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Risiko-Absenkung

Jetzt will Lauterbach die Schuld auf den Expertenrat schieben – und spielt sich in die Ecke

Lauterbach und Wieler einigten sich im Februar 2022 darauf, die Risikoeinschätzung von Corona von sehr hoch auf hoch zu senken. Wenige Tage nach der Einigung nahm Lauterbach sein Einverständnis für die Risikosenkung zurück. Jetzt begründet Lauterbach sein Veto mit dem Expertenrat, doch dieser hat sich zu der Risikoeinschätzung nicht geäußert.

Wieler wollte das Risiko von Corona von sehr hoch auf hoch senken und einigte sich darauf mit seinem Chef Lauterbach. Diese legte kurz darauf überraschend sein Veto ein.

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Am 18. Februar 2022 einigten sich Gesundheitsminister Lauterbach und RKI-Präsident Wieler auf eine Absenkung der Risikoeinschätzung durch Corona von sehr hoch auf hoch. Die Verkündung war für den 25. Februar geplant. Es wäre ein Zeichen gewesen, dass die Pandemie auf dem Weg zur Endemie ist. Wenige Tage später änderte Lauterbach überraschend seine Meinung. Das RKI durfte die Risikobewertung nicht senken und sie blieb weiter bei sehr hoch. Lauterbach begründete dies damit, dass „Experten aus dem Expertenrat vor BA.2 gewarnt“ hätten, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet.

In dem fraglichen Zeitraum gab es nur eine Sitzung des Corona-Expertenrats der Bundesregierung. Am 22. Februar tagte das Gremium, vier Tage nachdem Lauterbach und Wieler sich auf eine Herabstufung des Risikos einigten. Unter den 19 Teilnehmern waren unter anderem Christian Drosten, Alena Buyx und RKI-Präsident Lothar Wieler selbst. Brisant: Lauterbach war nicht dabei, obwohl er das Recht hatte, als Gast an der Sitzung teilzunehmen. Stattdessen war für das Gesundheitsministerium Staatssekretärin Draheim als Gast anwesend.

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Aus den Protokollen geht hervor, dass man sich zwar mit der neuen Variante BA.2, die zum damaligen Zeitpunkt dabei war, die Variante BA.1 abzulösen, befasste, ein größeres Risiko in ihr als bei der Vorgängervariante BA.1 aber nicht sah. Die Datenlage zu der neuen Variante war zu dem Zeitpunkt laut Protokoll „dünn“. Eine Tierstudie deutete an, dass das Lungengewebe der Tiere stärker belastet sein soll als bei der Variante BA.1. Gleichzeitig wird in dem Protokoll darauf hingewiesen, dass dies nicht automatisch bedeutet, dass es eine höhere Krankheitslast durch die Variante gibt.

Am 2. März wurde im Expertenrat besprochen, dass die Ergebnisse aus den Tierstudien sich nicht bestätigt hätten. „Insgesamt sei davon auszugehen, dass BA.1 und BA.2 ungefähr die gleiche Pathogenität aufweisen“, heißt es in den Protokollen. In dieser Sitzung war Lauterbach als Gast anwesend. Spätestens da hätte er Wieler die Freigabe geben können, die Risikoeinschätzung zu senken. Doch er tat es nicht. Erst im Mai wurde dann die Risikoeinschätzung vom RKI beziehungsweise, wie es wahrscheinlich korrekt lauten müsste, vom Gesundheitsministerium von sehr hoch auf hoch gesenkt.

BA.2 ist zudem am 18. November das erste Mal sequenziert worden. In der zweiten Januarwoche 2022 hatte BA.2 in unserem Nachbarland Dänemark bereits einen Anteil von 45 Prozent unter den Coronainfektionen. In Deutschland erreichte die Mutation erst in der 8. Kalenderwoche 2022 einen Anteil von 50 Prozent unter den Neuinfektionen. Dennoch hätte zum Zeitpunkt der Absprache zwischen Wieler und Lauterbach im Februar klar sein müssen, dass BA.2 die vorherrschende Variante in Deutschland wird.

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Der Welt-Journalist Tim Röhn schrieb auf X, dass er mit mehreren Mitgliedern des Expertenrats gesprochen hat und sich keiner daran erinnern konnte, dass der Corona-Expertenrat Lauterbach dazu geraten hat, das Risiko von Corona nicht herabzustufen.

https://twitter.com/Tim_Roehn/status/1862436871852130493

Belastend für Lauterbach kommt hinzu, dass er politisch von der Beibehaltung der Risikoeinschätzung profitiert hat. Eine Änderung der Risikoeinschätzung von sehr hoch auf hoch hätte die von Lauterbach damals geplante Einführung einer allgemeinen Impfpflicht stark gefährdet. Es wäre insbesondere den Ungeimpften schwer zu erklären gewesen, warum man sie zu einer Impfung zwingen will, obwohl das Risiko durch die Krankheit abnimmt. Auch Gerichte, die sich zumeist auf das RKI berufen haben, hätten eine mögliche Impfpflicht aufgrund der Absenkung des Risikos kippen können.

Lauterbach kommt aufgrund der immer wieder neuen Enthüllungen zu seinem Wirken in der Coronazeit stark in Bedrängnis. Es ist deswegen durchaus fraglich, ob Lauterbach in einer neuen Bundesregierung mit SPD-Beteiligung seinen Platz als Gesundheitsminister halten wird oder seine Ministerkarriere im Frühling 2025 beendet wird. Mit Hendrik Streeck tritt für die CDU zur Bundestagswahl ein Kritiker der Coronapolitik von Lauterbach an, dem Ambitionen für den Gesundheitsministerposten nachgesagt werden.

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