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Kommt Kamala Harris wirklich mit diesem merkwürdigen Medien-Hype durch?

Die mediale Jubel-Stimmung und der Verzicht auf kritische Interviews erlauben Kamala Harris einen Höhenflug. Hält der bis zur Wahl? Denn was dahinter steckt, sollen viele Wähler offenbar nicht erfahren – politische Positionen tauchen auf ihrer Website z.B. gar nicht erst auf.

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Keine Interviews, erst recht keine kritischen Fragen und unzählige Porträts, die sie als die neue starke Frau Amerikas feiern: Kamala Harris reitet auf einer medialen Jubelwelle. Noch Wochen vorher zerrissen viele derselben US-Medien Joe Bidens (und Kamala Harris‘) Wahlkampagne, stellten Harris weit hinten an, wenn es um potenzielle Ersatzkandidaten ging und schrieben Biden so nieder, dass er hinwarf.

Sobald aber klar war, dass Harris tatsächlich seine Nachfolgerin wird, war es, als sei ein Schalter umgelegt worden: Seitdem wird die Kalifornierin als Neustart verkauft, dabei war sie gerade diejenige, die als Vizepräsidentin gemeinsam mit Biden jahrelang an der Spitze der Regierung stand. Es ist nicht umsonst die Rede von der Biden-Harris-Administration. Klar hatte sie dort bei weitem nicht die Aufgaben des Präsidenten, aber bei den Verantwortlichkeiten, die sie übernahm, hinterließ sie oft nur ein Trümmerfeld.

Unvergessen bleibt etwa als Biden sie angesichts einer historischen Krise an der Grenze zur Migrationsbeauftragten machte und sie nicht nur keinen Fortschritt vorweisen konnte – der Ansturm eskalierte nur – sondern auch nicht einmal die Grenze selbst besuchte. In einem Interview behauptete sie damals u.a.: „Wir waren an der Grenze“ – nur um korrigiert zu werden, dass sie es eben nicht war. Worauf sie dann zu ihrer Verteidigung meinte: „Wir waren auch noch nicht in Europa“.

Grundsätzlich können öffentliche Auftritte von Harris, wenn sie nicht vorgeschrieben und vom Teleprompter abgelesen sind, schnell ähnlich wirr enden wie jene von Biden. Schnell ist sie dabei in der Wiederholung völlig nichtssagender Phrasen gefangen, die z.B. so klingen können: „Wir sprechen über die Bedeutung des Vergehens der Zeit. Nicht wahr? Die Bedeutung des Vergehens der Zeit. Wenn man also darüber nachdenkt, steckt in dem Vergehen der Zeit große Bedeutung.“

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Ähnliche Auftritte finden sich unzählige Male im Netz. Aber wenn sie nur durchgeplante Wahlkampfauftritte, keine Spontan-Termine oder gar Interviews meistern muss, wird es deutlich einfacher, diese Probleme zu verdecken. Man braucht nur Joe Biden fragen, der fest im Rennen um die Präsidentschaft stand, bis er in einer Debatte auf spontane Fragen antworten musste. All das blieb Harris aber bisher erspart – und genau darauf scheint sie weiterhin zu setzen.

Denn so viele Nachteile ein später Kandidatenwechsel auch haben mag, einen Vorteil hat sie: Es gibt kein ganzes Jahr lang, in dem man sich in Interviews, Debatten und Co. blamieren kann. Bis zur Wahl sind es inzwischen weniger als 100 Tage. Schafft sie diese Zeit den – egal wie künstlich angefachten – medialen Hype aufrechtzuerhalten, dann hat sie eine realistische Chance diese Wahl zu gewinnen. Auf 10-11 Monate hin wäre das deutlich schwieriger.

Ihre politischen Positionen, die bei ihrer gescheiterten Präsidentschaftskampagne 2020 noch ein ordentlicher Ballast gewesen wären, will sie jetzt am liebsten erst gar nicht richtig offenbaren. Offizielle Positionen zu politischen Themen sucht man auf ihrer Website vergeblich: Man kann nur ihre Biografie lesen, spenden oder mitmachen. Programm? Fehlanzeige. Für Deutschland undenkbar, aber in den USA nicht immer unüblich, zumindest für lokale Kandidaten. Präsidentschaftskandidaten haben das normalerweise schon, aber Harris sieht offenbar keinen Druck, so etwas nachzuholen. Sie zielt ganz auf ein Gefühl ab, nämlich: „Nicht Trump, nicht Biden“ – und was sie selbst vorhat, darüber spricht man am besten gar nicht erst.

So hat sie sich damit auf einmal einen Weg ins Weiße Haus eröffnet. Geholfen hat dabei auch, dass Trump mitunter von seinem in diesem Jahr für seine Verhältnisse oft disziplinierten Wahlkampfstil abgewichen ist. Bei einem Auftritt in Georgia, einem entscheidenden Swing State, den er gewinnen muss, um die Präsidentschaft zurückzuholen, attackierte er etwa den populären Gouverneur des Staates, Brian Kemp – einen Parteifreund. Mit Kemp liegt Trump seit 2020 im Clinch, einerseits weil der Trumps ganz ursprüngliche Lockdown-Forderung nicht 1:1 übernehmen wollte und andererseits weil er sich weigerte, die Zertifizierung von Biden-Wahlmännern in dem Bundesstaat zu verhindern.

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Das hat Trump ihm bis heute nicht vergeben. Er schickte vor einigen Jahren gar den Ex-Senator David Perdue ins Rennen um das Gouverneursamt in der Hoffnung, Kemp so loszuwerden – der besiegte seinen innerparteilichen Herausforderer stattdessen haushoch. Seitdem müsste man eigentlich denken, dass die Sache erledigt ist, zumal Kemp keineswegs nachtragend war, sondern ebenfalls Trumps diesjährige Wahlkampagne als republikanischer Präsidentschaftskandidat unterstützt.

Die Umfragen sehen bei weitem noch nicht einen Harris-Sieg – im Gegenteil: Meist ist Trump noch knapp vorne. Aber klar ist, die mediale Jubelstimmung um sie hat geholfen, das Rennen deutlich enger zu machen. Vor allem auch, um von Biden und seinen Aussetzern verstimmte Demokraten hinter ihr zu versammeln.

Offensichtlich wird das etwa am Beispiel Robert F. Kennedy Jr., dem Dritten im Rennen. Holte der in Umfragen vor einigen Monaten mitunter an die 15 Prozent, was eines der stärksten Ergebnisse für einen Kandidaten abseits der beiden großen Parteien gewesen wäre, so liegt er jetzt oft bei um die 4-5 Prozent. Seine Kampagne ist also praktisch kollabiert. Viele der Biden-skeptischen Demokraten sind zurück zu ihrer Partei gekommen. All das hilft – gerade in den entscheidenden Swing States, wo jede Stimme die Wahl verändern kann.

Wichtig im Hinterkopf zu behalten ist aber auch: Umfragen sind längst nicht alles. 2020 lag Joe Biden fast den gesamten Wahlkampf komfortabel vor Trump, nur um dann am Wahltag von einer roten Gegenwelle überrascht zu werden, sodass Biden am Ende nur mit gut 40.000 Stimmen Vorsprung die Wahl gewann – das damals knappste Ergebnis seit 20 Jahren.

Umgekehrt gab es das Phänomen aber auch: Viele US-Konservative gingen dank bester Umfragen in den Zwischenwahlen 2022 von einem Triumph ihrer Partei aus, die Senatsmehrheit und ein Erdrutschsieg im Repräsentantenhaus war in greifbarer Nähe. Stattdessen blieb der Senat in der Hand der Demokraten und das Repräsentantenhaus wechselte nur mit einer hauchdünnen Mehrheit an die Republikaner, die so interne Kämpfe wie die Absetzung des zunächst gewählten republikanischen Repräsentantenhaus-Sprechers Kevin McCarthy begünstigten.

Es gilt also: Vertraue keiner Umfrage. Dass die aktuell ein engeres Rennen zwischen Harris und Trump zeigen, mag letzterem sogar helfen – so sehen sich seine Anhänger womöglich nicht so siegessicher wie 2022 und erscheinen in größeren Zahlen an der Wahlurne.

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