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EU

Nachhaltigkeits-Pflicht: Neues Klimaschutz-Gesetz könnte Unternehmen Milliarden kosten

Obwohl der Koalitionsvertrag einen Bürokratieabbau vorsieht, möchte die Regierung jetzt ein Gesetz verabschieden, das die Wirtschaft jährlich Milliarden kosten könnte. Der Grund: Unternehmen sollen einen Nachhaltigkeitsbericht anfertigen, um ihre Klimafreundlichkeit zu attestieren.

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Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Bundeswirtschaftsminister Habeck (Grüne) wollten beide Bürokratie abbauen - geworden ist daraus wenig.

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Die Ampelparteien wollen den Bürokratieabbau vorantreiben, um Unternehmen „mehr Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben“ zu schaffen. So steht es im Koalitionsvertrag von SPD, FDP und Grünen. Doch davon spürt man in der deutschen Wirtschaft nichts – im Gegenteil. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck selbst musste Anfang des Jahres eingestehen, die Wirtschaftslage sei „dramatisch schlecht“. Und dazu trägt die überbordene Bürokratie ihren Teil bei.

Und statt die Wirtschaft ernsthaft mit sinnvollem Bürokratieabbau zu entlasten, kommt jetzt ein neues Gesetz, das einen noch nie dagewesenen Mehraufwand für Unternehmen bedeuten könnte. Bis zum 6. Juli muss die Regierung eine EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung umsetzen. Der dafür erstellte Entwurf umfasst alleine 150 Seiten.

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Laut Bundesjustizministerium müssen dann 13.000 Großunternehmen in Deutschland einen Nachhaltigkeitsbericht anfertigen und von den Wirtschaftsprüfern bestätigen lassen. Dieses Jahr soll sich das Gesetz noch auf Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern beziehen, in den nächsten Jahren soll diese Untergrenze aber sukzessive gesenkt werden.

Mehrere Milliarden Euro Schaden für die Wirtschaft

Das Ganze soll im Rahmen des sogenannten Green Deals der EU abgewickelt werden. In diesem Sinne hatte die EU im Dezember 2022 Richtlinien für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) verabschiedet, welche wiederum die Einführung einer Nachhaltigkeitsberichtserstattung (CSRD) in allen EU-Staaten bis zum Sommer 2024 vorsieht.

Durch den Bericht soll es beispielsweise Banken und Fondsgesellschaften erleichtert werden, die Investitionen der Unternehmen auf deren Nachhaltigkeit zu überprüfen und dahingehend zu bewilligen oder eben abzulehnen, wenn es sich um weniger nachhaltige Investitionen handelt.

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Der Preis: eine starke Bürokratisierung der Unternehmen, mehr Papierarbeit statt Produktionskraft. Nicht nur für die Unternehmen eine Belastung, sondern letztlich auch für die Verbraucher, die aufgrund des schmaleren Investitionsrahmens der Unternehmen und der damit einhergehenden Bürokratie mit Mehrkosten rechnen müssen.

Die Unternehmen müssen sich für die Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts durch eine Matrix mit 1.000 Datenpunkten klicken und eine 36-seitige Anleitung befolgen. Dafür müssen zudem Mitarbeiter und Lieferanten der Unternehmen befragt sowie geschult und weitere Wirtschaftsprüfer ausgebildet werden. Für letztere könnte das Gesetz aufgrund der dann rasant wachsenden Nachfrage eine Goldgrube werden.

Für die Unternehmen wird das hingegen teuer. Einer Analyse des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) zufolge könnte das Gesetz Aufwandskosten von sieben Milliarden Euro jährlich erzeugen. Eine Umfrage von VCI-Mitgliedsunternehmen hat ergeben, dass anfangs jeweils bis zu sieben Sachbearbeiter benötigt würden. Wenn sich die Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts routiniert hat, würde diese Zahl zwar auf etwa die Hälfte und auch die Kosten auf drei Milliarden Euro jährlich sinken, aber immer noch über den Schätzungen der Regierung liegen.

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Das für die Gesetzgebung zuständige Bundesjustizministerium schätzt die entstehenden Aufwandskosten auf einmalig 750 Milliarden Euro für den verbleibenden Zeitraum in 2024 und anschließend 1,4 Milliarden Euro jährlich. Damit liegen die Zahlen der Regierung zwar unter der Schätzung des VCI, sorgen bei zahlreichen Experten und Verbänden dennoch für scharfe Kritik.

Klimaschutz oder Bürokratieabbau? Ampel vernachlässigt Koalitionsvertrag

Denn: Der EU und der Bundesregierung geht es mit der ESG-Gesetzgebung vor allem um Klimaschutz. Ob dieser von solchen Vorschriften überhaupt profitiert, bezweifeln Wirtschaftsexperten und Regierungsberater laut Spiegel. „Seit Aufzeichnungsbeginn der Bürokratiekosten im Jahr 2006 hat kein anderes Gesetz Kosten in dieser Größenordnung verursacht“, erklärt zudem Lutz Goebel, Chef des Normenkontrollrats der Bundesregierung.

Besonders brisant: die Regierungsschätzungen belaufen sich auf die erste Ebene, den bürokratischen Aufwand für die 13.000 betroffenen Unternehmen. Dass diese einen Teil der Fragen aus Gründen der Zuständigkeit an Subunternehmen, Lieferanten, Produzenten und andere weitergeben, wird dabei aber ausgeblendet. Dabei könnten durch diesen Kaskadeneffekt auch Unternehmen mit einer Mitarbeiterzahl von weniger als 250 Personen Fragen beantworten müssen – obwohl Firmen in dieser Größenordnung gesetzlich erst einmal von dem Nachhaltigkeitsbericht befreit sind.

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Wie teuer dieser Rattenschwanz auch für kleine Unternehmen wird, wie viel Arbeitskapazität und Zeit diese Auslegung beanspruchen könnte, ist nur schwer abzusehen. Für das mittelständischen Maschinenbauunternehmen Vibra Maschinenfabrik Schultheis GmbH & Co. würde das Gesetz aber beispielsweise jährliche Mehrkosten von 50.000 Euro verursachen.

Dabei sind schon jetzt sind zwei der 190 Angestellten mit dem Ausfüllen und Nachhaltigkeitsfragebögen beschäftigt. Momentan handelt es sich dabei um einen Arbeitsaufwand von 20 monatlichen Stunden – der wesentlich komplexere Bericht würde das aber drastisch steigern. Auch anderen Unternehmen geht es ähnlich, erklärt der Schultheis-Chef dem Spiegel: in Gesprächen würde er „tiefe Depression und vor allem Unverständnis“ bei den Kollegen heraushören.

Selbst Regierungs-Experten warnten vor „exzessiver“ Bürokratie

Diese Entwicklung ist allerdings wenig überraschend: Bereits in der vergangenen Legislatur warnte der Wissenschaftliche Beirat des damals von Olaf Scholz geführten Bundesfinanzministeriums vor den fatalen Folgen detaillierter Berichtspflichten im Klimabereich. Nachhaltigkeitsberichte würden „die Gefahren hoher Komplexität und exzessiver bürokratischer Kosten“ aufweisen, schrieben die Wissenschaftler im Frühjahr 2021 im Gutachten zur „grünen Finanzierung“.

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Bestes Beispiel: das Lieferkettengesetz, das ebenfalls im Rahmen der ESG-Vorschriften auf europäischer beschlossen wurde und bis Mitte 2026 ausgearbeitet sein soll (Apollo News berichtete). In Deutschland gilt aber bereits seit geraumer Zeit ein Lieferkettengesetz, das Lieferketten transparenter und Produktionsbedingungen fairer machen soll. Gleichzeitig soll dadurch der Klimawandel bekämpft werden. Im Januar wurde die Reichweite erweitert, jetzt müssen auch Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern die Produktionswege überprüfen.

Damit einhergehend: eine weitere Bürokratisierung. Und das wiederum bedeutet Mehrkosten. Wie viel, das weiß man nicht so genau. Sicher ist aber: Der im gemeinsamen Koalitionsvertrag versprochene Bürokratieabbau ist krachend gescheitert. Zwar befindet sich das Bürokratieentlastungsgesetz IV momentan in der Ausarbeitung, die Maßnahmen sollen aber nur rund eine Milliarde Euro jährlich in der Wirtschaft sparen – alleine die Kosten für die Nachhaltigkeitsberichtspflicht würde diese Zahl locker übersteigen.

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