Werbung

...
...

Fehlende Approbation

Hat Karl Lauterbach gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen? Neue Details belasten den Minister

1999 leitete Karl Lauterbach möglicherweise rechtswidrig eine Cerivastatin-Studie – obwohl dazu eine Approbation notwendig war. Die erlangte er allerdings erst 2010. Die Studie wurde dennoch genehmigt – wegen mehrerer Todesfälle im Zusammenhang mit dem Arzneimittel allerdings vorzeitig beendet.

Von

Werbung

Weil Karl Lauterbach den bis 2004 für Medizinabsolventen verpflichtenden „Arzt im Praktikum“ umging, musste der heutige Bundesgesundheitsminister mehrfach Kritik einstecken. Jetzt wirft das Auslassen des 18-monatigen Pflichtpraktikums erstmals auch rechtliche Fragen auf: Bereits 1999 soll der damals 36-Jährige als „Prüfleiter“ an einer klinischen Studie beteiligt gewesen sein – obwohl diese Position von einem Arzt besetzt sein musste.

Arzt ist laut Paragraf 2 Absatz 1 der Bundesärzteordnung nur, wer eine Approbation besitzt. Zwischen dem 1. Juli 1988 und dem 30. September 2004 war dafür das ärztliche Praktikum notwendig. Lauterbach trat dieses jedoch nie an. Stattdessen erhielt der Bundesgesundheitsminister 2010 nachträglich seine Approbation, als das Praktikum nicht mehr notwendig war und lediglich ein abgeschlossenes Medizinstudium als Qualifikation für eine Approbation ausreichte.

In einem Studienantrag des Pharma-Unternehmens Bayer Vital GmbH & Co. KG an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 6. April 1999 wird Lauterbach laut der Nachrichtenseite Hintergrund dennoch als „Prüfleiter“ geführt – obwohl eine Approbation damals noch nicht vorlag. Als Arzt war der SPD-Politiker damals also noch nicht eingetragen. Zu diesem Zeitpunkt durfte „die klinische Prüfung eines Arzneimittels“ laut Paragraf 40 Absatz 4 des Arzneimittelgesetzes vom 17. Dezember 1989 aber nur „von einem Arzt“ bei Menschen durchgeführt werden.

Zudem muss der betreffende Arzt „mindestens eine zweijährige Erfahrung in der klinischen Prüfung von Arzneimitteln“ vorweisen können. Lauterbach schloss bereits 1989 sein Medizinstudium ab, promovierte zwei Jahre später erstmals und ist seit 1998 Leiter des Instituts für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie der Universität zu Köln. Im Zuge dessen war er bereits in den frühen 1990er-Jahren an einigen Untersuchungen beteiligt – an seinem nicht vorhandenen Arzttitel änderte das jedoch logischerweise nichts.

Die Position des „Prüfleiters“ könnte der heutige Bundesgesundheitsminister also wider geltendes Recht angetreten haben. Denn bei der betroffenen Studie mit dem Titel „Risk evaluation and stroke prevention in the elderly – Cerivastatin trial“ (zu Deutsch: Risikobewertung und Schlaganfallprävention bei älteren Menschen – Cerivastatin-Studie), kurz RESPECT-Studie, sollten bis zu 10.000 Menschen untersucht werden. Als „Prüfleiter“ war Lauterbach gesamtverantwortlich für die Durchführung und Bewertung der Studie.

Der SPD-Politiker wusste offenbar von den rechtlichen Voraussetzungen dieser Position. Laut Hintergrund soll Lauterbach selbst den Antrag für die Studie an die Ethikkommission der Universität Köln gestellt haben, in dem er auf die rechtlichen Voraussetzungen für das Vorhaben im Rahmen des Arzneimittelgesetzes hingewiesen haben soll. Ob Lauterbach allerdings auch auf das Fehlen seiner Approbation hinwies, ist unklar. Das Gremium genehmigte den Antrag am 18. Dezember 1998 und nahm scheinbar keine weitere Prüfung von Lauterbachs Position im Zusammenhang mit der Studie vor.

Auf Anfrage erklärte das Bundesgesundheitsministerium dann gegenüber Hintergrund, Lauterbach habe seine ärztliche Prüfung zum Zeitpunkt der Studienvergabe „bereits abgelegt und entsprechende Erfahrungen in der Durchführung klinischer Studien. Seine Eignung als Studienleiter hat die Ethikkommission der Universität zu Köln daher bestätigt.“ Das Fehlen der Approbation wird hier ignoriert und durch das Absegnen der Ethikkommission kaschiert.

Die betreffende Studie sollte über fünf Jahre andauern, wobei die Probanden vier Jahre lang mit dem Wirkstoff therapiert werden sollten. Eigentlich sollten die Vorteile des 1997 in Deutschland zugelassenen Arzneimittels Cerivastatin, das unter dem Namen Lipobay verkauft wurde, bei älteren Menschen evaluiert werden. Der Start der Untersuchungen war für Mitte 1999 angedacht, 2005 sollte ein abschließender Bericht erscheinen – doch dieser Zeitplan wurde frühzeitig annulliert. Bereits im August 2001 reagierte Bayer auf vermehrte Todesfälle und nahm das Mittel vom Markt. 52 Menschen sollen zu diesem Zeitpunkt in Verbindung mit dem Arzneimittel zu Tode gekommen sein.

Werbung