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Wirtschaftspolitik

Chefökonomin der Europäischen Bank für Wiederaufbau: Industriepolitik bedeutet „Verlierer gehen zu lassen“

Die Chefökonomin der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung sagt, dass Subventionen den Stand einer Volkswirtschaft nicht „einfrieren" dürften. Es sei wichtig, dass die „Klimatransformation“ der Wirtschaft nicht behindert werde.

Die Bank sollte ursprünglich postsowjetische Staaten in Europa fördern und fördert mittlerweile weltweit Projekte.

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Beata Javorcik, die Chefökonomin bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), kritisiert in einem Interview mit Euractiv die energieintensiven Branchen. Während weltweit die Industriepolitik auf dem Vormarsch sei, sei die Bilanz dieser Maßnahmen „insgesamt gemischt“. Über die Industriepolitik sagt sie: „Die Menschen neigen dazu, Industriepolitik als eine Art ‚Auswahl der Gewinner‘ zu betrachten, aber eigentlich ist es genauso wichtig, die Verlierer gehen zu lassen.“ Auch wenn sie es nicht direkt erwähnte, wäre einer dieser Verlierer zum Beispiel ThyssenKrupp. In der Stahlsparte sollen bis 2030 11.000 Arbeitsplätze wegfallen (Apollo News berichtete).

Javorcik erkennt an, dass die energieintensiven Branchen in Europa unter hohen Energiekosten leiden. Dennoch warnte sie vor Subventionen für diese Wirtschaftszweige, weil diese die industrielle Struktur von Volkswirtschaften „einfrieren“ würden. „Das ist das Letzte, was man angesichts unserer Ambitionen für Klimatransformation tun möchte.“ Solche Transformationsprozesse können „nicht schmerzfrei sein”. Allerdings könnten Regierungen “Maßnahmen” ergreifen, „die den Schmerz lindern.“

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Subventionen an angeschlagene Branchen sieht sie kritisch: „Wenn man die Schleusen öffnet und anfängt, Geld zu verteilen, werden angeschlagene Branchen kommen und um Subventionen bitten“. Dennoch sagt Beata Javorcik in dem Interview mit Euractivauch, dass es seit der Covid-19-Pandemie eine „wachsende Begeisterung für staatliches Eingreifen“ bei den Menschen gebe. Während der Corona-Pandemie waren Subventionsregeln in der EU ausgesetzt. Laut der Chefökonomin seien auch junge Menschen zunehmend begeistert für eine Industriepolitik. „Die Industriepolitik hat ein Revival erlebt“, sagt Javorcik, “und Wähler sehen sie immer positiver.“

Allerdings würden 80 bis 90 Prozent der Industriepolitiken „ausländische Interessen diskriminieren“, weil heimische Produzenten bevorzugt werden, heißt es in dem Bericht „Transition Report 2024/25” der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, der am Dienstag erscheint. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung wurde ursprünglich gegründet, um die osteuropäischen Staaten nach dem Zerfall der Sowjetunion bei der wirtschaftlichen Transformation zu unterstützen. Mittlerweile unterstützt die Bank Projekte in 40 Ländern weltweit, darunter im Libanon, Marokko oder Tadschikistan. Projekte im Privatsektor werden ab einer Größenordnung von fünf Millionen Euro gefördert.

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