Noch nie lag die AfD in einer Umfrage auf Bundes- oder Landesebene bei 39 Prozent – bis jetzt. Nicht einmal bei der Bundestagswahl im Februar, als die Partei historisch stark abschnitt, in Thüringen sogar auf 38,6 Prozent kam, konnte sie diesen Wert in den ostdeutschen Bundesländern erreichen. Ein Jahr vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt kommt die AfD laut Infratest dimap nun auf 39 Prozent – und das könnte erhebliche Auswirkungen auf das Machtgefüge in dem ostdeutschen Bundesland haben.

Dieses Umfrageergebnis zeigt zwei Dinge: Die AfD ist nicht mehr weit von einer parlamentarischen Mehrheit entfernt. Und: Eine mehrheitsfähige Koalition ohne die AfD erscheint nur noch möglich, wenn die CDU ihren Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linkspartei bricht – und auch dann würde es nur knapp reichen. Die AfD würde der Umfrage zufolge auf 41 Mandate im 97 Sitze umfassenden Landtag kommen. Die CDU, mit ihren 27 Prozent, käme auf 29 Sitze, die Linkspartei, mit 13 Prozent, auf 14 Sitze, SPD und BSW würden mit sieben und sechs Prozent ebenso viele Sitze wie ihr Ergebnis erhalten.

Das heißt aber auch, dass die Mehrheit von 49 Sitzen nur durch eine Dreierkoalition aus CDU, SPD und Linke (50 Sitze) oder CDU, Linke und BSW (49 Sitze) möglich wäre – gegen die Linkspartei besteht seitens der Christdemokraten jedoch ein Unvereinbarkeitsbeschluss. Die Brandmauer verhindert momentan außerdem, dass CDU und AfD mit 70 Sitzen eine Koalition bilden könnten. Möglich wären noch Minderheitsregierungen aus CDU und SPD oder einer alleinigen Regierung durch die AfD – Letzteres gilt allerdings als unwahrscheinlich.

Kaum Regierungsoptionen in Sachsen-Anhalt

Eine Minderheitsregierung aus CDU und SPD wäre mit 36 Sitzen auch maximal schlecht aufgestellt, könnte schon alleine von der AfD überstimmt werden. Noch dazu kommt: Die CDU hat in der neuen Umfrage im Vergleich zu einer Erhebung von Insa aus Juni sieben Prozentpunkte verloren, was auch an dem Rückzug von Ministerpräsident Reiner Haseloff liegen könnte. Auch die SPD verliert immer weiter an Boden oder stagniert zumindest. Bei der Landtagswahl 2021 kam sie auf 8,4 Prozent, seit 2024 sehen Umfragen die Sozialdemokraten aber eher bei sieben Prozent.

Auch das BSW, das nach seiner Gründung im Januar 2024 zunächst einen raketenhaften Aufstieg erlebte, kommt nach Umfrageergebnissen von bis zu 16 Prozent Ende 2024 jetzt nur noch auf sechs Prozent, könnte sogar noch unter die Fünf-Prozent-Hürde fallen – und damit das Gesamtgefüge zugunsten der AfD noch einmal verschieben. Würde die Partei von Sahra Wagenknecht den Einzug in den Landtag im September 2026 verpassen und die AfD dafür beispielsweise auf 40 Prozent kommen, würde die Alternative für Deutschland schon 44 Sitze erlangen – fünf weniger, als für eine Mehrheit notwendig.

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Neben der AfD ist die Linke die einzige Partei, die derzeit dazugewinnen kann: Elf Prozent waren es bei Insa im Juni, 13 Prozent sind es jetzt. Weil aber der bereits angesprochene Unvereinbarkeitsbeschluss der Christdemokraten besteht, gilt eine Regierungsbeteiligung der SED-Nachfolgepartei eher als unwahrscheinlich.

Vielmehr lässt sich an der neuen Erhebung von Infratest dimap eine Entwicklung ableiten, die in den kommenden zwölf Monaten sogar einen Erdrutsch der AfD zur Folge haben könnte: Bleibt der Unvereinbarkeitsbeschluss gegen die Linkspartei bestehen, fällt die CDU weiter und verliert Stimmen an die AfD, könnte diese sogar die absolute Mehrheit im Landtag erlangen. Ein momentan eher unwahrscheinliches, aber bei Weitem nicht mehr ausgeschlossenes Szenario.

Der AfD winkt die absolute Mehrheit

Dafür bräuchte es am 6. September 2026 bei gleichbleibenden Werten für Linke und SPD und einem Ausscheiden des BSW etwa 44 Prozent für die AfD und 23 Prozent für die CDU – eine Differenz von vier Prozent zum jetzigen Umfrageergebnis. Das ist nicht unmöglich.

Eine solche Entwicklung wirkt unter Betrachtung der früheren CDU-Ergebnisse in Umfragen aber dennoch eher unwahrscheinlich. Bei Insa kam die Partei im Juni noch auf 34 Prozent, im Januar auf 32 Prozent, ebenso im November 2024. Im Juli davor landete sie immerhin noch bei 29 Prozent und war damit bei Insa immer vor oder gleichauf mit der AfD.

Allerdings könnte der Wechsel des Spitzenkandidaten bei der CDU tatsächlich einen Umschwung herbeigeführt haben: 2026 geht nicht mehr der momentan dienstälteste Ministerpräsident der Bundesrepublik, Haseloff, an den Start, sondern der CDU-Chef in Sachsen-Anhalt, Sven Schulze (mehr dazu hier). Der hat sich bereits dafür ausgesprochen, den Kurs von Haseloff und damit die harte Linie gegen die AfD fortzuführen.

Dabei befindet sich die bekämpfte rechte Partei in ganz Deutschland im Aufschwung und konnte bei der Bundestagswahl im Februar in Sachsen-Anhalt 37,1 Prozent erreichen, während die CDU nur noch auf 19,2 Prozent kam. Interessant: Den Stimmengewinn konnte die AfD nicht aufgrund des CDU-Wahlergebnisses verzeichnen. Denn bei der Bundestagswahl 2021 hatten die Christdemokraten 21 Prozent, nur knapp zwei Prozentpunkte mehr als in diesem Jahr. Die AfD kam auf 19,6 Prozent – also 17,5 Prozentpunkte weniger als in diesem Februar.

Das zeigt deutlich, dass die AfD in Sachsen-Anhalt nicht nur von den konservativen Wählern der CDU, sondern offenbar auch den Arbeitern der SPD Wählerstimmen für sich gewinnen kann. 25,4 Prozent erreichten die Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl 2021 – dieses Jahr waren es nur noch elf Prozent. Auch sonst politikverdrossene Nichtwähler konnte die AfD für sich gewinnen.

Auch der Vergleich mit der Landtagswahl 2021 zeigt ein ähnliches Bild – die Verhältnisse haben sich vollständig umgekehrt. Damals kam die CDU noch auf 37,1 Prozent, die AfD auf 20,8 Prozent. Das alles zeigt: Der AfD-Aufstieg speist sich – bundesweit – aus verschiedenen Quellen. Es sind unzufriedene Bürger, die die AfD nicht weniger wählen werden, wenn man einen harten und auf Ausschluss basierenden Kurs gegen sie fährt. Sollte vor allem die CDU das bis zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt nicht verstehen, könnte es erstmals zu einem AfD-Ministerpräsidenten durch den Spitzenkandidaten der Partei, den noch unbekannten Ulrich Siegmund, in Deutschland kommen.

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