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Zinsschock am Anleihenmarkt – Droht eine neue Finanzkrise?

Am Freitag senkte Moody’s das Kreditrating der USA. In der Folge geriet der Anleihenmarkt ins Straucheln. Vor allem Japan steht unter Druck – und mit ihm das globale Fundament der Staatsanleihen. Stehen wir am Anfang einer neuen Schuldenkrise?

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Langfristige Anleihen höchster Bonität, etwa aus den USA, Deutschland oder Japan, bilden das Rückgrat der modernen Finanzarchitektur. Versicherungen, Banken und Pensionskassen nutzen diese Langläufer, um sichere Rendite einzufahren. Ihre Stabilität schützt große Kapitalsammelstellungen vor Volatilität und Schocks an den Finanzmärkten. In Deutschland machen sie etwa ein Drittel der Versicherungsbilanzen aus, in den USA sogar rund 60 Prozent. Anders gesagt: Die Basis unserer Versicherungsmodelle, Transaktionsmechanismen (Settlement) und Risikoprojektionen von Kapitalanlagen sind Staatsschulden. Die Stabilität staatlicher Schuldpapiere begründet das stille Vertrauen, auf dem unser Finanzsystem ruht. Niemand kalkuliert mit der plötzlichen Zahlungsunfähigkeit eines staatlichen Akteurs.

Ursprung und Krise

Drei historische Stränge weisen auf den Ursprung dieses Mechanismus hin: Da ist zum einen die globale Finanzarchitektur, wie sie nach der Konferenz von Bretton Woods im Jahre 1944 etabliert wurde. In ihrem Kern führte sie zur Verankerung des US-Dollars und amerikanischer Staatsanleihen als Nukleus weltweiter Finanzströme, Zahlungssysteme und Anlageformen. Dieser Mechanismus erfuhr eine Vertiefung durch die Etablierung des Petrodollars, der Einigung entscheidender Ölproduzenten wie Saudi-Arabien, Öl, Gas und andere Rohstoffe hauptsächlich in US-Dollar zu fakturieren und die im Verkauf erzielten Überschüsse in amerikanischen Staatsanleihen zu parken.

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US-Dollar und US-Staatsanleihen setzten sich als Standard fest und dominieren noch immer über die verzweigten Kanäle des Rohstoffhandels und des Kreditmechanismus außerhalb der USA (Eurodollar) das Geschehen an den Märkten. Der abschließende Akt, der US-Staatsanleihen endgültig zum globalen Finanzfundament erhob, war das Aus des Goldstandards im Jahre 1971. Mit seiner Entscheidung, die Tauschpflicht von US-Dollar in Gold zu einem Fixpreis aufzuheben, entließ US-Präsident Richard Nixon den Kredit in die totale Abstraktion, ohne jede reale Deckung. Die ungedeckte Staatsanleihe (Fiat) wurde so zum Kreditvehikel, das der Politik einen geldpolitischen Hebel zur scheinbar grenzenlosen Expansion der Staatsschulden an die Hand gab.

Aus der Vergangenheit wissen wir, dass dieser Kreditmechanismus wesenhaft brüchig bleibt. Ob die Asienkrise des Jahres 1997 oder die Große Staatsschuldenkrise vor eineinhalb Jahrzehnten – stets kollabierten die Schuldenkonstrukte einzelner überschuldeter Staaten (Griechenland 2010) und lösten eine Vertrauenskrise aus, die andere Staaten wie Dominosteine stürzen ließ. Stehen wir in diesen Tagen erneut vor einer Schuldenkrise? Die Herabstufung der Vereinigten Staaten am Freitag durch Moody’s bestätigte, was die Anleihenmärkte seit Monaten antizipieren: Der Schuldenberg gerät außer Kontrolle, Investoren verlangen höhere Risikoprämien und verkaufen in erster Linie langlaufende Anleihen, vornehmlich aus den USA und Japan ab.

Welche Alternativen bestehen?

Das Beispiel der Vereinigten Staaten macht deutlich, dass eine kurzfristige Konsolidierung der Staatsausgaben dem Versuch gleicht, ein Flugzeug in der Luft zu reparieren. Vieles, vor allem die staatlichen Zahlungsverpflichtungen im Rahmen der Sozialprogramme oder des Militäretats, scheint nach wie vor sakrosankt. Haushaltspolitik im modernen Wohlfahrtsstaat funktioniert zu einem großen Teil im Modus des Autopiloten.

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Bliebe die Geldpolitik. Sie hat uns überhaupt erst in diese fatale Lage gebracht, seit Notenbanken damit begonnen haben, Staatsschulden en masse auf die eigenen Bilanzen zu nehmen, um so Markt und Zinsniveau unter ihre Kontrolle zu bringen. Man sollte sich an dieser Stelle keiner Illusion hingeben: Frieren wir die Offenmarktaktivitäten der Notenbanken auch nur für 24 Stunden ein, kollabiert der globale Schuldenberg. Der Markt wirkt saturiert, überladen mit Kreditrisiken in einem ökonomisch zunehmend fragilen Umfeld.

Über die Hälfte der japanischen Staatsschulden ruht bereits in der Bilanz der Notenbank – der japanische Anleihenmarkt erfüllt damit längst nicht mehr die Kriterien eines normalen Marktgeschehens, an dem sich Käufer und Verkäufer auf einem volumentiefen Markt in engen Preismargen bewegen. Japans Ohnmacht angesichts des Abverkaufs seiner Staatsanleihen, die 40-Jährigen stiegen seit Jahresbeginn von 2,09 auf 3,45 Prozent, sendet ein fatales Signal, das nun mit Verzögerung den Markt erreicht: Es gibt einen sehr realen Sättigungsmoment, auch am tiefsten aller Märkte, am Markt für Staatsanleihen. Dies ist der Moment, in dem Anleihenemissionen ohne Käufer implodieren und die Notenbank als „Lender of Last Resort“, als letzter Kreditgeber, interveniert, um Schlimmeres zu verhindern.

Wachsendes Risikobewusstsein

Was wir seit Monaten durch den Preisanstieg bei Vermögenswerten ohne Drittparteienrisiko wie Gold oder Bitcoin beobachten, ist eine reflexive und sich verstärkende Kettenreaktion auf den Vertrauensverlust in die Kreditwürdigkeit der Staaten. Gerade der dramatisch schnelle Abverkauf langfristiger Staatsanleihen, wie der 40-jährigen japanischen Papiere, zeigt, dass es sich bei den Verkäufern um große Kapitalsammelstellen wie Versicherungen handeln muss. Die Fragilität des überschuldeten Schuldenbergs sickert zunächst langsam, dann immer schneller in das Bewusstsein der Marktteilnehmer.

Die Kapitalströme in Gold und Bitcoin sind weniger Ausdruck einer freiwilligen Adaption, sondern vielmehr eine erzwungene Flucht aus einem System, das zunehmend unter dem Druck von Inflation und Emittentenrisiken ächzt. Diese Bewegung steht erst am Anfang – und sie dürfte die globalen Kapitalmärkte in den kommenden Monaten und Jahren in Atem halten. Große Umbrüche an den Märkten vollziehen sich schleichend über viele Jahre – und dann mit einem Schlag. Oder wie Ernest Hemingway auf die Frage, wie man insolvent wird, antwortete: „Erst allmählich, dann plötzlich.“ Die entscheidende Frage lautet: Stehen wir vor einem solchen Augenblick, einem systemischen Kippunkt?

Um zu antizipieren, was uns bevorsteht, genügt ein Blick zurück: in die Mechanik der Staatsschuldenkrise vor anderthalb Jahrzehnten. Das Reaktionsmuster von Regierungen und Zentralbanken bleibt sich im Wesentlichen treu: Brüchen im Vertrauenskorsett der Gläubiger begegnet man mit Zinssenkungen, künstlich stimulierter Kreditnachfrage, großzügiger Liquiditätszufuhr sowie Stützungskäufen am Anleihenmarkt. Diese Maßnahmen sind kein Heilmittel, sondern Symptomverschleierung: Sie verzögern notwendige fiskalische Reparaturarbeiten und treiben die Inflation weiter an. Und sie verstärken das reflexive Element des Vertrauensverlustes in die Zahlungsfähigkeit staatlicher Akteure.

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25 Kommentare

  • „Stehen wir am Anfang einer neuen Schuldenkrise?“
    Zumindest in der Schuldenrepublik Deutschland sollte sich niemand darüber wundern. So kommt es, wenn „unser“ Geld von Linken verwaltet wird, die keine Ahnung davon haben, wie hart Geld eigentlich erst verdient werden muss, bevor es ausgegeben werden kann!

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  • Vielleicht lernt ja die Bundesregierung noch hinzu und nimmt nicht das rieisige Schuldenpaket auf, denn die Chance einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit ist auch in Deutschland sehr groß.

  • Letzte Woche war eine Auktion japanischer Staatsanleihen, mit historisch niedriger Nachfrage obwohl die Renditen steigen. Wer soll dann sonst außer der BOJ die Anleihen kaufen? Gestern bis zum Cash-Open in den USA konnte man ein Steigen der Rendite der 10 jährigen US-Anleihe beobachten. Danach fiel die Rendite wieder leicht unter 4,5%. Sah fast so aus als ob da jemand interveniert hat.

  • Das globale Finanzsystem scheint komplett überreizt zu sein. Gold und Bitcoin erscheinen als Rettung. Vermutlich steht uns ein kompletter Neuaufbau bevor. Das wird hart.

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  • Die Schuldenkrise war doch gar nicht weg. An die Schulden haben sich die Akteure gewöhnt. Moody’s kommt zu spät mit der Senkung des Rating. Das sieht ehr nach einem politischen Handeln aus denn die Krise hat sich doch schon über längere Zeit Aufgebot. Biden hat nicht dagegen unternommen. Der war offenbar der Meinung, mit Kriegen die Finanzen zu sanieren. Kriege kosten nur Geld, besonders dann wenn man die verliert. Das hat Trump offenbar verstanden. Eine grössere Gefahr für die Märkte sehe ich aber nicht. Ich kann mich allerdings auch irren.

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  • It takes forever and then it takes a night.

    Die westlichen Wohlfahrtsstaaten wurden mit immer größeren Aufgaben belastet, kostenloser Rückversicherer für Banken in 2008, stetig expandierender Sozialstaat, Pandemiebekämpfer, der die Leute fürs zu Hause sitzen bezahlt Migrantenströme usw.

    Gleichzeitig die Abhängigkeit von Steuern die sich zum großen Teil auf lokale Arbeit und Konsum beziehen, und das internationale Großkapital weitgehend ungeschoren lassen.

    Seit zwanzig Jahren spielen wir Jenga Turm mit den Staatsfinanzen und das Ganze ist halt ziemlich wackelig geworden.

    Der nächste Stein könnte es sein.

  • Nein. Das ist die Schuldenbremse. Ab einer bestimmten Schuldenhöhe wollen die Gläubiger höhere Zinsen.

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  • Bereits am 20. Dezember 2024 warnte damals die Vorsitzende des Betriebsrates der Volkswagen AG als Europas größtem Industriebetrieb vor einem „Bumerang-Effekt“, falls der längst theoretisch angeleitet und empirisch kontrolliert erhobene Befund dazu, was den ökonomischen Erfolg und die soziale Integrationsfähigkeit nicht allein des in Wolfsburg ansässigen Konzerns ermöglicht, auch künftig ins Verhältnis gesetzt wird. Dennoch erteilte die seit dem 6. Mai 2025 amtierende Bundesregierung unter Kanzler Merz dem Relativismus keine Abfuhr. Daraufhin erklärte Christian Lindner spätestens am 16. Mai 2025 als ehedem deshalb geschasster Bundesfinanzminister erneut, dass es „wie ein Bumerang zurückkommen“ wird, wenn weiterhin die Entscheidung des Souveräns vom 23. Februar 2025 nichts zählen sollte. Angesichts dessen nimmt es nicht wunder, dass zunehmend das Vertrauen in die Solvenz des Staates sich verflüchtigt. Immerhin ist die Volkswirtschaft Deutschlands die drittgrößte weltweit.

  • Anstatt die Staatspleite einzugestehen und die harte Kur einer deflationären Weltwirtschaftskrise gewähren zu lassen, wrackt man nun die letzten Währungsüberreste komplett ab. Vermeintlich geben sich die Keynesianer, welche noch bis fünf Uhr morgens um den Magic Money Tree(MMT) tanzen werden, der infantil zu nennenden Illusion hin, die Einführung des zentral gesteuerten Digitalspielgeldes wäre die eierlegende Wollmilchsau. An diesem Zug sind aber keine Bremsen. Weshalb die einzige Rettung im Absprung zu finden ist.

    PS: Die Weissmetallpreise der Sorte P verzeichnen aktuell ein Tagesplus zwischen 4% und 5%.

  • Die USA können nicht pleite gehen, da sie in ihrer eigenen Währung verschuldet sind.
    Ihre Zentralbank kann beliebig nachdrucken. Für Euro-Länder hingegen gilt das nicht.

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  • Merz denkt sich:
    Jetzt noch einen kräftigen Schluck aus der Kreditpulle, bevor die Party vorbei ist…

  • Nicht ganz richtig aber guter Versuch und paar Punkte stimmen. Habe aber keinen Bock hier groß zu schreiben – das momentane Akutrisiko sind Bidens gigantische Kurzzeitanleihen, welche umgeschuldet werden müssen und Abwurf von US Staatsanleihen durch spezielle Länder.

  • Versteh ich nicht. Ich vertraue Trump, alles wird gut.

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  • Trump hat durch seine erratische Politik und seine verantwortungslose Rhetorik das Leben für alle Amerikaner teurer gemacht. Nicht nur werden sie die Zölle für seine irrsinnige Zollpolitik tragen müssen, sie werden auch mehr Zinsen auf alles zahlen wenn das vertrauen in die ökonomische Kompetenz dieser Regierung am Markt einbricht. Die am schwersten davon Betroffenen sind die Armen und Verzweifelten die auf seine Versprechen reingefallen sind.

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  • Wie bestellt, so geliefert. Und by the way: in D geht geschäftlich seit Corona doch gar nichts mehr. Es hat auch keiner mehr Lust dem täglichen Wahnsinn entgegenzuhalten.
    Wer kann der geht, die Anderen verharren innerlich und zahlen für 4 Tomaten beim REWE 3.99 €. Wer sein Maul aufmacht ist Nazi.

  • Wir brauchen noch mehr Fachkräfte, die vom Steuergeld rundum versorgt werden ohne auch nur einen einzigen € in das Sozialsystem einbezahlt zu haben.
    Für den Deutschen ist es immer ein „Nehmen und Geben“, für andere „Asyl“ und „Nimm mit was Du kriegen kannst“.

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