Die Eiseskälte der Jura-Bürokraten und das Verbot von schlechtem Geschmack
Süß und bitter, wach und benebelt - diese neue wöchentliche Kolumne von Elisa David ist ein Espresso Martini in Times New Roman. Denn wer will seinen Sonntag schon mit einem einfachen Espresso starten - oder schlechter Lektüre?

„T und S gehen in eine Bar.“ Sie erwarten da jetzt vielleicht einen schlechten Buchstabenwitz, wer durch das Jura-Studium gegangen ist oder sich wie ich noch durchschleppt, muss da wohl eher an einen Strafrechtsfall denken. Egal, wie der Sachverhalt weitergeht, als Erstes wird man den Hausfriedensbruch prüfen und nach zwei Sätzen als offensichtlich nicht einschlägig ablehnen müssen. Sonst wäre das Gutachten unvollständig, der Prüfer will sehen, dass man erkannt hat, dass T und S in einen Raum gegangen sind. „Anprüfen“, nennt man das bei uns.
Realismus ist das Erste, was man im Jura-Studium abgewöhnt, wenn nötig aus geprügelt bekommt. Spätestens ab dem dritten Semester nimmt man die Welt nicht mehr wirklich wahr. Beim Einkaufen zählt man die schuldrechtlichen und sachenrechtlichen Verträge mit – auch wenn man nur eine Banane kauft, sind das nämlich schon mehrere Verträge! – beim Spazieren denkt man über Baugenehmigungen nach, beim Krimi prüft man die Mordmerkmale durch. Alles hat Schemata, die man auswendig lernt und nur noch abrattert, das funktioniert alles automatisch.
Irgendwann in diesem ja doch relativ langen Studium, vergisst man, wofür man es mal begonnen hat – meist, um Anwalt oder Richter zu werden. Es fühlt sich alles wie ein Selbstzweck an. Das verbissene Festhalten am Prinzip für die Wissenschaft, nicht weil es im Ergebnis irgendeinen Unterschied macht, ist ein Loch, in das man irgendwann unweigerlich reinfällt und von dem aus man den Rest der Welt nicht mehr wahrnimmt. Für diese abgebrühte Ernsthaftigkeit der Rechtsanwendung gibt es natürlich eine Notwendigkeit.
Man nimmt ein komplexes, moralisches Dilemma aus der Wirklichkeit, kürzt die Namen der Beteiligten zu gesichtslosen Buchstaben ab und schreibt sie wie eine zweidimensionale Mathe-Textaufgabe auf einen Zettel. Die Rechtswissenschaft stellt den Versuch dar, Moral, Werte und Gerechtigkeit in objektive Formeln umzuwandeln, die man über diese Textaufgaben jagen kann und am Ende kommt dann hoffentlich eine gerechte Lösung raus.
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Irgendwann sieht man aber nur noch Textaufgaben und Formeln. Dann ist der Hausfriedensbruch für das Betreten eines Raumes das Einzige, das nicht strafbar ist. Man hat das Gefühl, irgendwie muss man zu einer Lösung kommen. Wenn die Frage lautet „Haben sich T und S strafbar gemacht?“, dann muss da auch irgendwas strafbar sein. Sonst wäre das Gutachten zu schnell vorbei, was gegen die Klausurtaktik verstößt und ins Hilfsgutachten zu gehen, fühlt sich falsch an.
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Das triggert das Jura-Studium-Gehirn und plötzlich findet man sich im Vorlesungssaal zur Klausur wieder. „Der Rentner R ist erzürnt über die Innenministerin Fancy Naeser F [solche Wortspielchen fallen übrigens unter den Begriff „Juristenhumor“]. Um seinem Ärger Luft zu machen, schreibt er auf der Social-Media-Plattform Y: ‚F ist eine schlechte Ministerin!` Hat sich R strafbar gemacht? Prüfen Sie, wenn nötig, im Hilfsgutachten. Bearbeiterhinweis: Paragraf 211 und 212 Strafgesetzbuch sind nicht zu prüfen.“
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Und dann geht die Prüfung los: Naja, also jemanden als schlechte Ministerin zu bezeichnen, ist ja schon ehrverletzend. Und theoretisch könnte es die F ja an sich zweifeln lassen, dass sie eine gute Ministerin ist, was wiederum dazu führen könnte, dass sie ihr Ministeramt niederlegt. Also eine Beleidigung ist da definitiv schon mal drin. Und die Qualifikation des Paragrafen 188 StGB ist auch erfüllt. Fertig, nächster X-Post.
Konfrontiert man einen Juristen mit einem Problem, sucht er nach Wegen, es zu lösen. Hinterfragen, ob es überhaupt wirklich ein Problem gibt, ist nicht im Prüfungsschema enthalten. Ähnlich laufen politische Debatten ab. Gespaltene politische Gesellschaft? Man könnte ja Hass und Hetze verbieten, wir können freie Meinungsäußerung ja so auslegen, dass das davon nicht mehr gedeckt ist. Klimawandel? Man könnte ja CO2 verbieten, das ist ja im Verhältnis zum Weltuntergang immer noch harmloser. Schlechtes Fernsehen? Man könnte ja Reality-Sendungen verbieten, die sollten nicht von der Rundfunkfreiheit gedeckt sein, weil sie nicht zur Meinungsbildung beitragen.
Man redet so unglaublich gerne von den „Müttern und Vätern des Grundgesetzes“ und was die angeblich alles gewollt haben und wie toll wir doch alle das Grundgesetz finden, – doch die freiheitliche Grundordnung haben sie nicht verstanden. Sie sehen das Recht als positive Ordnung an, in der nur erlaubt ist, was gesetzlich gewährt ist, und alles um eine Existenzberechtigung kämpfen muss. Wenn etwas für sie keinen Mehrwert hat, kann man es auch verbieten. Von der Meinungsfreiheit ist nur gedeckt, was richtig, qualitativ hochwertig und nicht geschmacklos ist. Wer durch dieses Raster fällt, wird zermalmt in den Mühlen der Prüfungsschemajustiz.
Ich kenne einige ältere Juristen, hatte auch beruflich mit mehreren zu tun. Für jene Generation trifft das oben beschriebene Verhalten eher nicht zu (Ausnahmen gibt es immer).
Es könnte sich also um ein Problem der Gegenwart handeln, die nicht nur im Jurastudium eine Akademiker-Generation hervor bringt, die nicht (mehr) in der Lage ist, kritisch zu denken, vorgegebene Dinge zu hinterfragen und alternative Lösungen zu entwickeln.
Kurz: die Querdenkerei, die bis vor wenigen Jahren noch überall Türen öffnete, weil es sich dabei um Menschen mit gesundem Menschenverstand und Kreativität handelte, ist unerwünscht.
Erwünscht sind dagegen stereotypes Nachbeten vorgegebener Definitionen, karriereorientierte Strategien, politische Korrektheit – die richtige Haltung eben.
So zieht man sich eine folgsame, aber leider nicht selbst denkende Schicht von Hochschulabsolventen heran, die hervorragend ins System passen. Mehr wird nicht erwartet und auch nicht gewünscht.
Staatsanwälte sind weisungsgebunden und Verfassungsrichter werden nach Proporz des Parteibuchs eingesetzt und alle sind Beamte. Diese Kaste diente und dient jedem politischen System in Deutschland. Ob diese Leute es nachträglich juristisch so gedrechselt haben, das die Grenzöffnung durch Merkel legitimert wurde oder die Griechenlandrettung, No bail out oder die Einrichtung von NGO Meldestellen, finanziert vom Steuerzahler über die Systemparteien zwecks Abschaffung der Meinungsfreiheit, immerhin ein Artikel im GG, ist egal. Es wird alles legitimiert, was das Regime will!
Als völliger Laie: Sehr glaubhaft und witzig überlegt und geschrieben. Und mit den zu erwartenden Kommentaren aus der Juristen-Welt wird es noch zu einem highlight.
Und wenn sie wirtschaftliche Verträge schluderig und falsch aufsetzen, ist der Auftraggeber auch noch selbst schuld – schließlich hätte sie der Nicht-Jurist ja prüfen können. Was ich bei Anwälten und Notaren schon erlebt hab, geht auf keine Kuhhaut. Über diesen „erhabenen“ Berufsstand könnte wohl jeder ein Buch schreiben.
Neue Perspektive(n). Nice.
Sehr spaßig und auch nicht ganz falsch. Aber auch nicht ganz richtig: Gute Juristen (zu denen in aller Bescheidenheit ich mich zähle) lassen die ganzen Schemata irgendwann hinter sich und fangen an, vernünftig zu arbeiten. Das Problem ist, dass wegen der (im internationalen Vergleich) unterirdisch schlechten Besoldung fast nur noch schlechte Juristen im Staatsdienst landen. Das hat sogar schon das Bundesverfassungsgericht festgestellt!
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 – 2 BvL 4/18 -, dort ab Rdnr. 170.
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html
Irgendwie scheint das Ausschalten des Hirns bei Juristen seit Jahrhunderten anerzogen. Schon Ludwig Thoma beschrieb das in seiner Geschichte „Der Vertrag“: “ Der königliche Landgerichtsrat Alois Eschenberger war ein guter Jurist und auch sonst von mäßigem Verstande.
Er kümmerte sich nicht um das Wesen der Dinge, sondern ausschließlich darum, unter welchen rechtlichen Begriff dieselben zu subsummieren waren.“…..
Bei einigen Anklagen und Urteilen der Neuzeit sehe ich Eschenbergers allenthalben.
Beschämenderweise kann man sich solche Szenarien als Nichtjurist tatsächlich exakt so vorstellen.
Besonders die Textstelle mit den „Beraterhinweis“ das die 2 Paragraphen 211 und 212 nicht zu prüfen sind.
https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__211.html
https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__212.html
Denn was liest man in der Realität oft „Gutachten“ bescheinigt „Schuldunfähigkeit“
Kaum trifft es einen Personenkreis kommen dann die „guten“ ngo mit passenden Verbindungen zu Arzt XY und schnell sind paar Seiten Gutachten fürs Gericht fertig.
„Traumatisiert“ gilt dann nur für den Täter und die Opfer und Hinterbliebenen sind dann nur noch ein Zahl in der stetig wachsenden Statistik.
Aber man sieht auch man nimmt sich „leichte PR-trächtige“ Fälle gern an, wenn „Pseudoleiden“ der Politik verfolgt werden.
Wen wundert es noch wenn dies gelehrt und dann in der Praxis nun uns täglich beschert?
Dadurch, dass die Schemata nicht vorgegeben sind, sondern selbst erarbeitet werden müssen, lernt man letztlich nur auswendig, was der eigene Erkenntnisstand ist.
Unser Rechtssystem ist zudem hierarchisch, d.h. ein übergeordnetes Gericht kann ein Urteil einkassieren. Daher wurden oben die Richter ausgetauscht in linke Sympathisanten.
Staatsanwälte sind, wie der Name schon sagt, weisungsgebunden, wenn ich mich sehr irre. Aber dass Richter sich immer mehr vor den Karren einer selbstzerstörerischen politischen Agenda spannen lassen und Deutschland so zu einer immer gegenmeinungsfreieren Zone machen, ist so dramatisch, dass auch dieser launige Text darüber nicht hinwegzutrösten vermag.
Es wird Zeit, das Vance sich wieder mal äußert, politische Urteile und und das ad absurdum Führen demokratischer Grundsätze wie der Chancengleichheit der Parteien nehmen groteske Züge an.
Der Ami muss uns und Europa wieder mal retten, vor uns selbst.
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(jouwatch)
Wieder eine gelungenen Kolumne und als Vater einer Tochter -Juristin sehr realistisch!!!!!! (Wenn ich noch an ihr Studium denke….)
Danke sehr.
Klingt für mich eher nach einem Versuch, den künftigen Rechtsgelehrten weg von einer subjektiven Betrachtungsweise, hin zu mehr Objektivität zu führen.
„T und S gehen in eine Bar.“
„Tom und Sahra gehen in eine Bar.“
„Tahsin und Samet gehen in eine Bar.“
Ist doch egal, oder?