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Heim-EM

Wie die Fans die Funktionäre in die Defensive drängten: Der woke Rückzug des DFB

Keine „One Love“-Binde, kein „stummer Protest“, einfach nur „kicken“: Vor der Heim-EM hat sich der DFB selbst neu erfunden. Die pink gefärbte Wokeness hat der Verband zwar nicht abgelegt, aber sie in den Hintergrund gerückt. Am Ende sitzt der Konsument - die Fans - doch an einem langen Hebel.

Der „stumme Protest“ vor dem WM-Spiel gegen Japan 2022. Eigene Collage

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„Völlig losgelöst, von der Erde“ schallt es durch den Borussia-Park in Mönchengladbach. Die deutsche Nationalmannschaft hat soeben das Spiel gegen Griechenland gedreht – in der 89. Minute. Alle sind außer Rand und Band, die Stimmung ist so gut, wie seit zehn Jahren nicht mehr. Und das, obwohl die letzten Jahre den Tiefpunkt der deutschen Fußballgeschichte markieren und der Deutsche Fußballbund lieber mit politischer Wokeness als mit dem Sport an sich glänzen wollte.

Doch dieses aufgeweichte Image hat die DFB GmbH & Co. KG innerhalb nur weniger Monate versucht abzulegen – jedenfalls in Teilen mit Erfolg. Es geht jetzt nicht mehr ausschließlich um Geschlechter, um Rassismus und den inneren Moralkompass. Nein, es geht wieder mehr um Fußball. Der DFB hat seinen pinkfarbenen Touch zwar nicht gänzlich umgefärbt, aber zumindest einen Mittelweg gefunden, um die Fans wieder auf ganzer Linie mitzunehmen und dennoch sagen zu können: Wir sind doch ein fortschrittliches Unternehmen, wir stehen doch für die Werte einer modernen Gesellschaft.

Interessengeleitete Wokeness hat den DFB schlechter gemacht

Dieser Mittelweg gelingt nicht vielen Unternehmen. Erst kürzlich fiel beispielsweise BMW mit einer Äußerung zum sogenannten „Pride Month“ kontrovers auf: Auf die Frage, warum BMW denn nicht auch in arabischen Ländern mit den Regenbogenfarben werben würde, erklärte das bayerische Unternehmen, bei etwaigen „Marketingkampagnen“ würde man „marktspezifische gesetzliche Regelungen und länderspezifische kulturelle Aspekte“ mit beachten. Kurz: Wo es einen positiven PR-Erfolg zu erwarten gibt, kommt die Regenbogenflagge zum Einsatz – nicht aber, weil BMW wirklich hinter dieser Ideologie steht.

Auch der DFB buhlte in den vergangenen Jahren um woke Anerkennung. Vom Opportunismus getrieben versuchte der Verband, die Ideologie der Regenbogenströmung für die eigene Sache zu gewinnen: Regenbogen-Armbinde, gemeinsame Gestik beim Mannschaftsfoto und harte Strafen gegen Banner im Stadion, die sich für das binäre Geschlechtermodell aussprachen. Während sich der DFB damit als moralischer Vorreiter in der Welt des Fußballs sah, verschlechterte sich die sportliche Leistung dramatisch. War Deutschland 2014 noch auf Platz eins der Weltrangliste, so befindet sich der vierfache Weltmeister momentan auf Platz 16 – hinter Nationen wie Marokko oder den USA.

Bereits im Sommer 2022 erkannte die DFB-Führung um Bernd Neuendorf, dass „Die Mannschaft“ als Marke nicht funktioniert. Der Name wurde abgesägt, die Nationalmannschaft in Reinform retabliert. Ein halbes Jahr später stellte der DFB die neue Task-Force vor.

Prominente Größen wie Rudi Völler, Karl-Heinz Rummenigge und Matthias Sammer waren Teil der Sonderstelle. Neben Rummenigge trat wenig später zwar auch Oliver Mintzlaff aus der Task-Force aus, nach der WM-Blamage von Katar wurde Rudi Völler jedoch als Sportdirektor eingesetzt – ab da an sollte der DFB wieder allmählich mehr Wind in den Segeln erhalten.

Völler konzentrierte sich auf sein Kerngeschäft: Fußball. Der ehemalige Weltmeister von 1990 ließ Bundestrainer Hansi Flick ein halbes Jahr gewähren, übernahm dann nach katastrophalen Ergebnissen gegen Polen, Kolumbien und Japan im September selbst das Heft des Handelns und führte die DFB-Elf zum 2:1-Achtungserfolg gegen Frankreich. Mit ihm als Interimslösung an der Seitenlinie: der heutige Co-Trainer Sandro Wagner. Nagelsmann betont immer wieder, die DFB-Spieler „müssen einfach kicken“. Fußball, statt Symbolpolitik. Das zeigte sich in Nagelsmanns Ansage zur Kapitänsbinde: Deutschland wird nicht, wie noch 2022, mit der sogenannten „One Love“-Binde auflaufen, sondern die von der UEFA empfohlene und neutrale „Respect“-Binde nutzen.

Ganz verloren hat der DFB seine woke Linie jedoch nicht – das pinkfarbene Trikot, das im Frühjahr vorgestellt wurde und als Auswärtsshirt für die Nationalmannschaft fungiert, ist Zeuge für die abstruse Ausrichtung des DFB. Pink statt, Schwarz, Rot oder Gold. Das sagt schon einiges über das Traditionsverständnis der zuständigen Abteilungen. Auch der Ausrüster-Wechsel zu Nike ab 2027 steht symbolisch für die Geschichtsdemenz des DFB – immerhin hatte Adidas-Gründer Adolf Dassler seine Hände im Spiel, als Deutschland 1954 erstmals Weltmeister wurde (Apollo News berichtete).

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Dennoch: Es geht dem DFB unter Nagelsmann und Völler nicht mehr um Regenbogenbekenntnisse – zumindest nicht auf der offensichtlichen Ebene. Vielmehr sollen woke Entscheidungen, wie die Einführung des pinkfarbenen Auswärtstrikots, die Offenheit des DFB auf der einen Seite suggerieren. Auf der anderen Seite sorgen die inoffizielle Torhymne „Major Tom“ von Peter Schilling und der Retro-Touch der Trainingsbekleidung – die an das Outfit von 1996 erinnert, als Deutschland letztmals Europameister wurde – für ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl, für Erfolgsaussichten und irgendwie auch für Deutschland-Stimmung.

Ein schwarzer Trainingsanzug des DFB im Design der Turnier-Kleidung aus 1996. Quelle: store.fifa.com

Dass es dem DFB aber nicht um gesunden Patriotismus, sondern das opportunistische Abstauben von Zielgruppen populärer Strömungen, Trends und Mehrheiten geht, beweist das Vorstellungsvideo für das EM-Heimtrikot. Statt Deutschland-Stimmung zu verbreiten, wird Deutsch-Sein eher als etwas Unästhetisches und Spießiges dargestellt (Apollo News berichtete). Damit wandte sich der DFB an eine junge Generation, die nicht mehr viel mit Deutschland verbindet, die nicht weiß, wer Goethe, wer Bismarck oder wer Adenauer waren.

Getrieben von der opportunistischen Jagd nach Anhängern, um die EM möglichst positiv zu gestalten, etablierte der DFB „Major Tom“ als unwiderstehlichen Ohrwurm. Statt eines inhaltslosen Pop-Songs unserer Zeit wählte der DFB eines der bekanntesten NDW-Produkte, das bereits 1982 von Peter Schilling in die Welt getragen und sogar in den USA veröffentlicht wurde.

Ein Mittelweg also, der dem finanziell kriselnden DFB auch wirtschaftlich wieder Aufschwung verleihen könnte. 2022 betrug der Umsatz des Unternehmens 195 Millionen Euro und damit über 205 Millionen weniger als noch 2021. Gleichzeitig musste der DFB Verluste von 4,2 Millionen Euro verbuchen – ohne die Auflösung eines Rentenfonds wären es sogar 17,5 Millionen Euro gewesen. Der DFB ist also auf eine wirtschaftlich erfolgreiche Heim-EM angewiesen. Sollte die Nationalmannschaft erneut enttäuschend auftreten, dann „haben wir ein ernsthafteres Problem“, sagte DFB-Finanzdirektor Stephan Grunwald dem Handelsblatt.

Deshalb gilt beim DFB jetzt: vorgegaukelte Nostalgie statt moralischer Wokeness. Das Spiel mit den Farben, statt mit den Sprüchen. „Respect“ statt „One Love“. Lieber Werte durch den Fußball sprechen lassen, als den Fußball durch Werte zu verändern. Das ist die neue Schiene des DFB, die wohl erst einsetzte, nachdem Flick als Bundestrainer geschasst wurde und die Heim-EM in greifbare Nähe gerückt war. Denn spätestens dann muss den Verantwortlichen bewusst geworden sein: Wenn die Nationalmannschaft und das ganze Turnier mangels feiernder Fans baden geht, dann geht auch die Reputation des DFB endgültig baden. Am Ende zeigt es: Der Konsument – der Fan – sitzt doch am längeren Hebel. Und woke Funktionäre können nicht einfach machen, was sie wollen.

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