafbefehl. Der junge Familienvater soll für den ihm zugeschriebenen Tweet 60 Tagessätze Geldstrafe zahlen, also zwei Monatseinkommen. Der auf Schätzungen des Amtsgerichts Chemnitz beruhende Gesamtbetrag liegt bei 3.000 Euro. Durch seinen Verteidiger Walther Wegner legte er Einspruch gegen den Strafbefehl ein, andernfalls wäre er rechtskräftig geworden und R. würde als verurteilt gelten.

Die Begründung des Strafbefehls ist kurz. Zweck von Paragraf 86a Strafgesetzbuch ist, dass Symbole und Parolen verfassungsfeindlicher oder terroristischer Vereinigungen nicht normalisiert werden. Hauptanwendungsfall ist der Nationalsozialismus. Sinn und Kontext der Äußerungen finden nur über Ausnahmen Berücksichtigung, beispielsweise bei einer Verwendung im Rahmen von Kunst, Wissenschaft oder der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens. Im Strafbefehl wird auf all dies nicht eingegangen, auch nicht darauf, dass der Tweet so gut wie nicht gesehen wurde. Der Fall scheint für die Staatsanwaltschaft eindeutig.

Rechtsanwalt Wegner kommentierte gegenüber Apollo News: „Die Strafverfolgung von Internetäußerungen nimmt bedenkliche Züge an. Wir erleben, dass staatlich finanzierte Meldestellen Social-Media-Plattformen aktiv durchsuchen und Posts aufspüren, die sonst kein Mensch gesehen hätte und die erst recht niemanden interessiert hätten. Die überarbeiteten Staatsanwaltschaften beantragen ohne erkennbare Einzelfallabwägung Strafbefehle mit teilweise unverhältnismäßig hohen Tagessätzen.“

„Der Abschreckungseffekt auf Bürger und damit die Einschränkung der Meinungsfreiheit ist verheerend. Ich rate dazu, solche Strafbefehle anwaltlich prüfen zu lassen und sich gegebenenfalls zu wehren.“ Besonders in Fällen von offensichtlich unverhältnismäßigem Vorgehen hat man gute Chancen. Apollo News berichtete bereits über einen anderen Fall von Rechtsanwalt Wegner, bei dem der Student David Duhme ebenfalls wegen eines Memes auf X nach Paragraf 86a Strafgesetzbuch einen Strafbefehl erhielt. Nach monatelangem, umfassendem Ermittlungsverfahren wurde das Verfahren eingestellt, nachdem Duhme den Anwalt einschaltete und Einspruch einlegen ließ. 

Der Fall von René R. kommt nun wohl vor Gericht. Die Hoffnung besteht, dass hier differenzierter betrachtet wird. Bis dahin reiht er sich in einen Trend der Strafjustiz ein, in dem Äußerungsdelikte unangemessen hart verfolgt und bestraft werden, besonders wenn sie politisch kritisch sind. 

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117 Kommentare

  • Und Deutschland ist noch ein Rechtsstaat? Absolut gruselig. Vor Jahren noch unvorstellbar, aber wer weiß, was noch kommt. Ich empfehle jeden, sich mal mit der Gedenkstätte Hohenschönhausen auseinanderzusetzen.

    164
  • Ich habe null Respekt vor Denunzianten und es stört mich zu tiefst, dass auch meine Steuergelder dafür verschwendet werden.

    Nicht in meinem Namen!

    217
  • Sehr, sehr traurige Entwicklung in Deutschland, bin 70 und mache mir für unsere Kinder und Enkel große Sorgen. Wo ist das freie, wirklich demokratische Land, auf das wir einst so stolz sein konnten ???

    132
  • Es ist unglaublich, was in Deutschland passiert, Ich wollte nach Deutschland reisen, aber ich werde es wohl lassen, weil ich nicht in einem Land Ferien machen will, wo die freie Meinungsäusserung und der freie Diskurs unterdrückt wird mit totalitären Methoden.

    182
  • Meldestellen & Co. das kann Deutschland, da haben wir Erfahrung.

    136
  • Sind die Strände in Nordfrankreich diesen Sommer noch begehbar?

    43
  • Ich frage mich als Schweizerin warum lässt ihr euch das bieten (bieten heisst nicht annehmen). Und warum spendet ihr in solchen Fällen nicht z.b. auch für einen guten Anwalt? Ihr seid so gross und nah bitte stoppt eure übergriffigen Machtinstanzen sonst wird es noch drastischer.

    115
  • Ich frage mich immer, was an solchen Aussagen schlimm sein soll. Ja, ich weiß, es soll wohl eine Parole aus schlimmen Zeiten gewesen sein. Dennoch, eine positive Einstellung zum eigenen Land mit für den Angeklagten drakonischen Geldstrafen zu belegen zeugt für mich von Wahnsinn. Das Land und die Gesellschaft bricht auseinander, und derartige Urteile machen das nur noch irreparabler.

    147
  • „Jehova, Jehova!“

  • Früher nannte man das Stasi, heute Meldestellen.

    131
  • Strafverfolgung für politisch anderst denkende kenne ich noch aus der DDR.

  • Es würde mich interessieren, welcher Paragraph in einer Strafsache vorschreibt, Angaben über die Einkommensverhältnisse zu machen. Ganz offensichtlich, benötigt der Staat Geld. Die glauben tatsächlich, dass solche Maßnahmen zur Änderung des Wahlverhaltens führen.

    32
  • Muss man an dieser Stelle nicht schon von gesichert nachgewiesener Juxtizverwahrlosung sprechen?

    48
  • Wer bestimmt eigentlich in einem demokratischen Staat, welche Begriffe/Sprüche strafbar sind? Wer legt das im einzelnen fest und mit welchem Recht? Wenn ich das richtig sehe, steht das nicht im Gesetz drin, sondern das sind nicht demokratisch legitimierte Leute in irgendwelchen Behörden, oder nicht? Wie sähe denn der Rechtsweg aus, wenn man (wer auch immer, Einzelperson oder Gruppe) diesen oder irgendeinen anderen „verbotenen“ Satz legalisieren möchte?

    43
  • Nicht nur über die Höhe der Tagessätze wird bestraft. Manchmal sind die überraschend niedrig.Aber dafür steigt die ANZAHL DER TAGESSÄTZE und übersteigt dann nicht selten die Zahl 90. Ab da ist man nämlich vorbestraft, mit allen Konsequenzen im Privat- und Berufsleben.

  • WER verlangte eigentlich damals von den Deutschen „Kriegstüchtigkeit“? Und WER verlangt das heute? WO ist der Aufschrei???

    55
  • …und Pistorius möchte, dass man für 🇩🇪 dient und es noch verteidigt? Sorry, dass wird nichts.

  • 3000,- Eur für die deutsche Staatskasse ist nicht ALLES. Da geht sicher noch was.

  • Das ist totalitär. Schluß damit. Wofür haben wir den Richtern eigentlich das Studium bezahlt?

    62
  • Ist diese Art der politischen Verfolgung nicht eigentlich ein Asylgrund?

  • Wir brauchen unbedingt eine neue Sprache.
    Denn Deutsch wurde damals ja auch genutzt.

  • Und ihr denkt echt noch, dass man sich für dieses Land noch einsetzen soll?

  • Und diese Zensur hier geht überhaupt nicht , da fängt das ganze mit an

    29
  • Das geht nicht gut aus..

  • Kontrollierte Meinungsfreiheit bei Apollo.

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