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„Schwabbeliges Schwein“ vs. Toni: Wie Berlin auch in der Vermarktung von Zwerg-Hippos den Anschluss verlor

Süß und bitter, wach und benebelt - diese neue wöchentliche Kolumne von Elisa David ist ein Espresso Martini in Times New Roman. Denn wer will seinen Sonntag schon mit einem einfachen Espresso starten - oder schlechter Lektüre?

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Am 3. Juni hat im Berliner Zoo ein kleines Zwergflusspferdmädchen das Licht der Welt erblickt. Es ist klein und fett und glitschig und eigentlich furchtbar hässlich, doch gleichzeitig herzallerliebst. Zwergflusspferde heißen nicht umsonst so, das kleine Neugeborene ist nach anderthalb Wochen etwa so groß wie ein Mischbrot und so schwer wie ein Zwergpudel. 

Berlin ist hin und weg. Wöchentlich berichten die Berliner Zeitungen über das kleine Tier. Von seinem ersten Bad, seiner ersten Verletzung – Zwergflusspferdmama Debbie hat sich versehentlich auf ihr Junges gesetzt – oder der Suche nach einem Hippobademeister, der der Kleinen das Schwimmen beibringen soll. Wochen später hat die Kleine zwar Millionen Klicks auf den sozialen Medien, aber noch keinen Namen. 

Es ergeht ein Aufruf zum Einsenden von Namensvorschlägen, vorzugsweise irgendwas mit Berlinbezug. Zehntausende Namensvorschläge gehen beim Zoo ein. Die Vorschläge sind – sagen wir – vielfältig. Von „Boulettchen“, „Currywurst“ oder „Schrippe“ über „Görli“  bis „Anne Frank“ ist alles dabei. Die Jury entscheidet sich schließlich für „Toni“ – benannt nach Antonio Rüdiger. Nicht nur kommen beide gebürtig aus Berlin, sie haben auch beide Wurzeln in Sierra Leone – und der Zoo konnte Rüdiger noch eine Ehrenpartnerschaft abluchsen. 

Grund für die Namenswahl soll unter anderem auch die internationale Berühmtheit des kleinen Tierchens sein. Da etwa „Boulettchen“ für jeden Nichtdeutschen nahezu unaussprechlich wäre, erscheint „Toni“ doch wie eine barrierefreie Alternative. Doch so wirklich zum Einsatz kommt dieser Name nicht. Denn Berlin hat seine Rechnung ohne Thailand gemacht. 

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Zwergflusspferde sind vom Aussterben bedroht. In der Wildnis gibt es insgesamt nur noch etwa 2500 ausgewachsene Exemplare mit Tendenz nach unten. Doch wie der Zufall will, sind dieses Jahr gleich zwei Mini-Hippo-Mädchen zur Welt gekommen. Es lebt sich eben doch besser mit feinstem Stroh, privatem Bademeister und regelmäßigem Bad. Am 10. Juli ist – im Klo Kheow Open Zoo in der Provinz Chonburi – Moo Deng geboren worden. „Moo Deng“ bedeutet frei übersetzt „Schwabbeliges Schwein“ und ist der Name eines thailändischen Schweinebauch-Gerichts. 

Toni ist lieb und artig, trinkt brav ihre Milch, lässt sich von den Tierpflegern genügsam das Stroh aus der Schnute waschen und schnüffelt und plantscht vor sich hin. Moo Deng dagegen ist auf Krawall gebürstet, sie hat Feuer unter ihrem kleinen runden Hintern. Dass sie kaum Zähne hat, hält sie nicht davon ab, ihre Tierpfleger zu attackieren und anzuknabbern. Sie hat sich schon mit Affen angelegt, rennt, stolpert und fällt auf die kleine Wampe, rappelt sich wieder auf und rennt weiter, knabbert wieder irgendwas an. Wenn Sie Videos von einer Gras fressenden Moo Deng sehen, ist das ein Missverständnis, denn sie ist noch zu klein, um zu fressen – sie hatte ja bis vor kurzem noch keine Zähne – sie tut aber so, weil sie sich das bei ihrer Mama abgeguckt hat. 

Moo Deng hat Toni in ihrer Berühmtheit um Längen überholt. Ihre Bockanfälle mit ihren expressiven Ausdrücken von Wut, Empörung und Verzweiflung machen sie zu einem Internetphänomen. Die Times bezeichnete Moo Deng als Ikone, die Zeit nannte sie ein It-Girl. Es gibt Moo Deng T-Shirts, 24h Moo Deng Livestreams und Plüschtiere. 12.000 Besucher zieht es täglich zu Moo Deng in den Zoo.

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So, ich kann wohl nicht an Ihnen vorbeischummeln, dass ich nun schon sämtliche Absätze lang über Hippos geschrieben habe, dies hier aber ein politisches Magazin ist. Da ich diese Woche über Tessa Ganserers Leder-Fetisch-Foto schreiben musste, habe ich zum Ausgleich, quasi als Schadensersatz, die Erlaubnis bekommen, über Tierbabys zu schreiben, wenn ich mir eine politische Pointe überlegt kriege. Ich habe also angestrengt nachgedacht und werde nun zu eben dieser Pointe übergehen. 

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Und ich habe sogar zwei im Angebot. Meine erste Lektion, die man aus der Diskrepanz zwischen Moo Dengs und Tonis Berühmtheitswerten ziehen kann, ist gewissermaßen eine gesellschaftskritische. Es ist das gleiche Prinzip, nach dem sämtliche Grünen-Politiker berühmt geworden sind. Es bringt in unserer Gesellschaft gar nichts, artig vor sich hin zu plantschen und sich sogar gefallen zu lassen, wenn die eigene Mutter einen platt sitzt. Wer berühmt und erfolgreich werden will, muss Leute anknabbern und Krawall machen. 

Emilia Fester, Tessa Ganserer, Robert Habeck, Annalena Baerbock, Ricarda Lang – sind alle nicht für ihre Politik berühmt geworden, sondern dafür, dass sie sich daneben benommen haben. Zugegeben hinkt dieser Vergleich aber an zwei Stellen. Einerseits sind die aufgezählten Politiker keine kleinen Dickhäuter mit Kulleraugen und sollten eigentlich nicht mit der kleinen Diva Moo Deng verglichen werden. 

Kommen wir also zu meinem zweiten politischen Schluss aus der Moo Deng-Toni-Rivalität. Es ist doch kein Wunder, dass Moo Deng berühmter ist als Toni. Auch wenn ich als deutsche Patriotin natürlich zu unserem deutschen Zwerg-Baby-Hippo halten werde. Die Vermarktung von Toni hat man im Berliner Zoo schon ganz schön ins Heu gesetzt.

Während das thailändische kleine Schwabbel-Schwein einfach Tier sein darf und die ganze Welt bezaubert, muss Toni als Botschafterin für eine aussterbende Art, Vielfalt und gegen Rassismus herhalten. Muss ein Mini-Hippo-Weibchen nun unbedingt nach einem männlichen Fußballspieler mit zuckendem religiösen Zeigefinger benannt werden?

Moo Deng hat keinen rücksichtsvollen, politisch korrekten Namen und nimmt in ihren – zugegeben harmlosen – Attacken keine Rücksicht auf Verluste. Alles an ihr ist authentisch, ob ihre Aggressionsprobleme oder ihr äußerst treffender Name. Keiner will ein Moralapostel-Hippo haben. Hätten sie das kleine Viech mal doch lieber Boulettchen genannt. 

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