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Hausdurchsuchung – Aber was ziehe ich an? 

Süß und bitter, wach und benebelt - diese neue wöchentliche Kolumne von Elisa David ist ein Espresso Martini in Times New Roman. Denn wer will seinen Sonntag schon mit einem einfachen Espresso starten - oder schlechter Lektüre?

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Ich kann mich ehrlich gesagt nicht mehr erinnern, wann, aber irgendwann hatten wir als Gesellschaft mal ein grundlegendes Verständnis dafür, was man darf und was nicht. Man konnte sich irgendwie sicher sein, dass man sich nicht aus Versehen potenziell strafbar machte, wenn man sich einfach vernünftig und zivilisiert verhielt. Inzwischen ist das etwas anders. Man denkt, die Majestätsbeleidigung wäre abgeschafft und regt sich in irgendeiner Kommentarspalte auf Facebook auf – und zack! Schon hat man das Strafverfahren mit anhängigem Zivilverfahren am Hals. 

Plötzlich muss man sich fragen, ob einem Querstreifen und Zahlen auf der Brust eigentlich wirklich so gut stehen oder nicht doch auftragen und wo man das Geld für die Tagessätze auftreiben soll – dabei hat man doch einfach nur einen Idioten als Idioten bezeichnet. Und das ist ja nur für den Fall, dass das Ganze vor Gericht landet und man tatsächlich verurteilt wird. Aber es reicht ein Mausklick für eine Anzeige über eines dieser schicken neuen Meldeportale, dann muss ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. Dann reicht ein seltsamer, fragwürdiger Durchsuchungsbeschluss, bei dem die Überschrift nicht zur Begründung passt, und schon hat man morgens um 6 Uhr die Polizei vor der Tür. 

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Wenn man die Klappe nicht halten kann, muss man heutzutage jederzeit mit einer Hausdurchsuchung rechnen. Denn wenn ein Meme und „Schwachkopf“ schon eine strafbare Beleidigung ist, kann es wirklich jeden treffen. Absolut jeden. Schauspieler und Regisseur Marcus Mittermeier hat am Freitag in Reaktion auf Schwachkopf-Gate auf X erklärt: „Beleidigungen im Netz sollten übrigens von allen angezeigt werden. Das ist ein wirksames Mittel gegen Hate.“ Drei Stunden später antwortete ihm Phillip Karrenstein von der FDP mit vier Screenshots von Mittermeier-Tweets, in denen er andere als dumm bezeichnete. Bei Baerbock hat die Bezeichnung als „dümmste Außenministerin der Welt“ 6.000 Euro Strafe eingebracht. Mittermeier kann ja schon mal schauen, ob er sein Verfahren mit einem Auftritt beim Dschungelcamp finanzieren will. 

Bei aller Schadenfreude, diese Erkenntnis ist trotzdem beängstigend. Das letzte Mal bin ich mit der Polizei in Verbindung gekommen, als ich bei einer Routinealkoholkontrolle auf dem Rücksitz gesessen habe. Eine Hausdurchsuchung würde mich zerstören! Mein Bett ist morgens um 6 Uhr nie schon gemacht, ganz zu schweigen von den Kuscheltieren, die niemals eine Menschenseele zu Gesicht bekommen sollte. Ich kann hier niemanden reinlassen. Was ist, wenn sie mir mein Handy wegnehmen und ich dann meinen Tamagotchi nicht mehr füttern kann? Bleiben die Polizisten nach der Hausdurchsuchung eigentlich noch zum Frühstück oder ist das mehr so eine „Zigarette danach“-Situation? Und was zieht man da überhaupt an? 

Das ist eine elementare Frage, immerhin können bei Hausdurchsuchungen immer auch zufällig ganze Kamerateams dabei sein, denen niemand etwas zugesteckt haben will. Mit Presse muss man bei Hausdurchsuchungen immer rechnen. Ich habe mir aus einer Laune heraus mal einen Morgenmantel mit Federn an den Ärmeln gekauft, für den Fall, dass mein uralter steinreicher Ehemann aus mysteriösen Gründen an Blausäure stirbt, aber ich hatte mir immer vorgestellt, dass die nachmittags kommen und ich bis dahin genug Zeit habe, mir die Haare zu legen und wasserlöslichen Mascara aufzutragen, damit meine Tränen glaubhafter rüberkommen. Ich würde dann die Tür zur Villa mit einem Cocktail-Glas öffnen, während der Gärtner über die Hintertür entkommt und den Polizisten einen Gin anbieten, den sie natürlich ablehnen würden. Aber das alles passt nicht zu Äußerungsdelikten und um 6 Uhr morgens sind weder meine Haare gelegt noch meine Wimpern getuscht. 

Es wird also auf einen rosa Plüschbademantel und passende Häschenpuschen, ungekämmtes Haar und notdürftig unter das Bett geschobene Teddybären hinauslaufen. Ist es eigentlich unhöflich, seinen Anwalt morgens um 6 anzurufen, kostet das extra? Ich muss herausfinden, wie man Nummern in der Kurzwahlliste speichert. Es ist aber auch wirklich unfair. Wenn man nichts Gemeines über Politiker sagen darf, sollten sie da nicht so viele Leute mit so viel Angriffsfläche hinsetzen. Ist es eigentlich ein Problem, wenn die Polizei in meinem Badezimmer Schwarzkopf-Haarspray findet, ist das nicht fast schon ein Schuldeingeständnis? Um Gottes willen, und dann ist da ja noch die Müller-Erdbeermilch in meinem Kühlschrank. Ich glaube, ich miste jetzt erstmal meine Wohnung aus. Und dann suche ich mir einen Anwalt.

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