Journalisten-Preis beim NDR für Correctiv? Claas Relotius hätte ihn mehr verdient
Correctiv hat für seine Potsdam-Recherche den Leuchtturm-Preis beim NDR verliehen bekommen. Dabei weist der Artikel weder journalistische Qualität auf, noch ist er wenigstens so kreativ verfasst, wie es Relotius seiner Zeit gekonnt hätte.

Wir eröffnen die Szene in Potsdam, unweit vom Schloss Sanssouci, in einer Villa am Jungfernsee. Das Landhaus Adlon ist etwas abgeschieden in einer kleinen Siedlung auf einem großen Privatgrundstück gelegen. Wenn hier ein Mord geschieht, kommen nur die wenigen Hotelgäste und das überschaubare Personal als mögliche Täter infrage – für Agatha Christie wäre das ein gefundenes Fressen gewesen.
Mehrere Protagonisten betreten die Bühne. Ein ehemaliger Zahnarzt und ein namhafter Investor als Gastgeber, ein politischer Berater, eine Reihe Politiker, politische Aktivisten, Heilpraktiker, weitere Unternehmer und ein Neurochirurg. In einem Agatha Christie-Roman hätte sich diese Truppe zum Pokerspiel im Salon zusammengefunden, bis einer von ihnen plötzlich mit einer Krawattennadel im Hals leblos in seinem Sessel aufgefunden wird. Das Ende eines wohlverdienten Urlaubs für Poirot oder der Anfang eines Abenteuers für Miss Marple.
Man muss aber nicht eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen der Geschichte sein, um mit so einem Material etwas anfangen zu können. Claas Relotius hätte ganze Seiten des Spiegels damit befüllen können, eine dramatische Reportage, „Allein unter Nazis“. Sie hätten ihm ihre dunkelsten Geheimnisse anvertraut und vor seinen Augen Flüchtlingskinder zum Spaß getötet oder ein Syrer wäre plötzlich an der Tür aufgetaucht, um das verlorene Portemonnaie (Inhalt natürlich 1000 Euro in bar) eines der Anwesenden pflichtbewusst seinem Eigentümer zurückzubringen.
Das wäre offensichtlich nicht so fesselnd wie ein Roman von Agatha Christie gewesen. Relotius‘ Artikel hatten stets die Spannungskurve einer Tatort-Folge, in der ein arroganter, reicher deutscher Unternehmer vorkommt. Und doch waren seine Artikel kreativ und mit einer dreisten Leichtigkeit geschrieben, die bis heute keiner seiner Nachfolger nachahmen kann.
Konrad Kujau hätte sich sicher ebenfalls etwas Schönes ausdenken können. Ein Sitzungsprotokoll mit gekritzelten Hakenkreuzen übersät, vielleicht. So wie er Hitler im März 1933 schreiben ließ: „Goebbels bei mir, bekommt geheime Richtlinien für die Presse im Reich“, hätte die Potsdamer Geheimgesellschaft wohl so etwas geschrieben, wie „Supergeheimes Geheimtreffen verläuft geheim und wie geplant, Remigrationsphase wird eingeleitet.“
Die Dramatiker, die das Landhaus Adlon mit seiner kauzigen rechten Verschwörung und der klassischen Einrichtung stattdessen in die Hände bekamen, versuchten wirklich verzweifelt, daraus ein Christie- oder wenigstens ein Relotius-Stück zu zaubern, diese Bestrebungen triefen durch jede Zeile (soweit die Zeilen noch unbearbeitet übrig geblieben sind). Doch geschafft haben sie es nicht. Es ist trotz aller Fantasie doch eher lahm.
Nichtsdestotrotz wurde Correctiv für sein Werk „Neue Rechte – Geheimplans gegen Deutschland“ wegen besonderer publizistischer Leistungen jetzt mit dem Leuchtturm-Preis ausgezeichnet. „Wir möchten die Arbeit der Reporter:innen von Correctiv mit diesem Leuchtturm-Preis nicht nur auszeichnen, sondern auch der gesamten Redaktion symbolisch den Rücken stärken“, erklärte die Jury der Jahreskonferenz des Netzwerks Recherche, die in Kooperation mit dem NDR ausgetragen wird.
Doch ein Leuchtturm war dieser Schrieb von Correctiv in keiner Hinsicht. Offensichtlich schon mal nicht aus einem journalistischen Standpunkt – immerhin ist von dem Original-Artikel ja kaum noch etwas übrig. Wenn man dieses Werk auszeichnen will, sollte man vielleicht hinzufügen, welche Version des Textes man auszeichnet.
Denn mehrmals hat man den Artikel heimlich korrigiert und dabei auch im Kern revidieren und abschwächen müssen. Correctiv-Chef David Schraven musste zudem selbst öffentlich zugeben, dass er im Zusammenhang mit der Recherche gelogen hat. Das ganze Theater war vieles, aber nicht preisverdächtig.
Und auch literarisch lässt die Story viel Potenzial auf der Straße liegen. Wenn man aus einem Treffen aus unbedeutenden Rechten schon die große Verschwörung spinnen – unsere Ex-Familienministerin Anne Spiegel würde sagen „up pimpen“ – will, dann muss man seinen Lesern schon ein bisschen mehr bieten.
Keine Ungereimtheiten um eine Apple-Watch, die erst noch Fotos, Videos und Tonaufnahmen machen kann, dann aber plötzlich keine Tonaufnahmen mehr – weil das ja illegal wäre – aber schon noch Fotos und Videos, obwohl Apple-Watches keine Kamera haben. Solche Logikfehler dürfen Geschichten nicht haben.
Man muss es so machen wie Relotius – keine Beweise und doch glaubt ihm jeder, bei einem versuchten Mord an der amerikanischen Grenze dabei gewesen zu sein. So geht guter Journalismus. Wenn man seine Leser schon anlügt, muss man ihnen wenigstens Unterhaltung bieten.
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Ich höre täglich NDR 2 und habe bei den Nachrichten zunehmend das Gefühl an die aktuelle Kamera erinnert zu werden. Die Nachrichten sind zum Teil so dummdreist und primitiv, das man sich wundert, das die sowas senden. Aber wenn es gegen rechts geht kennen die kein halten mehr, da ist alles erlaubt.
ja klaas relotius ist bei weitem unterschätzt. er hat in der tat eine neue epoche des journalismus eröffnet und alle die ihm nachfolgen – wie die stümper von correktiv – weit hinter sich gelassen.
so geht der neue mainstreamjournalismus, aber wie überall heutzutage, fehlt das qualifizierte personal.
brillante analyse von frau david!
In 2021 haben wir uns niederträchtige, verlogene, unqualifizierte und charakterlich verkommene Nichtskönner als Regierung gewählt.
Ich hoffe, keine herausragende Eigenschaft bei meiner Aufzählung vergessen zu haben – Ende der Durchsage.
Relotius hat genug Preise bekommen und hätte auch mit Sicherheit diesen Preis abgeräumt. Es ist ein Preis für Lüge und erfundene Geschichten. Sozusagen Baron von Münchhausen Preis .
Die Akteure des links-grünen politischen Systems beklatschen und verleihen sich selbst Urkunden.
Wer soll das auch sonst tun?
Ich glaube, sie merken gar nicht wie außergewöhnlich intelligent das ist, was sie tun.
Mögen sie sich und ihre Lügen mit Orden und Preisen behängen. Ihr Kartenhaus wird zusammenfallen, früher oder später.
Ich sage nur:
DDR 2.0