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Zahlungsverzug

Zwei von drei Rechnungen nicht pünktlich bezahlt

Eine aktuelle Studie des Kreditversicherers Atradius zeigt ein verheerendes Bild der Unternehmenslandschaft: In Europa und insbesondere in Deutschland geben 66 Prozent der Firmen an, dass ihre Kunden ihre Rechnungen nicht pünktlich bezahlen. Da sich Zahlungsverzüge über die ganze Wertschöpfungskette hinweg verbreiten, könnte es zu einem gefährlichen Dominoeffekt kommen.

Lieferanten berichten immer mehr Zahlungsverzüge bei Abnehmerunternehmen, aber auch bei Konsumenten.

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Der Kreditversicherer Atradius zeigt in einer Studie, dass zwei von drei Unternehmen über nicht bezahlte Rechnungen klagen. Im Rahmen der Studie wurden über 1.700 Unternehmen – überwiegend mittlere und große Firmen – befragt, die aus Zentral- und Osteuropa kommen. Die Ergebnisse liefern ein erschreckendes Bild über den europäischen Binnenmarkt.

So sind über 65 Prozent der Rechnungen zwischen Lieferanten und ihren Abnehmern – also andere Unternehmen – mindestens in Verzug, wohingegen nur jede dritte Rechnung pünktlich bezahlt wird. Fast jede zehnte Rechnung wird als bad debt bewertet, wenn Unternehmen als kreditunwürdig gelten und sie sehr wahrscheinlich insolvent gehen. Gleichzeitig bleiben Gläubiger auf ihren Forderungen sitzen, die nicht beglichen werden können – eine Kettenreaktion könnte drohen.

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Rechnungen „auf Ziel“ sind gängige Praxis, oftmals verbunden mit einem Zahlungsziel von beispielsweise 10 oder 30 Tagen. Dafür wird meistens ein Skonto gewährt, also eine Abzinsung des Rechnungsbetrags, wenn innerhalb des vereinbarten Zahlungsziels die Rechnung beglichen wird. Eine Rechnung auf Ziel ist jedoch ein Kredit, den der Lieferant einem Abnehmerkunden oder einer Firma gewährt. Jetzt zeigt die Atradius-Studie, dass die durchschnittliche Zeit zwischen Rechnungseingang und Zahlungseingang mittlerweile schon zwei Monate beträgt, in der Nahrungsmittelproduktion und Stahlindustrie sogar bis zu 90 Tage.

Dominoeffekt der Insolvenzen

Die befragten Unternehmen geben als Hauptgrund der Zahlungsverzüge an, dass bereits die Konsumenten ihre Rechnungen nicht rechtzeitig begleichen können. Eine geschwächte Nachfrage ist bereits deutlich sichtbar, insbesondere in der Automobilindustrie. Daher sagen 60 Prozent der von Atradius befragten Unternehmen, dass die Nachfrage nach ihren Produkten weiter fallen wird. Dies würde sich dann auf die Unternehmen übertragen, welche die Konsumgüter anbieten. Durch eine Kettenreaktion sind dementsprechend auch die Lieferanten der Zwischenprodukte von spät oder nicht bezahlten Rechnungen betroffen.

Laut Atradius-Studie legen 34 Prozent der befragten Unternehmen die ausstehenden Forderungen um auf ihre Lieferanten, um Liquiditätsengpässe zu vermeiden. Wie ein Dominoeffekt ziehen sich die unbezahlten Forderungen durch alle Stufen der Wertschöpfungskette. Auch bleiben wegen fehlender Liquidität Investitionen aus: 31 Prozent der Unternehmen geben an, dass durch nicht bezahlte Rechnungen Investitionen in Maschinen, Anlagen oder andere Produktionsgüter komplett ausbleiben.

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Deutsche Unternehmen in „Angst“

Erschreckend ist, dass fast jedes fünfte Unternehmen sich zusätzlich mit kurzfristigen Krediten refinanzieren muss, als Reaktion auf den Zahlungsverzug. Da die kurzfristigen Zinsen aktuell relativ hoch sind, könnte diesen Unternehmen Überschuldung drohen. Daher verändert auch die Erwartungshaltung der Akteure in der Wirtschaft – zum Negativen: 60 Prozent der befragten Unternehmen geben an, dass sie einen Anstieg der Insolvenzen noch in diesem Jahr erwarten, insbesondere in der Bauindustrie.

Sorgen um die Einhaltung von Vorschriften und mögliche Änderungen der Regierungspolitik […] werden berichtet.

Atradius Studie „B2B payment practices trends Central and Eastern Europe (CEE)“

Ein großes Anliegen der befragten Unternehmen ist die Einhaltung von Regulierungsvorschriften. Diese würden erhebliche Herausforderungen für Unternehmen darstellen – am stärksten in der Automobilindustrie. Weiter heißt es: „Sorgen um die Einhaltung von Vorschriften und mögliche Änderungen der Regierungspolitik, die die Geschäftstätigkeit betreffen, werden besonders im Bausektor berichtet.“ Auch der Personalmangel würde bei Unternehmen große Besorgnis auslösen.

In einer Befragung von deutschen Unternehmen tauchen ebenfalls alarmierende Bedenken auf – sowohl kurz- als auch langfristig: „Es herrscht weit verbreitete Angst über die Wachstumsaussichten der heimischen Wirtschaft sowie über das anhaltend niedrige Verbrauchervertrauen“, so das Ergebnis der Zahlungsmoralbarometer von Atradius für Deutschland.

Das traditionsreiche Stahlwerk Maxhütte in Sulzbach-Rosenberg (Bayern) ist nur eines von vielen Unternehmen, die in diesem Jahr Insolvenz anmelden mussten. Bereits 2022 musste Maxhütte über 800 Angestellte freistellen, nachdem man die Idee eines „grünen Stahlwerks“ umsetzen wollte – mit einer Entkoppelung von Gas und der Umstellung auf eine reine Stromversorgung von einem Solarfeld in der Nähe.

Insbesondere die Stahlindustrie und Bereiche der Metallverarbeitung sowie der Maschinenbau seien stark betroffen von Zahlungsverzügen: Deutsche Unternehmen berichten von Anstiegen von teilweise 35 bis zu 55 Prozent, je nach Branche. In einem Gespräch mit der WELT erklärt der Deutschland-Chef von Atradius, Frank Liebold: „Die Lage ist ziemlich ernst: Deutschland kommt mit größerer Geschwindigkeit in eine schwierige Situation.“ In anderen Ländern Zentral- und Osteuropas sehe man bessere Zahlen als in Deutschland.

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