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„Überfremdung“ und „linksgrüner Mainstream“ – Lindner hofft jetzt, die Ampel-Bilanz hinter sich zu lassen

Keile gegen den „links-grünen Mainstream“, Warnung vor dem Gefühl der „drohenden Überfremdung“: Wahlkampf-Lindner ist zurück und blinkt nach rechts. Aber kann er Regierungs-Lindner vergessen machen?

Lindner beim Dreikönigstreffen in Stuttgart: Markige Sprüche - was ist dahinter?

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„Mein Name ist Christian Lindner, ich bin 45 Jahre alt und offensichtlich der schlimmste Albtraum des links-grünen Mainstreams in Deutschland.“ So beginnt der Vorsitzende der AfD das traditionelle Dreikönigstreffen der Partei. Moment, AfD? Gemeint ist natürlich die FDP.

Man kann bei diesem Lindner, der plötzlich mit so markigen Sprüchen gegen das linke, polit-mediale Establishment keilt, aber schon mal durcheinanderkommen. Der Wahlkampf-Lindner blinkt eben gerne nach rechts. Beim Dreikönigstreffen, bei dem der designierte Generalsekretär Buschmann kämpferisch eine „Aufholjagd“ ausruft, wird zumindest klar, auf welcher Flanke man aufholen will. Auf der Autobahn findet Überholen auf der linken Spur statt – in der Politik auf der rechten. Das weiß die FDP nur zu gut.

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Denn dass Lindner in Wahlkämpfen rechts blinkt – das war eigentlich schon immer so. Vor der Wahl 2017 positionierte Lindner seine Partei fast schon als AfD-Light. Nicht zuletzt bei den Dreikönigstreffen in Stuttgart: Sowohl 2016 als auch 2017 forderte er dort das Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone und attackierte die Kanzlerin wegen ihrer Politik der offenen Grenzen. Merkel habe „Europa ins Chaos“ gestürzt, ihre „Politik der grenzenlosen Aufnahme“ sei „unverantwortlich“, die Abschiebungen müssten verstärkt werden.

Der damalige CDU-Generalsekretär Peter Tauber giftete: „Er redet teilweise wie Herr Gauland von der AfD“. Und hatte damit nicht mal völlig unrecht. Lindner positionierte seine Partei in den Land- und Bundestagswahlkämpfen 2016 und 2017 pointiert als eine AfD – als, so sagte er wörtlich, „Alternative für Demokraten“. Quasi rechts ohne radikal. Die Rechnung ging auf: Insbesondere mit scharfer Kritik an Merkels Flüchtlingspolitik und den Klima-Ideen der Grünen führte Christian Lindner die FDP 2017 mit 10,7 Prozent erfolgreich in den Bundestag. Danach hielt Lindner Wort, verhinderte die Jamaika-Koalition mit den Grünen mit dem Argument „Besser nicht regieren, als schlecht regieren“.

Entsprechend lieferte er auch 2021 einen Freiheits-Wahlkampf, als er die Kritik an der Corona-Politik und den „Hygienemaßnahmen“ aus der politischen Schmuddelecke in die Mitte holte – Lindner und die Freien Demokraten schimpften laut gegen Lockdowns, Impfpflichten, die eskalierende Diskriminierung von Ungeimpften und die zunehmende Regierung per Allgemein-Verordnungen unter Angela Merkel. Wieder mit Erfolg: 11,4 Prozent, noch ein bisschen besser als 2017. Wahlkampf-Lindner zeigte wieder, dass die Überholspur in der Politik die rechte ist.

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Doch was kam danach? Die Ampel-Koalition und mit ihr allerlei knall-linke Politik, welche die FDP zumindest lange mittrug. Und Lindner – der, der im Sommer öffentlich noch großspurig gegen eine mögliche Impfpflicht geschimpft und etwa der FAZ erklärt hatte, man solle von solch einer Unverhältnismäßigkeit absehen – saß im Dezember 2021 plötzlich bei Bild Live und erklärte: „Ich sage offen, dass meine Richtung auch die einer Impfpflicht ist.“ Er glaube, dies sei „verhältnismäßig“. Sobald Lindner in der Regierung war, waren die markigen Ansagen erst mal weitgehend weg. Regierungs-Lindner ersetzte Wahlkampf-Lindner. Und die FDP wurde oft zum Mehrheitsbeschaffer für links-grüne Projekte der Ampel.

Jetzt, nach drei Jahren Ampel und einem verstolperten Exit aus der Koalition, steht die FDP bei ungefähr 3,5 Prozent. Jetzt ist Wahlkampf-Lindner wieder im Modus – beim Dreikönigstreffen tönt er gegen den „links-grünen Mainstream“, deren „schlimmster Albtraum“ er sei. Er spricht von den Ängsten einer Generation, die glaube, „sie könnten die letzten Deutschen sein – wegen der drohenden Überfremdung unseres Landes“. Donnerwetter.

Im Gespräch mit Nius-Politikchef Ralf Schuler sprach Lindner Ende letzten Jahres schon mal in diesem Duktus vom „links-grünen Mainstream“, dem seine Partei nicht angehöre. Dass man das den Leuten nach drei Jahren Regierung mit SPD und Grünen ausbuchstabieren muss – klar. Gemessen an der Ampel-Bilanz wären sonst wenige darauf gekommen, die FDP außerhalb dieses Mainstreams zu verorten.

Die Frage ist, ob die Leute es nochmal kaufen. Denn sie haben jetzt Wahlkampf-Lindner und Regierungs-Lindner im direkten Vergleich erlebt. Und der Vergleich fällt nicht gut aus. Wahlkampf-Lindner gefällt vielen deutlich besser als Regierungs-Lindner – aber weil man Regierungs-Lindner in den letzten drei Jahren eben genau kennenlernen durfte, fällt es schwer, Wahlkampf-Lindner seine starken Sprüche abzukaufen.

Das sieht man auch beim Dreikönigstreffen – dort meint man zu merken, dass Wahlkampf-Lindner selbst bei den eigenen Getreuen nicht so richtig verfängt. Der Applaus ist über weite Strecken verhalten, bei Lindners langer Rede steht mancher gar auf und verlässt den Saal. Nach dieser Regierungszeit braucht es jedenfalls etwas mehr als ein bisschen rechts blinken, um die eigene Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. So viel steht fest.

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