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Migrationshintergrund

Problemgrundschule in Hessen: Schüler wissen nicht einmal, was ein Stift ist

Eine Grundschullehrerin schildert erschreckende Zustände: Kinder ohne jegliche Grundfähigkeiten, überforderte Eltern und Lehrkräfte, die mehr erziehen als unterrichten. Die sprachlichen und sozialen Herausforderungen erschweren den Unterricht zunehmend.

Einige Schüler wissen heutzutage nicht mehr, was Buntstifte sind. Das berichtete eine Grundschullehrerin (Symbolbild).

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Eine Grundschullehrerin berichtet anonym von ihrem schockierenden Alltag in einer Schule, die sich in einem von Migration geprägten Viertel in Hessen befindet. Ihre Schilderungen im Gespräch mit dem Tagesspiegel zeichnen ein besorgniserregendes Bild der heutigen Bildungslandschaft, die von Überforderung, Disziplinlosigkeit und einem übermäßigen Erziehungsauftrag geprägt ist.

Bereits am ersten Schultag zeigen sich gravierende Defizite bei den Kindern. Manche Kinder wissen nicht, was ein Bleistift ist, schildert die Lehrerin und verweist auf die fehlende Kindergartenpflicht in Hessen. „Sie wissen auch nicht, was andere Stifte sind. Sie haben noch nie eine Schere in der Hand gehabt“, so die Lehrerin weiter.

Ein Vorfall in ihrer Klasse verdeutlicht die fehlende Aufsicht und das anspruchsvolle Verhalten mancher Kinder. Als die Klasse einfache Bastelaufgaben ausführte, schnitt sich ein Schüler unbemerkt die Haare ab. „Ich bin eigentlich froh, dass nichts Schlimmeres passiert ist und nur Haare abgeschnitten wurden“, resümiert die Lehrerin erleichtert.

Viele Kinder zeigen schwerwiegende Verhaltensauffälligkeiten, die das Unterrichten zur Herausforderung machen. Ein Schüler fiel bereits beim Kennenlernen auf: Der Junge zog seine Hose herunter, um mit nacktem Gesäß die Temperatur des Stuhls zu testen. Solche Vorkommnisse sind keine Einzelfälle, erklärt die Lehrerin.

Der Bildungsauftrag der Lehrerin wird zunehmend in den Hintergrund gedrängt. Statt Lesen, Schreiben und Rechnen zu vermitteln, muss sie sich primär mit Erziehungsaufgaben befassen. „Was ich den Kindern beibringen muss: Ich habe all meine Sachen dabei, ich schlage nicht, ich trete nicht, ich beiße nicht, ich benehme mich irgendwie normal.“ Diese erzieherische Verantwortung blockiere den eigentlichen Unterricht erheblich.

Besonders dramatisch zeigt sich dies in den Bereichen Lesen und Mathematik. Rund 40 Prozent der Viertklässler können zwar mechanisch vorlesen, verstehen aber nicht, was sie lesen. Einfache Begriffe wie „männlich“ und „weiblich“ sind für viele Kinder unverständlich. Häufig ist es unmöglich, über die Aufgabenstellung hinauszukommen, da schon die Grundlagen fehlen.

Besonders herausfordernd ist die sprachliche Vielfalt in ihrer Klasse. Jedes Kind spricht zu Hause eine andere Sprache, was den Unterricht zusätzlich erschwert. Zwar wird Wert darauf gelegt, dass die Schüler in der Schule Deutsch sprechen, doch dies ist nicht immer der Fall. „Die Hälfte meiner Klasse hat darüber hinaus ein weiteres Defizit“, fügt sie hinzu, womit sie auf Kinder mit Förderbedarf hinweist, die im inklusiven Unterricht begleitet werden.

Die Familien der Kinder sind oft ebenso überfordert wie die Lehrkräfte. Viele Eltern können kein Deutsch, einige sind sogar Analphabeten. Es kommt vor, dass Kinder ohne Schulranzen oder mit unzureichendem Schulmaterial in die Schule kommen. Auch das Thema Ernährung ist ein Problem. „Ganz viele haben abgepackte Schokobrötchen dabei, Süßigkeiten, manchmal Burger“, beschreibt die Lehrerin das typische Pausenessen ihrer Schüler.

Die Sprachbarriere erschwert auch die Kommunikation mit den Eltern. Oft sind Übersetzer notwendig, um sich überhaupt verständigen zu können. Zudem herrscht in vielen Familien ein anderes Zeitverständnis. „Unser Unterricht beginnt um acht, aber einige Kinder kommen zwischen 8 und 8.45 Uhr, weil sie nicht genau wissen, wann die erste Stunde beginnt“.

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