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„Katastrophe für Volkswirtschaft“

„Kurz vor dem Abgrund“: Stahl-Unternehmerin verzweifelt an Energiekosten und Politik

Ihr Vater übernahm und rettete das Stahlwerk Georgsmarienhütte. Jetzt sieht sich Unternehmerin Anne-Marie Großmann „kurz vor dem Abgrund“ - wegen hoher Energiepreise und falscher Politik.

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Als ihr Vater Ende der 90er Jahre das Stahlwerk im niedersächsischen Georgsmarienhütte südlich von Osnabrück übernahm, war es marode und verschuldet. Niemand wollte es haben – am Ende erwarb Familienunternehmer Jürgen Großmann Grundstück und Firma für zwei Mark.

Dann machte er es zu einem stabilen, profitablen und technologisch fortschrittlichen Unternehmen, gar zu einer Unternehmensgruppe mit 20 Standorten und 6000 Mitarbeitern, fast sechsmal mehr als damals. Inzwischen ist die 36-jährige Anne-Marie Großmann Chefin des Stahlwerks, das sich lange als an der Spitze des technologischen Fortschritts stehend begriffen hatte – und verzweifelt.

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Denn Krise auf dem Stahlmarkt, die hohen Energiepreise und sonst schlechten Standortbedingungen in Deutschland drohen, die Erfolgsgeschichte des Unternehmens zunichtezumachen. Dem Handelsblatt erklärt sie die prekäre Lage ihres Stahlwerks – und der Industrie insgesamt.

Habeck nannte es sein „Lieblingswerk“ – und lässt es im Stich

„Unsere Energiekosten lagen im Schnitt allein für dieses Stahlwerk in Georgsmarienhütte bei 40 Millionen Euro“, sagt Großmann mit Blick auf die letzten zehn Jahre. Heute jedoch ist die Lage sehr viel dramatischer: „Die Energiekosten haben sich seit Ende 2023 verdoppelt. Wir zahlen mehr als 80 Millionen Euro für Energie. Wie sollen wir da noch investieren?“, fragt die Unternehmerin. „Während der Strompreis nun ungefähr anderthalbmal so hoch ist, haben sich für uns die Netzentgelte verdoppelt. Das trifft uns am meisten.“

Das Unternehmen versucht, die Stahlkrise mit Kurzarbeit abzufedern. „Aber es drohen deutlich mehr Entlassungen. Ich sage das jetzt mal ganz klar. Wenn die Energie so teuer und die Industrie immer schwächer wird, dann können wir es einfach in Deutschland nicht mehr machen.“ Dabei sei das Unternehmen ganz vorne mit dabei, wenn es um den von der Politik oft beschworenen „Grünen Stahl“ geht. „Wir können diesen heute schon zertifiziert liefern“, erklärt Großmann. Aber die Rahmenbedingungen seien denkbar schlecht.

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Robert Habeck hat das Stahlwerk in der Vergangenheit wegen seiner Fortschrittlichkeit gar als sein „Lieblingsstahlwerk“ bezeichnet – doch daraus folgte nichts. „In der Regierungszeit der Ampel sind die Energiekosten nicht gesunken, die Elektrostahlproduktion ist massiv eingebrochen. Wir stehen total bescheiden da. Und immer mehr wandern ab ins Ausland.“ Netzentgelte bleiben hoch, die genuinen Strompreise auch, Standortbedingungen blieben schlecht. Die Politik weiß auch um das Problem – „im Einzelgespräch verstehen uns die Politiker.“ Aber sie tut nichts.

„Dann können wir es in Deutschland nicht mehr machen“

„Es ist kein Erkenntnisproblem“, stellt Großmann resigniert fest. „Wenn die Politik Deutschland nicht mehr als Industrieland sieht, dann wäre das auch eine klare Ansage. Dann wüssten wir auch, woran wir sind.“ Frustriert meint sie: „Es wird gesagt, wir sind ein Industrieland, aber das Gegenteil wird gemacht.“

Die Unternehmerin hat eine Reihe an Forderungen an die Politik – Netzentgelte senken, Strompreise deckeln, Netze stabilisieren und ausbauen. Vor allem aber müsse überhaupt mal etwas gemacht werden. „Die energieintensive Industrie generiert jährlich 80 bis 90 Milliarden Euro Einnahmen für den Staat. Die fallen dann auch weg, wenn die Industrie weg ist, das sollte man nicht unterschätzen.“

Doch in der Regierung ist nicht zu erkennen, dass der Ernst der Lage begriffen wurde. Die Konsequenz für Frau Großmann: Abwanderungsgedanken, auch wenn ihr das widerstrebt. „Dann fallen hier über 6.000 Arbeitsplätze weg. Und wir sind klein. Thyssen-Krupp hat gerade angekündigt, mehr als 11.000 Stellen abzubauen. In der Stahlindustrie arbeiten 80.000 Menschen. Das sind sehr gut bezahlte Arbeitsplätze. Vier Millionen Arbeitsplätze sind in stahlintensiven Branchen. Wenn diese wegfallen, ist das eine Katastrophe für unsere Volkswirtschaft.“

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