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Wie die Ampel vor der Rentenlücke einfach kapituliert

Die Rentenfrage spaltet die Bundesregierung - doch es geht nur um mehr oder weniger Tropfen auf den heißen Stein. Die Rentenlücke hat schier unglaubliche Ausmaße angenommen. Und wie die Regierungen Merkel hat sich auch die Ampel dazu entschlossen, das Problem einfach weiter aufzuschieben.

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Am vergangenen Montag veröffentlichte die FDP-Bundestagsfraktion einen Fünf-Punkte-Papier für eine „generationengerechte Haushaltspolitik“. Es wird eine Reform des Bürgergelds gefordert und die Abschaffung der abschlagsfreien Rente nach besonders langer Versicherungszeit, also der „Rente mit 63“. Es ist der Gegenvorschlag der FDP, welcher auf Christian Lindners Blockade des Kabinettsbeschlusses für das Rentenpakets II folgte, nachdem mehrere Ministerien – darunter das Auswärtige Amt, Entwicklungsministerium und Arbeitsministerium – die Haushaltsvorgaben nicht eingehalten und unabgesprochen mehr Geld eingeplant hatten, als ihnen zusteht.

Der Bundeskanzler hatte dem FDP-Papier bereits eine Absage erteilt, wies jedoch die Ministerien darauf hin, die finanziellen Vorgaben einzuhalten. Das Rentenpaket II kommt. Dieses sieht zum einen die Aktienrente vor: Der Staat legt Geld an der Börse an, der Haushalt soll damit entlastet werden. Zum anderen soll die Rente bis 2039 „stabilisiert“ werden. Gemeint ist damit das Rentenniveau, es soll bis 2039 festgeschrieben werden, auf 48 Prozent des Durchschnittsverdienstes der Versicherten. Doch die Rente ist in keiner Weise stabil: In ihr befindet sich überhaupt kein arbeitendes Kapital, stattdessen wird sie mit dem Umlageverfahren finanziert.

Oft ist es so, dass der abgeführte Rentenversicherungsbeitrag eines Arbeitnehmers binnen Wochen auf dem Konto eines deutschen Rentners landet. Seit Jahren reichen die Beiträge jedoch nicht aus, der Staat muss quersubventionieren – also Geld nachschießen. Das liegt daran, dass Deutschland einen demografischen Wandel enormen Ausmaßes erlebt. Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter schrumpft immer weiter, die Zahl der Rentner steigt. Außerdem wird immer weniger gearbeitet und in die Sozialkassen eingezahlt. Folgende Zahlen und Fakten zeigen das erschreckende Problem der Rentenfrage: 

 Rentenbeiträge steigen immer weiter an

Zwar wird das Rentenniveau bei 48 Prozent bis 2039 gehalten, die Beitragszahlungen der Bürger hingegen werden ungebremst weiter steigen. Aktuell müssen Arbeitnehmer und Arbeitgeber je 9,3 Prozent des Bruttolohns als Rentenversicherungsbeitrag abführen. Insgesamt ergibt das eine Belastung von 18,6 Prozent. Mit dem neuen Rentenpaket II soll dieser Rentenversicherungsbeitrag mittelfristig auf 22,3 Prozent steigen.

Und dennoch muss der Staat zusätzlich Geld nachschießen: Eine Studie des ifo-Instituts rechnet mit Mehrausgaben für die Rente von über 21 Milliarden Euro im Jahr 2030 – zusätzlich zu den aktuellen Ausgaben. Zehn Jahre später würden Mehrkosten in Höhe von 77 Milliarden anfallen und im Jahr 2060 sogar über 110 Milliarden Euro. Das entspricht einer Verdoppelung der Rentenausgaben in weniger als 36 Jahren.  

 Die junge Generation wird mehr einzahlen, für weniger Rente

Ein junger Abiturient, der noch viele Jahrzehnte Arbeit vor sich hat, wird auf Dauer mehr in die Rentenkasse einzahlen, jedoch kein höheres Rentenniveau erreichen – bestenfalls gelten die 48 Prozent des Durchschnittsverdienstes. Jährlich veröffentlicht die Fondsgesellschaft Union Investment einen sogenannten Vorsorgeatlas. Dieser zeigt, dass im Schnitt die 20- bis 34-Jährigen auf lediglich 38,6 Prozent Rentenniveau kommen. Sie benötigen daher etwa 800 Euro zusätzlich pro Monat und müssen rechtzeitig aktiv werden.

 Anzahl der Rentner steigt kontinuierlich

Laut dem Statistischen Bundesamt waren 2022 über 56 Prozent der deutschen Bevölkerung 40 Jahre alt oder älter. Fast jeder Dritte ist mindestens 60 Jahre alt. Die Prognose zeigt keine Besserung: Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (zwischen 20 und 67 Jahren) wird zum Ende des laufenden Jahrzehnts auf 58,7 Prozent schrumpfen, 2040 sogar auf knapp 56 Prozent. Aktuell finanzieren etwa zwei Arbeitnehmer einen Rentner. In nur fünf Jahren sind es bereits anderthalb Rentner. Im Jahr 2050 wird jeder Rentner nur durch einen Arbeitnehmer finanziert werden können. 

 Die Lebenserwartung steigt

Vor etwa 20 Jahren (2005) betrug die durchschnittliche Lebenserwartung von Männern in Deutschland etwa 77 Jahre – Frauen wurden im Schnitt 82 Jahre alt. Aktuelle Zahlen zeigen, dass sowohl Männer als auch Frauen etwa ein Jahr länger leben. Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm (Mitglied des Sachverständigenrates für Wirtschaft) fordert daher eine Anpassung des Rentenalters an die Lebenserwartung. Außerdem sollte die „Rente mit 63“ nur dann möglich sein, wenn gesundheitliche Gründe vorliegen und nicht mehr gearbeitet werden kann. Bleibt das Renteneintrittsalter unverändert, – die SPD setzt sich vehement dafür ein ­– dann würden mehr langfristig Menschen Rente beziehen und weitere Belastungen auf die erwerbstätige Bevölkerung zukommen. 

 Niedrige Geburtenrate

Im Höhepunkt des Babybooms 1964 kamen mehr als 1,3 Millionen Neugeborene in Deutschland auf die Welt. 2022 waren es nur noch knapp 730.000.

 Migration und Bürgergeld

Die Bundesregierung ist sich einig, dass der sogenannte Fachkräftemangel nur durch „qualifizierte“ Zuwanderung behoben werden kann. Allerdings beziehen in Deutschland aktuell rund 5,5 Millionen Menschen das Bürgergeld, von denen nicht alle Aufstocker sind. Zahlen der Arbeitsagentur zeigen, dass über 60 Prozent der Bürgergeldempfänger Migrationshintergrund haben, in Hessen sind es sogar über 76 Prozent. Knapp die Hälfte aller Empfänger sind Ausländer – sie haben keinen deutschen Pass. Im Haushalt wurde für den Beitrag für das Bürgergeld auf über 26 Milliarden Euro erhöht. 

 Aufgeblasener Staat

Apropos Fachkräftemangel: 2022 waren über fünf Millionen Menschen im öffentlichen Dienst beschäftigt, viele von ihnen in Behörden und Stellen, die keinen Mehrwert für die Wirtschaft schaffen. Die Zahl der Staatsbediensteten ist stark angestiegen, um etwa 12 Prozent zwischen 2010 und 2022.

 Fehlendes Wirtschaftswachstum

Aufgrund der steigenden Anzahl von Rentnern in den kommenden Jahrzehnten werden die Transferausgaben des Staates mittel- bis langfristig steigen. Sollte an der Schuldenbremse festgehalten werden, dann wird die Wirtschaft wachsen müssen, um dieses Geld zu erwirtschaften. Die deutsche Wirtschaft, insbesondere die Industrie, wird im globalen Wettbewerb jedoch aktuell nach hinten durchgereicht: Deutsche Konzerne kündigten im ersten Quartal des laufenden Jahres an, zehntausende Stellen zu streichen. Deutschlands Wirtschaftswachstum wird im laufenden Jahr auf gerade einmal 0,3 Prozent geschätzt.

 Aktienrente: Tropfen auf dem heißen Stein

Mit der von der FDP erkämpften Aktienrente werden etwa 10 Milliarden Euro an Kapitalerträgen erwartet – ab 2036. Finanziert werden soll das ausgerechnet über Schulden. Der Staat muss dennoch über 120 Milliarden Euro an Zuschüssen für die Rentenversicherung und Grundsicherung im Alter aufbringen. 

Fraglich bleibt, wie mit der Rentenfrage in der Bundesregierung auch langfristig umgegangen wird: Das Rentenpaket II, welches Lindner blockiert hatte, wurde schon im Koalitionsvertrag verhandelt. Auch ist schon seit Jahren bekannt, dass Deutschland ein Haushaltsproblem hat und die Überschreitung der finanziellen Spielräume mehrerer Ministerien (allesamt SPD- und Grün-geführt) von der FDP jetzt nur als Vorwand genommen wurde.

Ihre Aktienrente ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein und wird keinen Beitrag zur Bekämpfung der Rentenkrise leisten. Bundeskanzler Olaf Scholz und die SPD verstehen sich selbstverständlich als schützende Hand der arbeitenden Bevölkerung und insbesondere der Rentner in Deutschland. Die Grünen halten sich bislang heraus. Die Rentenfrage wird wieder einmal die Realität der Verhältnisse in der Ampel-Koalition aufzeigen – und dort ist es exakt so, wie bei einer Ampel im Straßenverkehr: Nur ganz kurz leuchtet sie gelb, die meiste Zeit leuchtet sie rot oder grün. 

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