Syrien: Land ohne Regierung
Assads Regime in Syrien ist blitzartig gefallen. Wer stößt jetzt in das Machtvakuum? Ein Überblick über die zum Teil rivalisierenden Milizen, die nun über weite Teile Syriens herrschen.
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Das Regime von Baschar al-Assad ist Geschichte. Und das ist aktuell auch das Einzige, was in Syrien feststeht. Das vom Bürgerkrieg geplagte Land steht ohne eine zentrale, funktionierende Regierung und ohne Staatsapparat da. Stattdessen tummeln sich unzählige Rebellen-Gruppen im Machtvakuum und greifen nach der Regierungsgewalt in Syrien.
Die medial wohl prominenteste Gruppe bilden die Islamisten von Haiʾat Tahrir asch-Scham (HTS). Sie ging aus der al-Nusra-Front hervor, die ihrerseits zuvor Teil von al-Qaida war. Zu einer Art Anführer Syriens hat sich inzwischen ihr Chef Abu Mohammad al-Julani entwickelt. Al-Julani selbst kämpfte zuvor ebenfalls für al-Qaida im Irak gegen amerikanische Truppen. Im Zuge ihrer erfolgreichen Offensive vom Norden Syriens aus in Richtung der vom Assad-Regime kontrollierten Gebiete im Süden versuchte HTS nun ein moderates Bild von sich zu präsentieren – inzwischen gibt es aber erste Berichte von HTS-verordneten Scharia-Gesetzen in übernommenen Gebieten.
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All das weckt schnell Erinnerungen an die Taliban-Machtübernahme in Afghanistan, bei der die Taliban ebenfalls zunächst mit Versprechungen und einem vermeintlich moderaten Auftreten die Macht übernahmen. Bemerkenswert ist allerdings, dass die Lage in Syrien tatsächlich noch chaotischer als in Afghanistan ist. Damals gab es zwei klare Gegner: die afghanische Regierung und die Terrormiliz Taliban – und nach dem Sieg Letzterer war die Lage klar. In Syrien dagegen sieht es ganz anders aus. Tatsächlich zerfiel die Regierung dort noch viel schneller als in Afghanistan, wo der Fall Kabuls zwar auch überraschend schnell kam, aber der Niedergang der Regierung sich schon über Monate abgezeichnet hatte.
In Syrien dagegen glaubte wohl selbst vor ein paar Wochen niemand an einen baldigen Fall des Assad-Regimes. In Blitzgeschwindigkeit löste sich dann der Assad-Staatsapparat auf – und jetzt gibt es keine klar herrschende Gruppe. Denn ja, die HTS-Offensive im Norden war sehr erfolgreich, aber al-Julanis Gruppe ist nur eine von vielen in Syrien. Da wäre etwa auch die pro-türkische „Syrische Nationale Armee“ (SNA), die beträchtliche Gebiete im Norden des Landes kontrolliert und offenbar an der Seite von HTS gegen das Regime kämpfte. Gerade auch durch die türkische Unterstützung und Anleitung ist sie ein ernstzunehmender Player.
Dann sind dort natürlich noch die kurdisch kontrollierten Gebiete im Nordosten. Seit Jahren haben sich dort kurdische Gruppen de facto einen autonomen Staat aufgebaut und, wenn auch nicht mit Assads Regime verbündet, suchte man dort meist nicht den Konflikt mit Damaskus. Man verzichtete etwa auf eine Unabhängigkeitserklärung oder formelle Sezession und baute lediglich ein selbstverwaltetes autonomes Gebiet auf. Unter all den Gruppen, die die USA im langen Lauf des syrischen Bürgerkriegs unterstützten, zeigten sich diese kurdischen Gruppen, die das Bündnis der „Syrischen Demokratischen Kräfte“ (SDF) anführt, oft als der verlässlichste Partner des Westens im Kampf gegen den IS, der praktisch kein Territorium mehr kontrolliert.
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Noch viel weniger als über diese Truppen ist über die Rebellen bekannt, die nun so schnell Damaskus einnehmen konnten. Denn während HTS-Truppen von Norden kommend das Assad-kontrollierte Gebiet am Mittelmeer und im Landesosten teilten und so gerade auch wichtige Routen zu den russischen Basen am Mittelmeer abschnitten, war es eine Offensive von Süden, die Assad wohl den finalen Schlag versetzte.
Die sich – offenbar oder vorgeblich – spontan formierte Gruppe mit dem Namen „Südlicher Operationsraum“ (SOR) nahm in den letzten Tagen des Assad-Regimes große Teile südlich von Damaskus ein und drängte dann in die Hauptstadt. Erst zum Ende der Kämpfe dort kam auch HTS von Norden dazu, ebenso wie RCA von Osten. Bekannt ist über die südlichen Rebellen kaum etwas, zumindest einige dürften sich tatsächlich erst spontan während der Auflösung des Regimes gegründet haben – ihre Ziele sind weitestgehend unbekannt und womöglich völlig unterschiedlich.
Die Hauptstadt – und überhaupt das ganze Land – ist damit nicht klar in der Hand einer Gruppe. Der bisherige Assad-Staat befindet sich ganz offensichtlich in der Auflösung, seit Tagen häufen sich die Berichte von Soldaten seiner Armee, die ihre Posten verlassen und in zivile Kleidung wechseln. HTS-Anführer al-Julani hat nun zunächst den bisherigen Premierminister unter Assad, Mohammad Ghazi al-Jalali, als Übergangspremier benannt. Ob die Autorität seiner gerade besiegten Regierung aber außerhalb der Hauptstadt anerkannt wird, bleibt fraglich. Realistisch ist eher, dass je derjenige vor Ort das Sagen hat, der das jeweilige Gebiet militärisch kontrolliert.
Fraglich ist damit auch, wie sich die Überbleibsel von Assads Armee verhalten: Sie ist besiegt, es gibt eine Welle von Deserteuren, aber ein bewaffneter Kern wird zurückbleiben – und das mit technologisch deutlich hochwertigerer Ausrüstung als die Rebellen. Unter anderem deswegen bombardierte Israel bereits Waffenlager der ehemaligen Regierungstruppen – in Jerusalem fürchtet man, diese könnten in die Hand islamistischer Rebellen fallen. Israels Armee ist auch deshalb ein Stück weit auf syrisches Gebiet vorgerückt, um dort eine Pufferzone aus Sorge vor dem Chaos einzurichten.
Die Rest-Armee des syrischen Regimes ist längst nicht mehr die dominierende Kraft im Land, so, wie sie es einst dank russischer und iranischer Unterstützung war. Unter den verschiedenen Milizen könnte sie – oder das, was aus ihr hervorgeht – dennoch eine wichtige Rolle spielen. Schließlich kontrollieren die Rebellen große Teile des Landes gar nicht wirklich – der Fall der Assad-Regierung war so blitzartig, dass längst nicht überall in ehemalige Regime-Gebiete Rebellen vorgedrungen sind. Und wer von den vielen Gruppen dort das Sagen haben wird, kann sich zu einem völlig neuen Konflikt entwickeln.
Klar ist jetzt nur eins: Syrien steht faktisch ohne Regierung, größtenteils ohne funktionierenden Staat da. Es wird von einem Haufen unterschiedlicher Milizen kontrolliert: Manche sind auf regionale Selbstverwaltung aus, wie die kurdisch dominierte SDF, andere haben womöglich islamistische Träume wie etwa HTS – und mittendrin stehen die zum Teil gegensätzlichen ausländischen Stellvertretergruppen aus der Türkei und den USA.
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Ein Land ohne Regierung… wenn ich an unsere Berliner Machthaber denke, ist das vielleicht gar nicht schlecht, ich meine, so ganz ohne Regierung. Hat doch was!
…aber bald mit Scharia und Kalifat.
wird wohl ein zweites Libyen werden
Also mich erinnert der Abtransport der Assad-Möbel aus Präsidentenpalast und Residenz an den Abtransport der Compact-Möbel.
Das muss etwas mit dem Gefühl von Freiheit, Recht und Demokratie zu tun haben, das man damit verbindet.
Das wird schön chaotisch, vor allem weil sich alle wieder einmischen und wir die Zeche bezahlen sollen. Bestimmt gibt es bald in Syrien ein Gender Projekt, Radwege, neue Brücken, auch wenn unsere auseinander fallen oder Panzer, auch wenn unsere Bundeswehr nichts hat.
Der Wahnsinn geht weiter und die Aussichten durch CDU – Grün sind einfach unterirdisch schlecht.
Die syrischen Rebellen haben für ihr Land den überwiegenden Meldungen zufolge die Freiheit erkämpft. Hoffentlich wird es dort jetzt nicht genau so frei zugehen wie im Irak, in Libyen und Afghanistan. Scholz hat das ja schon begrüßt (gute Nachricht). Er muss es ja wissen.
Wie wäre es mit einer Baustellenampel als Regierungsersatz?
Hätte noch eine übrig.