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Luisa, wehe du klingelst bei mir!

Süß und bitter, wach und benebelt - diese neue wöchentliche Kolumne von Elisa David ist ein Espresso Martini in Times New Roman. Denn wer will seinen Sonntag schon mit einem einfachen Espresso starten - oder schlechter Lektüre?

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Vergessen Sie Hausdurchsuchungen, stornieren Sie die Amazon-Bestellung, den neuen Morgenmantel brauchen Sie nicht mehr. Ich bin in dieser Woche zu einer schrecklichen Erkenntnis gekommen. Wenn es morgens um 6 Uhr bei Ihnen klingelt und es ist die Polizei, dann können Sie sich glücklich schätzen. Es hätte auch Luisa Neubauer sein können.

Zum US-Wahlkampf ist Luisa in die USA geflogen (ja, geflogen), um dort in den Swing States von Tür zu Tür zu rennen und sie dafür zu überzeugen, Kamala Harris zu wählen. Sie steht für ein paar Minuten bei Wildfremden vor der Tür und glaubt, sie durchschaut zu haben. Wenn ein Mann seine Frau nicht an die Tür holen will, damit sie mit ihr sprechen kann, bedeutet das für sie gleich, dass er sie kontrollieren muss.

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Auf einer Toilette einer Wahlkampfveranstaltung von Donald Trump hinterlässt sie eine Karte auf Englisch: „Deine Stimme ist privat. Dein Ehemann wird es nicht erfahren. Du kannst den (Kandidaten) wählen, der Frauen respektiert.“ Klar, amerikanische Frauen sind nichts als manipulierte Marionetten, wenn sie nicht das wählen, was ein reiches Töchterchen aus Deutschland will.

Manche freuten sich aber auch über ihren Besuch, weil sie nicht wussten, „wie genau sie wählen können, oder wo ihr Wahllokal ist“. Was früher der Trip nach Somalia war, um den Menschen beizubringen, wie man Brunnen baut, ist heute der Haustürwahlkampf in Amerika. Ein unterentwickeltes Völkchen, das natürlich darauf wartet, von privilegierten weißen Oberschichtkindern überrannt zu werden, die sie an die Hand nehmen, weil sie nach einem Abenteuer suchen und mit den Schuldgefühlen klarkommen, die geerbter Reichtum mit sich bringt.

Das Ganze hat Luisa natürlich nicht klammheimlich und als Freude an der Sache gemacht. Ihre „Erlebnisse“ verarbeitete sie in ihrer taz-Kolumne und im Januar unter anderem dazu ein Buch erscheinen. Als dann am Ende doch Trump gewählt wurde, verarbeitete sie auch das in einer Kolumne: „Leere nach der US-Wahlnacht: Liebeskummer über die Zukunft, die hätte kommen sollen“. Vielleicht das erste Mal, dass sie in ihrem behüteten Leben mal nicht bekommen hat, was sie wollte.

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Beim Klimaschutz ist das etwas anderes. Da wird man in die wichtigen politischen Kreise eingeladen, Zeitungen schreiben Porträts über einen, Politiker knicken ein, weil ihre PR-Berater sich damit die Jungwähler erhoffen. Man wird als Star gehandelt, obwohl man selbst nichts Gewinnbringendes gemacht hat. Keine Modelle selbst entwickelt, keine Phänomene selbst erforscht, keine Slogans selbst erfunden, nicht mal die Bewegung selbst gegründet.

Alles, was man braucht, ist Dreistigkeit – überhaupt nach Amerika zu fliegen und die Menschen vor ihrer Haustür zu überrennen und ihnen ihre eigene Demokratie erklären zu wollen. Sich einzubilden, dass sie von Deutschland aus weiß, was das Beste für sie ist. Es ist die Art von Dreistigkeit, die man als normaler Durchschnittsmensch nicht kennt, gar nicht begreifen kann, die einem niemals einfallen würde. Es ist die Dreistigkeit eines Nepo-Babies. Der Begriff Nepo-Baby leitet sich von Nepotismus ab. Es bezeichnet besonders in Hollywood das Phänomen, dass die Kinder von Models, Sängern, Regisseuren und Schauspielern oder überhaupt aus reichen Familien selbst Models, Sänger, Regisseure und Schauspieler werden. In Deutschland wohl einfach die gute alte Vetternwirtschaft.

Fridays for Future ist für Luisa Neubauer das, was die Titelseite der Yellow Press für Paris Hilton war – ein Ort, um solange das Gesicht in jede Kamera zu halten, bis man ihren Namen kennt. Sie hat sich an die Spitze einer Bewegung gekämpft, die ein anderes Nepo-Baby aus Schweden gegründet hat – mit nichts als dem Selbstbewusstsein, sich vor die Kamera zu stellen. Sie ist nicht lustig, sie ist nicht kreativ, nichts, was sie macht, ist etwas Besonderes, eine wirkliche Qualifikation ist ihr schleppendes Geografie-Studium auch nicht. 

Sie darf fliegen. Das, was sie macht, ist ja tatsächlich wichtig. Ihre Mission ist von Bedeutung. Es sind die anderen, die hirnlos mit dem Billigflieger nach Malle fliegen, um dort ganz hirnlos einfach Urlaub zu machen, die das Problem sind. Es sind die anderen, die nicht wie sie ihr Leben einer größeren Sache widmen. Wenn sie spricht, muss man ihr zuhören.

Amerika hat Luisa tief berührt. Vor anderthalb Wochen kam sie nach „zwei intensiven Monaten“ nach Deutschland zurück. Und dann kam ein Satz, der mir jetzt große Sorgen macht: „99 Tage bis zur Bundestagswahl, wir haben viel zu tun.“ Kurz darauf tauchte sie auf dem grünen Parteitag auf. „Wer im Jahr 2024 Bundespolitik machen möchte ohne Klima, der macht keine Bundespolitik, der macht Märchenpolitik.“, sagte sie in ihrer Rede.

Mit diesem Zitat hat sie Phoenix zitiert, dieses Zitat hat Fridays for Future verbreitet, sie hat es vor ihrer Rede auf X gepostet, es war auch der Titel ihrer neuesten taz-Kolumne. Über Wochen war das das Beste, das ihr für eine vorbereitete Rede und als Mantra für ihre ausgeklügelte Agenda eingefallen ist. Was also, wenn das ihr Aufmacher wird, wenn sie das Konzept des Haustürwahlkampfs nach Deutschland holt? Was, wenn Luisa Neubauer plötzlich vor der Haustür steht und über Robert Habeck reden will? Das Einzige, was uns wohl retten wird: Wahlkampf im Heimatland bietet keine Ausrede für einen Langstreckenflug. Vielleicht unsere einzige Rettung.

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