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Künstlicher Hype

Medien kritisieren Trump und loben Harris – für identischen Vorschlag

US-Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris reitet auf einer Welle der medialen Begeisterung. Wie absurd diese ist, zeigt sich, als Harris einen zuvor verspotteten Vorschlag ihres Konkurrenten Trumps kurzerhand übernimmt und von zahlreichen Medien als geniale Strategin zelebriert wird.

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„Wenn ich ins Amt komme, werden wir keine Steuern auf Trinkgelder erheben“, ruft Trump, während die Menge bei seiner Rallye in Las Vegas tobt. Mitte Juni mischte der ehemalige Präsident mit dieser neuen Forderung den US-Wahlkampf auf. Trinkgelder sollten demnach nicht mehr in der Einkommenssteuer verrechnet werden. Doch zahlreiche Medien spürten in Trumps Plänen Populismus.

Geringverdiener, die auf Trinkgelder angewiesen sind, würden ohnehin nicht genug Geld verdienen, um Einkommenssteuer zu zahlen. Trumps Vorschlag würde deshalb vor allem Großverdienern zugutekommen, heißt es. Das US-Medium CBS sieht Trumps Vorschlag kritisch: Sein Plan würde 250 Milliarden Dollar innerhalb von 10 Jahren kosten. Der deutsche Spiegel führte aus: Trumps Steuervorschlag sei „abstrus“, „am Ende könnten Millionäre anstelle von Kellnern (…) profitieren“.

Trumps Vorschlag kam noch vor dem Attentatsversuch auf ihn, auch bevor der angeschlagene US-Präsident Joe Biden sich aus dem Rennen um die Präsidentschaft zurückzog. Seine Nachfolgerin als Kandidatin der Demokraten für die Wahl im November wurde Vizepräsidentin Kamala Harris. Noch bis vor kurzem wurde auch Harris von zahlreichen Medien für ihre passive Rolle als Vizepräsidentin kritisiert, nun hat sich der Wind gedreht. Kritische Interviews oder Pressekonferenzen lässt Harris nicht zu, anscheinend hat sie aus Bidens Fehlern gelernt.

Die meisten US-Medien folgen ihr auch so. Eine mediale Welle der Begeisterung fegt über Amerika. Kamalas Moment sei gekommen, als erste schwarze Frau Präsidentin zu werden und so Geschichte zu schreiben, so der Tenor. Kritische Berichterstattung, beispielsweise über ihren dubiosen Mitbewerber Tim Walz oder ihre eigene gescheiterte Politik an der Südgrenze der USA, ist rar gesät.

Diese Kampagne entlarvte sich aber kürzlich auf peinliche Weise. Nachdem Trump bereits erfolgreich den Vorschlag für die Abschaffung der Trinkgeldbesteuerung propagiert hatte, zog Harris kurzerhand nach. Plötzlich forderte sie eben das, was Trump noch vor einigen Monaten verkündet hatte. Selbst der amtierende Präsident Biden sprach, wie von seiner Pressesekretärin berichtet, von einem guten Vorschlag.

Die Medien zogen prompt nach. Eben jene, welche noch vor kurzem Trumps Trinkgeld-Plan verteufelt hatten, lobten Harris nun für ihre vermeintlich brillante Strategie, da sie durch die Übernahme der Vorschläge des Republikaners, ihm Wind aus den Segeln nehmen würde. Der Spiegel schrieb, dass Harris „immer mehr Geschick darin [entwickle], ihren Kontrahenten Donald Trump zu ärgern“. Nur selten war noch Kritik am Plan selbst zu hören.

Diese Episode aus dem US-Wahlkampf steht symptomatisch für das Problem zahlreicher amerikanischer und deutscher Medien. Immer öfter geht es nicht um kritische Berichterstattung, sondern Haltungsjournalismus, definiert mit Loyalität oder Ablehnung zu bestimmten Kandidaten. Jene Medien, welche mit einer Kampagne Joe Bidens Hoffnungen auf eine zweite Amtszeit beendet hatten, erheben Kamala Harris nun auf den Thron eines zweiten Barack Obamas.

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