Während die Presse auf den NATO-Gipfel fokussiert war, berieten in Washington bei NatCon prominente Republikaner über die Politik einer neuen Trump-Regierung. Was ihre Pläne für Deutschland bedeuten.

75 Jahre NATO – das zelebrierte US-Präsident Biden vergangene Woche mit Staats- und Regierungschefs in Washington D.C. Nach außen gab man sich zuversichtlich, intern allerdings brodelte es. Bundeskanzler Olaf Scholz sei etwa regelrecht in Panik angesichts eines sich immer mehr andeutenden Trump-Sieges, erfuhr Apollo News aus dem Umfeld amerikanischer Teilnehmer.

Während osteuropäische und baltische Regierungschefs einer neuen Präsidentschaft des Republikaners gelassen entgegenblicken, weil diese Länder bei weitem das Zwei-Prozent-Ziel der NATO erfüllen, sieht es in Deutschland anders aus: Scholz, der nur zu gut weiß, dass seine Regierung das Ziel ohne Schönrechnerei nicht erreicht, befürchtet einen US-Truppenabzug.

Wie also wird die Trump-Politik gegenüber Europa in einer zweiten Amtszeit aussehen? Um uns davon ein genaueres Bild zu machen, waren wir auf der National Conservatism Conference (NatCon), wo prominente Trump-Republikaner auftraten.

Von Wirtschafts-, Innen- bis Außenpolitik haben sie eine andere Sicht als der Mainstream ihrer Partei – und wollen ihre Pläne mit einer Rückkehr Trumps in Weiße Haus in die Tat umsetzen.

NatCon-Gründer Yoram Hazony

Den Ton setzte zu Beginn bereits Yoram Hazony, der amerikanisch-israelische Philosoph und Gründer von NatCon. „Wir brauchen eine neue Außenpolitik und wir müssen uns darüber im Klaren sein“, erklärte er im Namen seiner Bewegung. Man könne nicht mehr den „Liberalismus mit Streitkräften in alle Länder der Welt exportieren“. Die amerikanische Außenpolitik brauche nun als Verbündete „ernsthafte Länder, die es wert sind, Verbündete zu sein“. Nicht aber bräuchte man „Protektorate, für deren Verteidigung man unser Geld und das Leben unserer Kinder ausgibt, weil sie sich nicht selbst verteidigen wollen“.

Wohl prominentester Außenpolitiker vor Ort war Elbridge Colby. In Trumps erster Amtszeit war er Vize-Verteidigungsminister für Strategie und Streitkräfte-Entwicklung und dort federführend für die Ausarbeitung der wegweisenden Nationalen Verteidigungsstrategie der Vereinigten Staaten von 2018 zuständig.

Ein neuer Kurs

Seitdem ist er wohl der bekannteste Verfechter einer Priorisierung der historischen Bedrohung durch China – und einer drastischen Reduzierung des US-Einsatzes in Europa. In einem ausführlichen Interview mit Apollo News legte er seine Strategie und die Konsequenzen für Europa dar.

Hier auf der Konferenz sprach er viele der gleichen Punkte an und warnte sowohl vor denjenigen, die sich die USA als „Weltpolizei“ wünschen, die überall ihr liberales Weltbild durchsetzt, ebenso wie vor Isolationisten, die sich einen völligen US-Rückzug aus der Welt jenseits des nordamerikanischen Kontinents wünschen.

Seine Strategie sieht er als pragmatischen Mittelweg, der eine dominierende Rolle Chinas verhindert, aber die USA nicht mit Interventionen rund um den Globus ablenkt. Seine Haltung teilen hier viele.

Von mehreren Insidern (auch fernab der Konferenz) heißt es längst, dass er einer der drei Namen ist, die für den Job des Nationalen Sicherheitsberaters unter Trump gehandelt werden. Dieser Posten ist im Regierungsalltag oft mächtiger als sogar Außen- oder Verteidigungsminister.

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Am Rande der Konferenz nahm sich Colby Zeit für unsere Fragen. Im Kurz-Interview mit Apollo News fand er lobende Worte für Vorschläge des deutschen Verteidigungsministers Boris Pistorius den Wehretat auf 3,5 Prozent des BIP zu erhöhen, verwies aber darauf, dass Kanzler Scholz selbst geringere Erhöhungen der aktuell deutlich niedrigeren deutschen Militärausgaben blockiert.

„Ich bin der Meinung, dass wir der NATO weiterhin verbunden bleiben sollten, doch das ist ein ganz anderes Maß an Unterstützung als das, an das die Europäer gewöhnt sind.“ Um diese Lücke zu füllen, müssten Europäer jetzt selbst aktiv werden und ihre Ausgaben erhöhen, um vor allem „so schnell wie möglich Streitkräfte bereitstellen“ zu können, um sich selbst zu verteidigen.

Angesprochen auf die Angst mancher europäischer Regierungschefs vor einer Rückkehr Trumps meint er: „Das beste, was Europa machen kann, ist so schnell wie möglich selbst aufzurüsten und wenn Präsident Trump sie dazu bringt, dann hilft er ihnen.“

Keine bedingungslose Unterstützung

Viele der anderen konservativen Militär- und Sicherheitsstrategen bei NatCon teilen seine Meinung. Sumantra Maitra, Forschungsdirektor beim American Ideas Institute und Senior Fellow beim Trump-nahen Center for Renewing America, fand ebenfalls scharfe Worte für (west-)europäische Untätigkeit bei der eigenen Verteidigung.

Dass „US-Truppen Europa verlassen“ könne bei dieser Haltung „schon morgen“ passieren. Speziell Deutschland würde immer noch nicht genug für seine Sicherheit tun und sei kaum fähig sich selbst zu verteidigen. „Wenn Deutschland für 12 Divisionen zahlt, führen wir dieses Gespräch [über einen amerikanischen NATO-Austritt] nicht“, so Maitra in Anspielung auf Forderungen mancher US-Rechter, die ganze US-Involvierung in der NATO zu überdenken. 

Eine neue Trump-Regierung müsste nun entsprechenden Druck machen, damit „burden sharing“ – also gleiche Übernahme der Militärausgaben innerhalb der NATO – endlich geschehe. Auf dem NatCon-Panel zu europäischer Sicherheitspolitik war auch die NATO-Osterweiterung Thema:

Während der ehemalige Thatcher-Vertraute John O’Sullivan die „Bedeutung der Länder, die ja tatsächlich freiwillig der NATO beigetreten sind“ hervorhob, war Maitra kritischer: Er machte das Argument, die Allianz könne sich nur verteidigen, wenn sie beständige Grenzen habe und sich nicht ständig erweitere.

Er verglich das Ganze mit einer Burg und meinte, man müsse jetzt die „Zugbrücke hochfahren“. Dementsprechend ist er strikt gegen eine NATO-Aufnahme der Ukraine – etwa als Teil einer Friedenslösung.

Hier pflichtete auch O’Sullivan bei: Eine NATO-Aufnahme des Landes sei nicht notwendig, um einen Friedensschluss als erfolgreiche Abwehr der russischen Invasion zu werten. Das Resultat müsse eine „bewaffnete und verteidigungsfähige Ukraine“ sein, „aber nicht unbedingt in der NATO“.

Eine interessante Diskussion, die die Gedankenwelt von Trumps Umfeld zeigt. Vor allem ist das auch daher relevant, weil Trump selbst einen raschen Waffenstillstand im Ukraine-Krieg verspricht.

Für Deutschland jedenfalls ist einhellig klar, was der Kurs dieser Trump-Verbündeten bedeuten würde: Die US-Regierung würde darauf pochen, dass die Deutschen deutlich mehr für die eigene Verteidigung tun – denn man wäre mit einem Rückzug beträchtlicher US-Truppen und Ressourcen konfrontiert. Das scheint auch Scholz zu wissen, doch, statt auch gerade im eigenen nationalen Interesse die eigene Verteidigung hochzufahren, zögert er lieber und denkt, er könne dieses Szenario mit Warnungen vor Trump und Hoffnung auf dessen Niederlage einfach ignorieren.

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