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Schriftliches Abkommen

Koalition in Thüringen möchte mit der Linken zusammenarbeiten

Trotz eines Unvereinbarkeitsbeschlusses könnte die CDU in Thüringen mit der Linken zusammenarbeiten – die fordert eine schriftliche Vereinbarung der „demokratischen Fraktionen“. Alles läuft auf ein Vierer-Bündnis hinaus.

Mario Voigt könnte jetzt mit der Partei von dem noch geschäftsführenden Ministerpräsidenten Bodo Ramelow zusammenarbeiten.

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Fünf Parteien sind im Thüringer Landtag vertreten – vier davon könnten sich an der Regierung beteiligen. Während die stimmenstärkste AfD-Fraktion außen vor gelassen wurde, haben CDU, BSW und SPD eine Koalition gebildet – auch die Linke könnte hier eine Rolle spielen. Zunächst stimmten die Mitglieder des SPD-Landesverbandes am Montag für den gemeinsamen Koalitionsvertrag. Eine Mehrheit haben die drei Parteien jedoch nicht: 44 von 88 Sitzen gehen an die CDU, die mit 23 Abgeordneten vertreten ist, das BSW mit 15 und die SPD mit sechs Abgeordneten.

Bei gemeinsamen Anträgen sind die Parteien also auf die Stimmen der zwölf Linken-Abgeordneten oder der AfD-Fraktion, die 32 Mandate innehat, angewiesen. Vor allem bei der Ministerpräsidentenwahl, die voraussichtlich am 12. Dezember stattfinden soll, könnte das aber für Probleme sorgen. Um den Posten zu ergreifen, braucht der CDU-Landesvorsitzende Marion Voigt in den ersten beiden Wahlgängen die absolute Mehrheit des gesamten Landtages.

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Allerdings soll Voigt nicht mit entscheidenden Stimmen der AfD gewählt werden – was dann passieren würde, zeigte sich bei der Regierungskrise 2020, als der FDP-Kandidat Thomas Kemmerich nur dank der Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Der öffentliche Druck stieg, bereits nach drei Tagen verkündete Kemmerich seinen Rücktritt.

Um ein solches Szenario zu vermeiden, könnte Voigt in den ersten beiden Wahlgängen neben den Stimmen seiner Koalitionspartner auch auf die der Linken-Abgeordneten setzen. Diese wiederum knüpfen ihre Zusage jedoch an Bedingungen. Die CDU müsste also indirekt mit der Linken zusammenarbeiten – obwohl ein Unvereinbarkeitsbeschluss der Christdemokraten mit der SED-Nachfolgepartei besteht.

Aber „wenn es keine Vereinbarung gibt, gibt es keine Stimmen von uns für den Ministerpräsidentenkandidaten Mario Voigt“, stellte der Fraktionsvorsitzende der Linken, Christian Schaft, fest. Es geht um ein verbindliches und verschriftlichtes Abkommen zwischen den vier Parteien, das die künftige Zusammenarbeit definieren soll.

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Die Wahl findet zwar geheim statt, aufgrund der bekannten Fraktionsgrößen lässt sich aber die Stimmabgabe im Nachhinein abschätzen. Ob die AfD Björn Höcke aufstellt und für den Landesvorsitzenden stimmt oder ohne einen eigenen Kandidaten in die Wahl zieht, ist derzeit nicht klar. In letzterem Szenario könnte jede AfD-Stimme für Voigt im ersten oder zweiten Wahlgang gefährlich werden.

Vor allem die SPD möchte keinen von der AfD gestützten Ministerpräsidenten wählen – beim BSW sieht das schon wieder ganz anders aus. „Wenn die AfD ihn wählen will, dann sollen sie ihn wählen. Das betrifft doch nicht die neue Regierung“, erklärte kürzlich die Bundesvorsitzende und Namensgeberin Sahra Wagenknecht. „Ich sehe darin eine gefährliche Normalisierung, wenn so getan wird, als wäre eine Ministerpräsidentenwahl mit den Stimmen der AfD etwas ganz Normales“, konterte der Linken-Vorsitzende Schaft.

Der vor allem für die SPD wünschenswerte und durchaus realistische Ausweg führt über den dritten Wahlgang: Kann Voigt in den ersten beiden Abstimmungen nicht mindestens 45 der 88 Abgeordneten hinter sich versammeln, so reicht im dritten Wahlgang die einfache Mehrheit aller abgegebenen Stimmen. Auch die 44 Stimmen der Koalition ohne den Zuspruch der AfD würden also ausreichen, wenn AfD und Linke nicht gemeinsam für einen Kandidaten stimmen – was als höchst unwahrscheinlich gilt.

Auf diesem Wege würde Voigt auch ohne eine mögliche Beteiligung der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt werden. Doch nachfolgend schließt sich ein weiteres Problem an: Auch für Anträge im Landtag braucht die Koalition, die mit ihren 44 Sitzen de facto eine Minderheitsregierung stellt, mindestens eine Stimme zusätzlich, um eigene Vorhaben umzusetzen. Gezwungenermaßen werden CDU, BSW und SPD also auf die Stimmen der Linken angewiesen sein – was wegen des Unvereinbarkeitsbeschlusses kritisch ist – oder auf die der AfD – was wegen der Brandmauer kritisch ist.

Die klare Tendenz deutet auf eine Duldung der Koalition durch die Linke hin, die wiederum im Gegenzug Zugeständnisse erhalten würde. Es werden konkrete Ziele und politische Maßnahmen gefordert. So sollen beispielsweise nur die „demokratischen Fraktionen“ im Landtag zusammenarbeiten, um das „Erpressungspotential der AfD“ zu minimieren, so der Plan der Linken. Mit anderen Worten: die vier Parteien würden mit 56 Sitzen gemeinsam gegen die 32 Stimmen starke AfD-Fraktion agieren.

Am Dienstag möchten die Koalitionsparteien vor allem unter Federführung der SPD mit der Linken Gespräche führen. Die CDU lehnte ein schriftliches Abkommen mit der Linken im Vorfeld des Treffens ab, ließ dann aber verlauten, ein Angebot vorbereitet zu haben. Der SPD-Landesvorsitzende Georg Maier plädiert derweil für eine Einbindung der Linken in die parlamentarischen Entscheidungsprozesse. Spätestens bis Donnerstag müssen sich alle Beteiligten geeinigt haben.

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