Der irakische Tatverdächtige im Fall der mutmaßlich vor einen Zug gestoßenen und dadurch getöteten Liana K. hat einem deutschen Gericht in der Vergangenheit erklärt, homosexuell zu sein, berichtet Euronews jetzt. Damit wollte er offenbar auch eine Überführung nach Litauen umgehen, die eigentlich bevorstand, weil er 2021 dort erstmals das Territorium der Europäischen Union betreten haben soll und das baltische Land demnach für das Asylverfahren von Muhammad A. zuständig ist.

Außerdem wird jetzt bekannt, dass der 31-Jährige bereits im November 2024 vom Amtsgericht Einbeck wegen exhibitionistischer Handlungen zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt worden war. Er habe eine Frau bedrängt, indem er seinen Arm um deren Schulter legte und anschließend seinen Penis zeigte, berichtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Weil er die Geldstrafe nicht zahlte, musste er im Juli eine Ersatzfreiheitsstrafe absitzen.

Jetzt steht der irakische Asylbewerber im Verdacht, die 16-jährige Liana K. am 11. August in Friedland vor einen Zug gestoßen zu haben. Eigentlich hätte er abgeschoben werden können, weil sein im Herbst 2022 in Deutschland gestellter Asylantrag noch im Dezember desselben Jahres abgewiesen worden war. Zwar hatte Muhammad A. im Januar 2023 dagegen geklagt – das Verwaltungsgericht hatte das jedoch im Februar dieses Jahres abgewiesen.

Die Akten des Verfahrens liegen Euronews jetzt vor. Demnach habe der Iraker, vertreten durch einen nicht namentlich genannten Anwalt, erklärt, nach seiner unerlaubten Einreise nach Litauen „inhaftiert und einen Monat lang in Einzelhaft“ gehalten worden zu sein. Er habe den litauischen Behörden dann erklärt, homosexuell zu sein und wollte somit in eine andere Flüchtlingsunterkunft verlegt werden.

„Er sei im Camp Kibati vergewaltigt worden. Die litauische Polizei habe sie geschlagen“, hielt das Verwaltungsgericht demnach die Aussagen des 31-Jährigen fest. Bereits im Irak sei er „Opfer mehrfacher Vergewaltigungen geworden“ und sei überdies „erheblich erkrankt“, habe Muhammad A. zudem berichtet.

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Seine Anwälte nutzten diese Aussagen, um gegen eine Überführung nach Litauen zu argumentieren, weil sonst „eine erhebliche Retraumatisierungsgefahr“ bestehe. Das Verwaltungsgericht lehnte das schließlich am 10. Februar dieses Jahres ab – zwei Jahre nachdem Muhammad A. gegen sein abgewiesenes Asylgesuch geklagt hatte. Offenbar fehlten den Richtern auch Belege für die angebliche psychische Erkrankung des Irakers.

„Dass es nach dem Eilbeschluss noch zwei Jahre bis zum – letztlich klageabweisenden – Urteil gedauert hat, ist angesichts der zu bewältigenden Menge an Asylverfahren leider nichts Ungewöhnliches“, erklärte dazu ein Gerichtssprecher gegenüber Euronews. Außerdem habe sich „die Rechtsprechung zu systemischen Mängeln im Asylverfahren in Litauen geändert. Derzeit wird nicht mehr von solchen systemischen Mängeln ausgegangen“, eine Rückführung wurde somit ab März 2025 möglich, der Iraker ist seitdem vollziehbar ausreisepflichtig.

Euronews wollte von dem Verwaltungsgericht überdies noch wissen, von wem Muhammad A. anwaltlich vertreten wurde. Eine brisante Frage, weil bei der Bewältigung von Asylanträgen in Deutschland nicht selten Nichtregierungsorganisationen helfen. „Von einer Benennung der im Verfahren mandatierten Anwaltskanzlei sehe ich ab, weil diese aufgrund befürchteter Anfeindungen ausdrücklich darum gebeten hat, den Namen nicht im Zusammenhang mit diesem Fall weiterzugeben. Über die Mitwirkung einer NGO liegen mir keine Informationen vor“, hieß es seitens des Gerichtssprechers dazu.

Obwohl er seit März abgeschoben werden müsste, blieb Muhammad A. in Deutschland, tauchte zunächst im November 2024 unter – also zu dem Zeitpunkt, als ihn das Amtsgericht Einbeck verurteilte. Nachdem der 31-Jährige wieder aufgetaucht war, im April einen Folgeantrag gestellt hatte, im Grenzdurchgangslager Friedland untergebracht wurde und im Juli die Ersatzhaft absitzen musste, weil er die Geldstrafe nicht bezahlt hatte, hatte die Ausländerbehörde eine Abschiebehaft erwirken wollen.

Weil aber keine Ausreisefrist gesetzt wurde und somit auch die Begründung für eine erhebliche Fluchtgefahr fehlte, wies das Amtsgericht Hannover den Antrag am 16. Juli ab. Es gab der Behörde aber auch Zeit für Nachbesserung – die fielen dem Gericht zufolge aber nicht in dem notwendigen Maße aus und wurden weiterhin als mangelhaft nicht zur inhaltlichen Prüfung zugelassen. Außerdem versäumte es die Landesaufnahmebehörde in der Folge eine einmonatige Frist wahrzunehmen, um vor dem Landgericht gegen die Ablehnung vorzugehen, teilte ein Gerichtssprecher gegenüber Apollo News mit.

Nachdem Liana K. am 11. August vor einen Güterzug in Friedland gestoßen worden war, hatte die Polizei 18 Tage lang von einem Unglück gesprochen, ehe der Iraker als Tatverdächtiger genannt wurde. Neben den Gerichten und der Landesaufnahmebehörde sind aber auch Teile der Polizeimeldungen von dem Fall widersprüchlich, offen ist, wie früh die Ermittler tatsächlich von der wahrscheinlichen Beteiligung von Muhammad A. an der Tat wussten (mehr dazu hier).

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