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Shitstorm gegen Luke Mockridge – woher kommt die Lust an der völligen Zerstörung eines Menschen?

Ein Jahr nachdem ein medialer Shitstorm rund um gerichtlich längst entkräftete Vergewaltigungsvorwürfe den Comedian Luke Mockridge beinah in den Suizid trieb, wurde der 35-Jährige erneut zum Abschuss freigegeben. Man wähnt sich in der moralischen Überlegenheit, während man den Mann wegen Witzen über behinderte Menschen völlig zerstören will.

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„Peinlicher Podcast“, „menschenfeindlich[e] Sprüche“, „Häme über Para-Athleten“ – fast genau ein Jahr, nachdem die deutschen Medien einen regelrechten Vernichtungs-Feldzug gegen den Comedian Luke Mockridge geführt haben, wurde er am Wochenende erneut zum Abschuss freigegeben. Der 35-Jährige wurde wegen seiner „ekelhafte[n] Witze“ über behinderte Menschen nicht nur von einem Comedy-Event am Sonntag ausgeladen, auch seine neue Show „Was ist in der Box?“, die am 12. September bei Sat.1 starten sollte, wurde aus dem Programm genommen.

Die Bild witzelt darüber, dass Mockridge seine Jobs und seine Einnahmequellen verloren hat: nun sei ihm selbst „das Lachen vergangen“. Man wähnt sich dabei offenbar in der absoluten moralischen Überlegenheit – obwohl ein ähnlicher medialer Shitstorm, wegen gerichtlich längst entkräfteter Vergewaltigungsvorwürfe, den 35-Jährigen im letzten Jahr beinah in den Suizid getrieben hat (lesen Sie hier mehr). Er musste „zwangsweise“ in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden.

Jetzt soll Luke Mockridge, schon wieder, vernichtet werden. Und das nur, wegen ein paar mehr oder weniger harmlosen Späßen – die man geschmacklos oder lustig finden kann. Man kann seinen Humor schätzen, man kann ihn kritisieren, auch verurteilen. Aber woher kommt die offensichtliche Lust daran, einen Menschen völlig zu zerstören?

„Comedy ist tot“

Der ganze „Skandal“ ereignete sich in einem Podcast von den YouTubern Nizar Akremi und Shayan Garcia. In ihrem Format „Die Deutschen“ reden die beiden mit Mockridge über alles, was ihnen grade in den Sinn kommt – mit beinah kindlichem Humor beömmeln sie sich über die kleinsten sexuellen Anspielungen und beschweren sich darüber, dass es keine Filme mehr gibt, bei denen man laut lachen muss. 

„Comedy ist tot“, sagt Shayan wenige Minuten bevor Nizar davon erzählt, dass er in Köln nicht mehr auftreten darf. Man habe ihm während einer Veranstaltung vorgeworfen, dass er ein „Sexist“ und „homophob“ sei – wegen seiner Bühnen-Gags. Mockridge sagt dazu, dass er es für „super gefährlich“ hält „seine eigene Reichweite zu nutzen, um andere zu problematisieren“. Vielleicht denkt er dabei an die Kollegen, die ihn letztes Jahr öffentlich verurteilten und forderten, ihn aus der Branche zu entfernen – ohne zu wissen, dass das Spiel bald von neuem losgehen würde. 

Die Gastgeber witzeln darüber, dass man Nizar eine geistige Behinderung attestieren müsste, damit der Podcast der beiden endlich sicher ist. Es wäre ein „Schutzschild“ – man könnte sagen, was man will und wenn sich wieder jemand aufregt, entgegnet man: „Das ist Behindertenphobie“. Ein genialer Coup finden alle drei. Mockridge leitet dann galant zu ein bisschen Eigenwerbung über: „Bei den Paralympics würdest du auch rasieren“, sagt er zu Nizar – über die würde er auch in seiner aktuellen Show reden.

Dann besiegelt er sein mediales Schicksal: Ein „tolles Event für Inklusion“ seien die Spiele, aber „der erste der die Idee hat, das ist schon abgefahren, oder? Der Erste, der in einem anderen Land angerufen hat und gesagt hat: Ey, du kennst doch die Olympischen Spiele, ich hab ne ähnliche Idee. Ihr habt doch auch Behinderte in eurem Land, oder? Soll wir mal gucken, wer schnellere hat? Sollen wir die mal in son Wettrennen gegeneinander? Solln wa mal gucken?“ 

 „Wer als letzter ertrinkt, der hat gewonnen“

Kurz danach holt er noch einmal aus, als es um die verschiedenen Disziplinen bei den Paralympics geht: „Es gib Menschen ohne Beine und ohne Arme, die wirft man ins Becken“, Nizar unterbricht ihn: „Die ertrinken doch!“ Dann sagt Mockridge mit einem dicken Grinsen: „Ja und wer als letzter ertrinkt, der hat gewonnen“. Es folgt gellendes Gelächter – und wenige Wochen später, als die Szene entdeckt wird, ein Empörungssturm.

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Es nützt Mockridge nichts, dass der kleinwüchsige Paralympics-Silbermedaillengewinner Matthias Mester die Witze mit ihm zusammen ausgearbeitet hat. Es interessiert niemanden, dass Mester die Witze laut Mockridge völlig okay findet. Auch nicht, dass der Comedian mit seinem Programm auch Mesters wichtigste Botschaft an den Mann bringen will: Dass für Behinderte die „schlimmste Form der Ausgrenzung“, das schlimmste, was man ihnen antun kann, Mitleid ist.

Das betont Mockridge auch nochmal in einer Entschuldigung, die er auf Instagram veröffentlicht. Er schreibt: „Selbstverständlich war es nie meine Absicht, Menschen mit Behinderung ins Lächerliche zu ziehen – besonders während dieser großartigen Paralympischen Spiele“. Dazu postet er ein Video aus seiner Show, in der er die gleichen und ähnliche angeblich so „abwertende“ Witze macht – zum Beispiel: „Kleinwüchsige haben keine Feinde, außer Schuhsohlen“. 

Die Berufs-Empörten ignorieren, dass „der Zuspruch“ zu seinen Witzen laut Mockridge gerade von Menschen mit Behinderungen „enorm und durchweg positiv“ gewesen sei. Auch seine Entschuldigung, ob sie nun nötig gewesen wäre oder nicht, interessiert sie nicht. Stattdessen holen sie sich Verurteilungs-Statements von Z-Promis wie Guildo Horn, lassen den Vorsitzenden des Behindertensportverbandes über „Diskriminierung“ sprechen und laden sich „Experten“ ein, die sagen, wann Witze über Behinderte okay sind und wann nicht.

Persönliche Zerstörung – egal, was es kostet

Die Antwort: „ein klares Jaein“, das sich bei genauerem Hinsehen in ein „Nein“ verwandelt. Beim Focus erzählt der Rhetoriktrainer Michael Ehlers, dass es zwar Menschen gebe, die sagen, dass „jeder das Recht darauf hat, durch den Kakao gezogen zu werden“. Aber „Abwertung ist – ebenso wie infantile Provokation und Freude an der Grenzverletzung – kein Humor“. Die meisten Witze über „Minderheiten“ und behinderte Menschen soll man deshalb „einfach streichen“.

Es ist die Rede von einem „moralischen Kompass“ – doch den haben die Medien gegenüber Luke Mockridge völlig verloren. Aus einer Lappalie, aus schwarzem Humor, der wohl kaum einen behinderten Menschen im Ernst verletzt, konstruieren sie einen riesigen Eklat. Jedes Medium vom Rolling Stone über das Radio Bielefeld, Bild, taz, Welt, ARD und SZ, sogar schweizer Medien veröffentlichen am Montag einen Artikel nach dem anderen – voll mit Verurteilungen und Forderungen.

Entschuldigungen reichen ihnen nicht, der „armselig[e]“ Mockridge soll weg. Ob er einfach nur seinen Job verliert, alles, was er sich aufgebaut hat; ob er wieder in der Psychiatrie verschwindet oder diesmal wirklich unter der Erde? Das scheint ihnen egal zu sein.

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