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Enissa Amani, Sawsan Chebli und das Barbie-Syndrom

Süß und bitter, wach und benebelt - diese neue wöchentliche Kolumne von Elisa David ist ein Espresso Martini in Times New Roman. Denn wer will seinen Sonntag schon mit einem einfachen Espresso starten - oder schlechter Lektüre?

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Große braune Rehaugen, lange schwarze Wimpern, langes dunkles Haar, Stupsnase, Sommersprossen. Disney hätte Enissa Amani nicht besser erfinden können. Alle lieben sie – der linke Feuilleton-Journalismus, die deutschen Talkshows, die Vogue, Netflix, die UN. Es gibt sogar eine Barbie-Puppe von ihr, zu Ehren ihres Einsatzes für die Menschenrechte.

Sie ist Komikerin, Schönheitskönigin, Menschenrechtsaktivistin, Influencerin. Sie hat im Minirock vor der UN gesprochen und im Spitzenkleidchen in der Harvard Business School. Für sehr viele ist sie der Beweis, dass es sie wirklich gibt, Frauen, die alles haben – Schönheit und Intelligenz.

Das glaubt aber nicht jeder. Manche sind nicht begeistert von ihrer quäkenden Stimme oder ihrer Angewohnheit, Israel zu denunzieren, auch wenn es ihr doch angeblich nur um die Kinder in Gaza geht. Die können sie aber nicht aufhalten. „Und die Menschen, die sagen ich wäre eine ‚unerzogene junge Göre‘ Erstmals danke für das ‚jung‘. That’s all. Ihr seid nicht mein Maßatab“, schrieb sie kürzlich auf Instagram.

Rechtschreibung, Grammatik und Kommasetzung sind nicht ihr Ding. Das hat Methode. Keiner ihrer Posts liest sich so, als hätte sie sie vor der Veröffentlichung noch einmal gelesen. Braucht sie auch nicht, denn das Deutsch einer Frau mit Migrationshintergrund in einer politischen Debatte zu kritisieren, wäre rassistisch.

In Debatten wartet sie nicht, bis sie dran ist. Sie schreit einfach dazwischen. Sie achtet weder auf Höflichkeit noch auf ihre Sprechlautstärke. Sie denkt auch nicht nach, bevor sie etwas sagt. Auch das hat Methode. Sie sieht das als Zeichen ihrer Stärke an. Die taz schrieb einmal über sie: „Wenn sie einen Satz zu Ende sprechen möchte, dann greift Enissa Amani gern nach der Schulter, dem Arm, der Hand ihres Gegenübers. Enissa Amani möchte oft einen Satz zu Ende sprechen. Dazu lächelt sie umwerfend.“

Sie ist international unterwegs, hat es geschafft, in die großen politischen Räume zu gelangen. Zum internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen war sie Botschafterin der UN Women Deutschland. Auf Dresscodes achtet sie bei so etwas nicht. Cosmopolitan schrieb dazu unter dem Titel „Die Revanche des Minirocks“: „Enissa Amani ist eine der erfolgreichsten Stand-up-Künstlerinnen Deutschlands und politische Aktivistin. Mit Mode beschäftigt sie sich genauso wie mit Marx. Wenn sie die Vereinten Nationen mit Mini besucht… so what?“

Ja, so what. Isoliert betrachtet, macht sie das alles immer sympathisch oder rebellisch und alle sind ganz dolle beeindruckt von ihr. Aber wenn man mal alle Gebiete durchgeht, auf denen sie im Namen ihrer Individualität Abstriche macht, bleibt da nicht viel übrig. Sie will am politischen Diskurs teilnehmen, aber sie will keine Gegenargumente hören. Sie will kompromisslose Powerfrau sein, aber sie hält es nicht aus, wenn man sie nicht mag.

Kritiker sind Sexisten – das ist ja klar

Amani hält sich auf keinem einzigen Gebiet an Regeln, weil sie nicht glaubt, dass sie für sie gelten. Sie ist etwas ganz Besonderes. Die Auserwählte.

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Diese Woche ist Enissa Amani in den Fokus der nationalen Debatte gelangt, weil sie am Montag einen Auftritt bei Hart aber Fair hatte. Sie reproduzierte zahllose Propagandasprüche gegen Israel und fiel ihren Kontrahenten in einer unglaublich nervtötenden Weise ins Wort. Kein Wort konnte zu Ende gesprochen werden, sie kreischte immer schneller durch den Raum – mit allen Parolen, die die anti-israelische Szene zu bieten hat.

Sie will ja eigentlich über allem stehen. Doch diese Sendung ist nun schon fast eine Woche her und sie hetzt immer noch gegen die einzigen beiden Gäste aus der Talkshow – Julia Klöckner von der CDU und Philipp Peyman Engel von der Jüdischen Allgemeinen – die ihr in der Diskussion widersprochen haben. Ihre Followerschaft ist schon ganz angefixt und würde am liebsten mit Fackeln und Mistgabeln vor ihren Toren stehen.

Engel hatte ihr vorgeworfen, dass sie sich aufführt wie seine Kinder. Amani ernannte ihn deshalb zum Sexisten. Sowas macht sie gerne – Menschen zerstören und zu Feindbildern erklären, wenn sie sie kritisieren. Die Kolumnistin Anja Rützel hat es mal vor einiger Zeit gewagt, Amani in ihrer Spiegel-Kolumne als nicht lustig zu bezeichnen. Amani hetzte ihre Followerschaft auf sie, diffamierte sie als „Rassistin“.

Ich würde ja sagen, dass mir das nicht passieren kann, weil Apollo News nicht der Spiegel ist. Bei so etwas macht Amani aber keinen Unterschied. Zu ihrem Hart aber Fair-Auftritt kritisierte sie ein User auf Instagram per Direktnachricht: „Sind Sie immer derart unverschämt in Diskussionskreisen??“

Sie antwortete: „Zu einer Poc Frau die inhaltlich einwandfreie Argumentation bezüglich Menschenrecht hervorgebracht hat, ihre Heimat nie wieder sehen kann weil sie konsequent für Menschenrechte steht, zu sagen ‚Unverschämt‘ NUR auf Grund der Emotionalität, ohne das eine Beleidigung meinerseits gefallen ist, ist eine Dreistigkeit und Ignoranz, welches nur alte weisse cis Männer hervorbringen könne. Nehme an du musst die hälfte davon googeln Roger.“ Ihr Selbstverständnis bringt sie damit sehr gut auf den Punkt.

Das Ganze postete sie auf Instagram. Warum antwortet sie darauf? Irgendein Roger auf Instagram findet mich unverschämt? Während ich 1,2 Millionen Follower auf Instagram habe und er 66? Da gehe ich doch nach Karl Lagerfeld: „Die ignoriere ich nicht mal.“ Aber sie schenkt ihm ihre Zeit, ihre Wut, ihre Energie. Weil er es einfach nur gewagt hat, sie „unverschämt“ zu nennen. Warum lässt sie sich ihre Verletzlichkeit so anmerken?

Ganz einfach: Weil das die ganze Masche ist. Sie könnte eine Löwin sein, die an einem kläffenden Chihuahua einfach vorbeiläuft. Und so gerne sie auch als Löwin bezeichnet werden will, so unlieb ist es ihr doch, sich die Pfötchen schmutzig zu machen. Das Ganze funktioniert gut – alleine in der deutschen Polit-Szene sogar gleich doppelt: Die SPD-Politikerin Sawsan Chebli macht es etwa ganz genauso.

Sie ist national bekannte Politikerin, obwohl sie kaum wirklich ein eigenes Mandat mit eigener Verantwortung errang, sondern immer nur anderen zugearbeitet hat. Ob nun als wissenschaftliche Mitarbeiterin, Grundsatzreferentin oder stellvertretende Pressesprecherin. Als vor vier Jahren in einem Nebensatz in der Heftausgabe von Tichys Einblick ein Witz über ihren G-Punkt abgedruckt wurde, reagierte sie nicht stark, mit einem scharfen Konter. Sie ließ sich 10.000 Euro Schmerzensgeld erstreiten und von alten weißen Männern verteidigen.

Welcher erwachsene Mensch entkommt schon Kritik?

Jetzt, wo sie täglich politische Statements postet, die sehr viel verwerflicher sind als ein „frauenfeindlicher“ Witz, gibt es niemanden, der sie zur Verantwortung zieht. Für sie gelten nicht die gleichen Standards wie für alle anderen. Mal stilisiert sie sich selbst zum Opfer des 7. Oktobers oder teilt Holocaust-Verharmlosung, verbreitet groteske antiisraelische Fake News oder teilt Behauptungen über einen Genozid an der palästinensischen Bevölkerung.

Sowohl Amani als auch Chebli lassen immer andere ihre Kriege für sich kämpfen. Sie brauchen nur irgendeinen Namen auf ihren Plattformen zu posten, ihn zum Abschuss freizugeben, und schon laufen alle los und kämpfen für ihre Prinzessin. So hat Amani das mit Anja Rützel gemacht, so hat Chebli das mit Roland Tichy gemacht.

Sawsan und Enissa sind beide berühmt, erfolgreich und beliebt. Doch die Welt, in der sie leben, ist so unglaublich oberflächlich, dass man auf gar keinen Fall mit ihnen tauschen will. Amani ist nicht wirklich lustig, Chebli ist nicht wirklich schlagfertig. Kein Satz, der den beiden jemals über die roten Lippen gegangen ist, war jemals originell.

Die Menschen um sie herum glauben, sie würden sie bewundern. Doch eigentlich behandelt sie jeder wie kleine Mädchen. Sie sind Kritik nicht gewohnt. Ihre Familie, Freunde und Fans würden sie niemals kritisieren. Jeder, der es wagt, ist nicht ihr Freund. Welcher erwachsene Mensch entkommt schon Kritik? Keiner. Außer die, von denen nicht mehr erwartet wird.

Es muss unglaublich anstrengend sein, Enissa Amani zu sein. Es ist tragisch. Sie leben in dieser Echokammer aus überschwänglichem Lob und entwickeln sich nicht weiter – weil doch im Ernst niemand glaubt, dass mehr als oberflächliche Sätze in ihnen stecken. Als jung aussehende, hübsche Frauen, die sich für Politik interessieren, sind sie doch jetzt schon geflügelte Einhörner. Ihre Argumente werden nicht besser, ihre Witze nicht lustiger. Die komplette Abschirmung von Kritik hält sie klein und flach. Doch unter dem Sexismus-Vorwurf als Damoklesschwert wird das nicht mehr gesagt – Kritik unerwünscht und alle tun so, als wären Debattenbeiträge wie der bei Hart aber Hair völlig normal. Als sei es okay, in einer Talkshow seine Kontrahenten niederzubrüllen, nur weil es eine Frau mit Migrationshintergrund macht.

Sie sind die post-koloniale Barbie für eine Szene, die Politik ohne Inhalte liebt – sie sind Deko, die überraschender Weise Karl Marx kennt. Doch Kritik ist keine erlaubt an den toughen, starken Frauen.

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