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Pest-Vergleich

Kritik an Diskriminierung von Ungeimpften – plötzlich werfen die Grünen Hendrik Streeck Holocaust-Relativierung vor

Weil er den Mechanismus, der während der Covid-Pandemie Ungeimpfte als Schuldige ausmachte, mit der Dynamik während der Pest, als Juden verfolgt wurden, verglich, wird der Virologe Hendrik Streeck plötzlich als Holocaust-Verharmloser dargestellt.

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Hendrik Streeck galt während der Pandemie als gemäßigte Stimme. Jetzt kritisiert er den Umgang mit Ungeimpften – und bekommt dafür mächtig Gegenwind.

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Hendrik Streeck galt als kritische Virologen-Stimme in den Sendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks während der Covid-Pandemie. Jetzt verurteilte der Mediziner den Umgang mit ungeimpften Personen. „Es wurden Schuldige gesucht, wie es bei der Pest mit den Juden gemacht wurde und bei HIV mit den Homosexuellen“, sagte Streeck im Interview mit dem Focus. Schnell wird Kritik laut: Damit würde Antisemitismus verharmlost werden, werfen Medien und Politiker dem 47-Jährigen vor.

Der Spiegel greift die Passage auf und erklärt: Nach dem Ausbruch der Pest wurden zwischen 1348 und 1351 alleine in Straßburg Hunderte Juden getötet. Währenddessen kam es in der Pandemie zu Freiheitseinschränkungen. Das Magazin möchte, das legt auch der Titel „Virologe Streeck vergleicht Corona-Ungeimpfte mit Juden“ nahe, suggerieren: Beide Krankheitsausbrüche und die Konsequenzen für bestimmte Bevölkerungsteile sind nicht vergleichbar. Doch diese Analogie wollte Streeck gar nicht ziehen.

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Auf X erklärte der Virologe in einer Stellungnahme: „Gerade wir Deutsche müssen uns an unserer Geschichte messen lassen. Wir dürfen nie wieder Gruppen oder Identitäten zu Schuldigen von Pandemien oder Krankheiten stilisieren und ausgrenzen. […] Mein Punkt vergleicht nicht das Leid der Ausgrenzung, sondern den Mechanismus, mit welchem Menschen zu Feindbildern gemacht werden, obwohl der Feind in allen Fällen ein Erreger ist.“ Mit anderen Worten: Die Hervorbringung eines Narrativs und die Bestimmung einer schuldigen Gruppe ist – nicht nur auf die Pest bezogen – bei Krankheitsausbrüchen historisch vergleichbar.

Bezogen auf die Pest muss angemerkt werden, dass der in Europa weitverbreitete Argwohn gegen Juden die Situation hervorgerufen hat. „Sollte dieser Vergleich verletzte Gefühle hervorgerufen haben, entschuldige ich mich aufrichtig“, schreibt Streeck deshalb. „Doch wir dürfen das Wesentliche nicht vergessen: Wir müssen als Gesellschaft auf solche Mechanismen aufmerksam machen, bevor sie vergleichbar werden – nicht erst in der traurigen Rückschau.“

https://twitter.com/hendrikstreeck/status/1852495176670880212?s=4

Damit stellt der Virologe klar: Es geht keinesfalls um die Verharmlosung des Leids einer unterdrückten Bevölkerungsgruppe. Grüne-Politikerinnen sehen das anders. „Das ist unsäglich, Shoa relativierend und ein Tabubruch. Streeck klingt nach verschwörungsideologischem Milieu“, schreibt beispielsweise Marlene Schöneberger, seit 2021 als Abgeordnete für den Wahlkreis Rottal-Inn im Bundestag, auf X. Doch vom Holocaust hatte der Virologe gar nicht gesprochen und lediglich Krankheitsausbrüche thematisiert.

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Auch Katrin Göring-Eckardt, Bundestagsvizepräsidentin für die Grünen, teilte auf X ihre Zustimmung für einen Beitrag, in dem Streeck unterstellt wird, „dass er sehr genau weiß, welchen Vergleich er da bemüht“, er würde „die Situation Ungeimpfter in der SARS-Cov-2-Pandemie mit der Situation der Juden während der Pest“ vergleichen. In dem aus mehreren Nachrichten bestehenden Beitrag, der wenige Minuten nach Streecks Stellungnahme veröffentlicht wurde, beschreibt die Verfasserin das Leid der Juden während der Pest.

Die Behauptung, der Virologe habe das Leid der Juden mit den Erfahrungen der Ungeimpften gleichgesetzt, wird zahlreich im Internet diskutiert. Dabei war schon vor Streecks Stellungnahme klar: Hier soll eine Dynamik aufgezeigt werden, die nach größeren Krankheitsausbrüchen gesellschaftlich verbreitet wird. Bevor Streeck den Mechanismus-Vergleich bemühte, sagte er bereits über Ungeimpfte: „Man hat ihnen die Schuld an dieser Pandemie gegeben. Das war einfach falsch.“

Interessant ist zudem, welche deutlichen Worte der Virologe für den Umgang mit ungeimpften Personen während der Pandemie findet. Der Mediziner hat sich zwar schon früh gegen Freiheitseinschränkungen und die ungleiche Behandlung von Personen je nach Impfstatus ausgesprochen, Streecks Kritik an dem gesamtgesellschaftlichen Umgang als Ausgrenzungsprozess ist in dieser konsequenten Form jedoch bemerkenswert.

Dafür wird der Mediziner vermutlich weiterhin Kritik einstecken müssen. Das entsprechende Focus-Interview war bereits am Mittwoch veröffentlicht worden, aber erst am Freitag von den Medien aufgegriffen und anschließend im Internet thematisiert worden. Streeck hatte erst Ende September ein Buch über die Covid-Pandemie veröffentlicht. Kurz zuvor hatte er seine Bundestagskandidatur für die CDU in Bonn verkündet. Mit Blick auf die sehr wahrscheinliche Regierungsbeteiligung der CDU könnte Streeck auch mit dem Amt des Gesundheitsministers liebäugeln.

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