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„Ironisch“

Lindner-Eigentor sorgt für Häme: Deutschland legt der EU keinen Haushaltsplan vor

Deutschland hat es nicht geschafft, pünktlich einen Haushaltsplan für die nächsten Jahre der EU-Kommission vorzulegen und erwägt jetzt geplante Ausgabenkürzungen auf einen längeren Zeitraum als vorgesehen zu verteilen. Für Lindner ist das ein Eigentor.

Für die Besserwisserei auf dem europäischen Parkett erntet Finanzminister Lindner jetzt Häme und Schadenfreude.

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FDP-Finanzminister Christian Lindner hat sich auf dem internationalen Parkett einen Fauxpas geleistet, der bei den anderen Mitgliedsstaaten für Schadenfreude sorgt. Wie das Magazin Politico berichtet, hat Deutschland es versäumt, pünktlich zum 15. Oktober der Europäischen Kommission einen mehrjährigen Haushaltsplan vorzulegen.

Bislang gelang es der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP noch nicht, einen Haushaltsplan aufzustellen, der den kürzlich eingeführten europäischen Ausgabenregeln entspricht. Die Konsequenz: Deutschland erwägt offenbar, die Europäische Kommission um Erlaubnis zu bitten, die geplanten Ausgabenkürzungen auf sieben Jahre zu verteilen, statt wie ursprünglich vorgesehen auf vier. Das erfuhr Politico von zwei deutschen Beamten.

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Nach dem neuen, reformierten EU-Rahmen für die Fiskalpolitik, der seit 30. April 2024 in Kraft ist, haben die Mitgliedstaaten, die ihre Schuldengrenzen überschreiten, eigentlich nur vier Jahre Zeit, um wieder auf das vorgeschriebene Niveau zu kommen, bevor ihnen bei Nichteinhaltung Disziplinarmaßnahmen drohen.

Jedoch können Länder, die eine längere Anpassungsphase benötigen, unter Umständen eine Verlängerung um bis zu sieben Jahre beantragen. Diese Verlängerung haben bisher nur Italien, Spanien und Finnland beantragt. Jetzt könnte Deutschland nachziehen: „Derzeit wird die Möglichkeit diskutiert, den Anpassungszeitraum von vier auf sieben Jahre zu verlängern“, sagte ein Beamter des deutschen Finanzministeriums Politico am Freitag.

EU-Rahmen sieht Vorschriften und Regeln vor

An sich ist ein solcher Antrag keine Seltenheit. Gemäß den EU-Vorschriften kann Deutschland bei Bedarf eine solche Verlängerung fordern, wenn sie diese einsetzen, um langfristige Investitionen und Reformen vornehmen zu können. Doch es gibt einen Haken: Ein solcher Antrag auf Verlängerung der Anpassungsphase verpflichtet ein Land, sich einem bestimmten Reformpaket zu verschreiben, welches konkrete Ziele beinhaltet. Eine Verlängerung einfach so gibt es nicht.

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Nach dem überarbeiteten EU-Rahmen müssen Länder, deren Schulden 60 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts übersteigen, demnach ihre Haushaltsdefizite jährlich verbindlich um 0,5 Prozent des BIP senken. Für Deutschland wäre das mit großen Sparmaßnahmen verbunden. Allerdings wäre die Verteilung auf mehrere Jahre immer noch besser als eine vierjährige Anpassungsphase, bei der Sparmaßnahmen entsprechend schneller und drastischer auf den Weg gebracht werden müssten. Ein Jahr vor der Bundestagswahl würde das politisch für die Ampel-Koalition keine gute Werbung sein.

Diese verbindlichen Ziele hätten ohne Lindner und Deutschland nicht sein müssen: Denn auf die Setzung von klaren Zielen drängte in Europa vor allem Deutschland. Bei der Ausarbeitung des neuen EU-Rahmens pochte Finanzminister Lindner auf diese Bestimmung vehement. Im Gegensatz zu Deutschland wollte die Europäische Kommission in ihrem Ursprungsvorhaben keine verbindlichen Zahlenziele einführen. Für Deutschland wird dadurch der gesamte Vorgang zum peinlichen Eigentor, weil man jetzt unter den eigenen Bestimmungen leidet – ein Eigentor, das Schadenfreude bei den anderen Mitgliedstaaten auslöst.

Schuss ins eigene Knie

Denn dass ausgerechnet die Deutschen, die in der Sparpolitik zuletzt so sehr auf die strengeren Regeln pochten, jetzt selbst in solche Haushaltsproblematiken rutschen, belustigt einige EU-Diplomaten. Laut Politico sagte ein europäischer Beamter: „Es ist Karma, oder?“ „Wie Alanis Morissette sang: ‚Ist das nicht ironisch?‘“, witzelte ein weiterer EU-Diplomat, so Politico.

Ironisch ist es vor allem auch, weil sich Finanzminister Christian Lindner zuletzt auf der europäischen Ebene weit aus dem Fenster gelehnt hatte und gegenüber anderen Mitgliedstaaten bessere Finanzen angemahnt hatte. Erst letzte Woche kritisierte Lindner öffentlich Länder wie Italien, die sich für einen längeren, siebenjährigen Anpassungszeitraum entschieden hatten, und forderte die anderen europäischen Staaten, etwa Frankreich, auf, ihre Finanzen „in Ordnung“ zu bringen.

Bei dem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen in Luxemburg sagte der FDP-Politiker: „Wir sehen, dass andere Mitgliedstaaten sich bereits entschieden haben für eine siebenjährige Periode.“ Es brauche aber mehr Ehrgeiz, um die öffentlichen Finanzen in Ordnung zu halten oder zu bringen. „Und deshalb kann ich alle nur ermuntern, strukturelle Reformen einzuleiten und vielleicht auch bisweilen unpopuläre Entscheidungen zu treffen“, so der Finanzminister.

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