Solingen
Say their Names: Ines, Stefan und Florian
Issa al H. tötete bei seinem Anschlag in Solingen drei Menschen: Ines W., Stefan S. und Florian H. Er entriss sie ihren Familien und traumatisierte ihre Angehörigen sowie alle anderen Menschen, welche die Bluttat mitansehen mussten. Wir dürfen ihre Namen nicht vergessen.
Ines W. war Mutter eines Sohnes, Ehefrau und leidenschaftliche Kanufahrerin. Sie hat drei Tage vor Heiligabend Geburtstag, dieses Jahr wäre sie 57 Jahre alt geworden. In ungefähr zwei Monaten hätte sie das 32. Jubiläum ihrer Approbation als Apothekerin gefeiert. Wenn sie nicht gerade in der Apotheke gearbeitet, Zeit mit ihrer Familie oder auf dem Wasser verbracht hat, hat sie sich so viel engagiert, wie der Tag ihr Zeit gab.
Im Ohligser Turnverein, in dem sie Mitglied war, setzte sie sich für Integration ein und organisierte als Festwärtin Veranstaltungen. Eine Frau und ihre Tochter, die Mitglied des Turnvereins waren, wurden ebenfalls in Solingen verletzt, Ines hatte die beiden an dem Abend noch zufällig getroffen. Wenn sie nicht im Turnverein war, engagierte sie sich im Cobra-Kulturzentrum für Minderheiten.
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Sie nahm ihr Engagement ernst, keine bloße bequeme Zurschaustellung irgendwelcher Werte, die man gerade eben haben muss. „Dass gerade sie, der Integration so sehr am Herzen lag, auf diese Weise sterben musste, ist kaum zu fassen und einfach nur entsetzlich,“ sagte Ines Freundin gegenüber der WAZ. Bei ihren ehemaligen Kollegen im Kulturverein Cobra ist man immer noch geschockt.
Das „Festival für Vielfalt“ war für Ines eine Herzensangelegenheit. Und der Ort, an dem sie in den Armen ihres Mannes starb. Wenn er dieses Jahr drei Tage vor Weihnachten eine Kerze für Ines anzündet, wird er sie selbst wieder auspusten müssen. Wie jedes Jahr ab jetzt.
„Ihr Engagement und ihre Menschlichkeit werden uns stets in Erinnerung bleiben“
Die Apothekerkammer Nordrhein veröffentlichte nach dem Anschlag ebenfalls einen Nachruf auf die „geschätzte Kollegin“. Der Präsident der Kammer, Dr. Armin Hoffmann, sagte, dass Ines W. bei dem „furchtbaren und feigen Terroranschlag“ in Solingen „aus dem Leben gerissen“ wurde. „Sie widmete ihr Berufsleben mit großer Hingabe der Gesundheit und dem Wohl der Menschen in der Region“, so Hoffmann weiter – „Ihr Engagement und ihre Menschlichkeit werden uns stets in Erinnerung bleiben“.
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Offenbar haben die islamistischen Rebellen bereits mit dem Umbau Syriens begonnen: In Aleppo gilt Berichten zufolge bereits das islamische Recht der Scharia. Religiöse Minderheiten fürchten um ihre Sicherheit.Aber was bedeuten solche Worte jetzt noch? Seit Freitag wird nie mehr irgendetwas sein, wie es war. Seit Freitag ist Ines für immer weg. Ihr Engagement kann sie nicht mehr retten, ihre Menschlichkeit nicht mehr zurückbringen, nette Worte können nur noch an sie erinnern. Die Kinderfotos ihres Sohnes, seine ersten Schritte, daran kann ihr Mann sich nur noch alleine erinnern. Was wird jetzt aus ihrer Kanuausrüstung? Es gibt so viele schöne Worte, die Ines beschreiben – die treffendsten für ihre Trauerrede, ihre Traueranzeige, ihren Grabstein auszusuchen – das bleibt jetzt an ihrem Mann hängen. Der sich jetzt Witwer nennen muss.
Er hat jetzt viele neue Verantwortungen, so viele Dinge, um die er sich jetzt kümmern muss. Während er verfolgt wird, von dem unmenschlichen Fluch, sich an alles genau erinnern zu müssen. Als seine Frau in seinen Armen starb, war er selbst schwer verletzt. Nach der Attacke von Issa al H. wurde er in ein örtliches Krankenhaus gebracht. Inzwischen ist er aus dem Koma erwacht und hat nichts vergessen. Es ist alles noch da. Nur sie nicht.
„Du warst uns Kollege und Freund zugleich“
Stefan S. durfte nur 67 Jahre alt werden. 30 Jahre lang hat er in den Kalkwerken Oetelshofen in Wuppertal gearbeitet. Nur drei Jahre hatte er von seinem Ruhestand. Wäre er an diesem Freitagabend einfach zu Hause geblieben. Wäre irgendwas dazwischen gekommen, hätte er noch viele ruhige Jahre gehabt, in denen er sein geliebtes Billard hätte spielen können. Er hatte eine Faszination für Straßenbahnen und liebte es im Urlaub mit Frachtschiffen um die Welt zu reisen.
Seine Kollegen beschreiben ihn als liberalen und gebildeten Menschen, der eine Lücke hinterlassen wird. Mit jeder Straßenbahn und jedem Frachtschrift. Die Kalkwerke Oetelshofen veröffentlichten am Montag auf Facebook einen Post, in dem sie um Stefan trauern. Er sei über 25 Jahre Einkaufsleiter in dem Unternehmen gewesen – „und seit drei Jahren im verdiente[n] Ruhestand“. Till Iseke aus der Geschäftsführung der Kalkwerke schreibt weiter: „Dass du bei einem friedlichen Fest durch einen niederträchtigen Angriff tödlich verletzt wurdest, macht uns fassungslos, wütend und traurig“. Man werde Stefan „sehr vermissen“ – er war ein Mensch, der „Werte wie Offenheit und Toleranz gelebt hat“.
Florian H. lebte eigentlich in Düsseldorf. Er war wegen seiner Arbeit in Solingen. Auf das „Festival der Vielfalt“ zu gehen, war wohl eher eine spontane Entscheidung – die er nicht mal bereuen darf. Er musste sie mit seinem Leben bezahlen. Man weiß noch nicht viel über ihn. Ein Nachbar bezeichnete den 56-Jährigen als „rockigen Typen“, der gerne Gitarre spielte und seine langen Haare in einem Pferdeschwanz trug.
Mehr wissen wir nicht. Wir wissen nicht, ob Stefan und Florian Familie oder Kinder hatten – wer außer Ines’ Mann und ihrem Sohn mit dem schweren Trauma aus dieser Nacht weiterleben muss. Hunderte Menschen waren am Freitagabend auf dem Solinger Stadtfest, unzählige haben gesehen, wie Issa al H. Ines, Stefan und Florian tötete – wie er mehrere weitere Menschen schwer verletzte und dabei wohl für immer traumatisierte. Die Augenzeugen, Opfer und Angehörigen werden diese Bilder wohl nie vergessen können. Genau wie das politische Versagen, was die Bluttat von Solingen möglich gemacht hat.
Danke für die Nennung der Namen
der Todesopfer von Solingen.
und dass etwas über die
drei Menschen erzählt wurde.
Ruhet in Frieden.
Bin sehr traurig, auch im Hinblick auf die Hinterbliebenen. 😢
🕯️ 🕯️ 🕯️
Schön, dass Sie die Opfer nennen und so einen warmherzigen Nachruf schreiben.
Mein aufrichtiges Beileid an die Angehörigen.
Gute Aktion. NiUS macht sie auch. Nur unsere mittlerweile für mich unerträglichen Mainstream-Medien schweigen.
Und der Polizist, der in Mannheim ermordet wurde hieß:
Rouven Laur.
Es sind einfach schon zu viele.
Maria († 16.10.2016 Freiburg), Lukasz, Anna und Georgiy, Sebastian, Nada, Fabrizia, Dalia, Christoph, Klaus, Angelika, Dorit und Peter († 19.12.2016 Berlin), Matthias († 28.07.2017 Hamburg-Barmbeck), Marcus († 29.09.2017 Wittenberg), Mia († 27.12.2017 Kandel), Mireille († 12.03.2018 Flensburg), Susanna († 23.05.2018 Mainz), Iuliana († 11.06.2018 Viersen), Joachim (16.08.2018 Offenburg), Daniel († 26.08.2018 Chemnitz), Markus († 08.09.2018 Köthen), Leo († 29.07.2019 Frankfurt), Johanna, Christiane und Stefanie († 25.06.2021 Würzburg), Tabitha († 12.07.2022 Asperg), Jonas und Sascha († 18.10.2022 Ludwigshafen-Oggersheim), Ece († 05.12.2022 Illerkirchen), Ann-Marie und Danny († 25.01.2023 Brokstedt), Christian († 07.03.2023 Bochum), Lisa († 08.09.2023 Wiesloch), Martin († 03.05.2024 Paderborn), Rouven († 31.05.2024 Mannheim), Philippos († 25.06.2024 Bad Oeynhausen), Ines, Stafan und Florian († 23.08.2024 Solingen)…
„An die Dinge glauben heißt: etwas bestehen zu lassen nach dem eigenen Tode, und im Leben die Befriedigung haben, in Berührung zu kommen mit dem, was noch nach uns bestehen wird.“ Cesare Pavese (1908 – 1950)
Meine Anerkennung, Frau David, für diese, Ihre Zeilen!
Das sind nur drei Namen, die anderen haben wir zum Großteil nicht erfahren!