Deutschland retten durch Handauflegen und große Worte – das, muss Friedrich Merz spätestens jetzt feststellen, funktioniert nicht. Der Kanzler geht in die öffentliche Offensive, doch seine Predigten und Aufrufe wirken zunehmend beleidigt und pikiert – irritiert davon, dass er sich überhaupt erklären und überhaupt appellieren muss.

Und so wird Merz mal wieder zum Bundes-Stromberg. Als er bei Caren Miosga sitzt, hat er dieses unfreiwillig komische, diesen Habitus des verboomerten Chefs, der sich ärgert, dass es nicht so läuft, wie er gerne hätte. Die ARD-Talkerin will mit Merz im Einzelgespräch über den „Herbst der Reformen“ beziehungsweise dessen Ausbleiben sprechen. Der Bundeskanzler reagiert darauf vor allem mit schnippischen Abwehr-Aussagen.

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„Wir sind doch nicht allein in dieser Regierung“ oder „Ich bin nicht allein in der Regierung“, „Wenn die CDU/CSU die absolute Mehrheit bekommen hätte…“ – stetige Verweise auf die Sozialdemokraten. Eigentlich, so die Botschaft, habe er mit seinen gebrochenen Versprechungen und zu hoch gehängten Erwartungen ja keine Schuld am schleppenden Fortschritt. Es auf die Untergebenen abwälzen – kein gutes Bild für einen Chef. „Im Herbst nächsten Jahres werden wir die Reformvorschläge auf dem Tisch haben“, sagt Merz schließlich, als es um Rente geht. Herbst der Reformen schon, aber halt nächstes Jahr. So kann man sich auch aus der Affäre ziehen – oder es zumindest versuchen.

Bei Miosga kommt er damit aber nicht so ganz durch. Warum weckt Merz ständig Erwartungen, die er nicht halten kann, fragt die Talkerin sich und den Kanzler. Der erklärt daraufhin, er sei ja der Treiber dieser Regierung: „Ja, ich hätte mir auch mehr erwartet in den ersten Wochen und Monaten“, bekennt Merz. Aber: „Ich muss die Regierung selbst auch treiben, motivieren, dass wir vorankommen.“

Merz sprach mit Miosga zu Beginn über die Drohnen-Entwicklung in Deutschland – die Flugobjekte über militärischen Objekten oder Flughäfen halten Deutschland in Aufregung.

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„Unsere Vermutung ist, dass Russland hinter den meisten dieser Drohnenflüge steckt“, sagte Merz. Dass das Land diesem Phänomen gegenüber wehrlos ist, tut Merz ab: „Wir werden nicht kalt erwischt. Es ist einfach in dieser Massivität erst in den letzten Wochen aufgetreten.“ Er wisse, dass dagegen etwas getan werden müsse. „Wir werden das besonnen und mit Augenmaß tun.“

Noch verfüge die Polizei nicht über die passenden „Instrumente“, um auf die Drohnen-Gefahr wirksam zu reagieren, sagte Merz nonchalant. „Es gibt Techniken auf der Welt, die das ermöglichen, abzuwehren. Die brauchen wir“, forderte der Kanzler. Offen bleibt, warum diese Techniken noch nicht da sind – die Drohne ist schließlich nicht gestern erfunden worden, ihr massenhafter Einsatz in der Ukraine ist auch keine Neuheit mehr.

Das politische Streitthema Wehrpflicht schließt daran quasi nahtlos an – und die Debatte gewinnt an öffentlicher Dringlichkeit. „Wir wollen das jetzt mit der SPD zunächst freiwillig versuchen hinzubekommen“, sagte Merz. Gleichzeitig erklärte er: „Ich bin skeptisch.“ Er schlug erneut „ein allgemeines, gesellschaftliches Pflichtjahr“ vor.

Die Verschiebung der Bundestagsdebatte über den Gesetzentwurf zum neuen Wehrdienst kommt auch zur Sprache – Merz versteht die Aufregung nicht. Der Beschluss sei „schon vor einigen Tagen“ gemeinsam von den Fraktionen von Union und SPD vereinbart worden – dafür sei nicht, wie von Pistorius behauptet, allein die CDU/CSU verantwortlich, so Merz. „Es kann sein, dass er die internen Vorgänge im Parlament nicht so mitbekommen hat“, haut er dann raus – Spitze gegen den eigenen Verteidigungsminister, der davon wenig begeistert sein dürfte.

Gegen Ende ging es noch um die Emotionen des Kanzlers: Merz bekannte, er sei „sensibel“. Insbesondere, wenn es um Kinder gehe. Schon beim Rückblick auf seinen tränenreichen Auftritt in der Münchner Synagoge, den Merz erläutert, stockt ihm die Stimme, die Faust ist am Mund. Für diese Emotionalität war er von vielen gelobt worden.

Viel entlarvender sind die Emotionen des Kanzlers an diesem Abend: schnippische Schuldabwehr und „tja, der Wähler hat falsch gewählt“ ersetzen keine gute Politik. Die Öffentlichkeit ständig belehren zu wollen, kommt einfach nicht gut. Vor allem, wenn man in seiner politischen Bilanz noch nichts wirklich vorzuweisen hat.

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